Gevelsberg. Einzigartige Untersuchung des Geologischen Dienstes: Ergebnisse aus Gevelsberg sind entscheidend für die Nutzung von Erdwärme.

Die Tage für Öl- und Gasheizungen sind gezählt. Regenerative Energien sind die Zukunft. So viel zur Theorie. Doch wie gelingt das in der Praxis? Woher soll all die Wärme kommen, die benötigt wird? „Erdwärme könnte eine Lösung sein“, sagt Sören Stichling vom Geologischen Dienst NRW. Bohrungen in Gevelsberg sollen nicht nur Antworten bringen, sie könnten auch eine entscheidende Rolle für die Energiewende im Land spielen. Vor fünf Monaten wurden Proben aus 80 Metern Tiefe gewonnen, die ersten Ergebnisse sind überraschend.

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Im Untergrund gibt es viele verschiedene Schichten. Sie spiegeln den Lauf der Zeit der Erdgeschichte wieder und haben unterschiedliche Eigenschaften. Für die Gewinnung von Erdwärme oder auch Geothermie genannt ist der Massenkalkstein von besonderer Bedeutung. Er ist im Devon-Zeitalter entstanden - vor etwa 380 Millionen Jahren. Was ihn so besonders macht? Kalksteine sind zerklüftet, in Spalten und Hohlräumen dieser Gesteine kann das Wasser zirkulieren, das zur Gewinnung von Erdwärme genutzt wird, erklärt der Fachmann vom Geologischen Dienst. Die erste Überraschung, die bei den Bohrungen in Gevelsberg zu Tage kam: Die Massenkalksteine sind noch zerklüfteter, als vermutet. Sie sind damit noch geeigneter für die Wärmegewinnung als angenommen. Eine entscheidende Erkenntnis. „Das Potenzial ist da“, sagt der Geologe.

Je tiefer, desto effizienter

Sören Stichling hat die Bohrung im Auftrag des Landes NRW in Gevelsberg organisiert. Warum Gevelsberg? Weil hier die Massenkalkschicht nicht so tief ist, wie an anderen Orten. Man kommt also besser ran an die besonderen Steine, die für den Geologischen Dienst so vielversprechend sind. Der Nachteil daran: „Die Gevelsberger selbst werden die Geothermie-Technologie wohl nicht so gut nutzen können, weil man für die Erdwärmegewinnung viel tiefer bohren müsste“, so Stichling. Zur Erklärung: Je tiefer gebohrt wird, desto wärmer sind die Temperaturen als nahe an der Oberfläche. Das Wasser, das für die Erdwärmegewinnung zirkulieren muss, ist in 100 Metern Tiefe 3 Grad wärmer, nach weiteren 100 sind es dann insgesamt 6. Also: Je tiefer, je wärmer, desto effizienter.

Sören Stichling vom Geologischen Dienst begutachtet Proben der Bohrungen.
Sören Stichling vom Geologischen Dienst begutachtet Proben der Bohrungen. © WP | Geologischer Dienst NRW

Die Ergebnisse, die in Gevelsberg gewonnen werden, helfen damit dabei herauszufinden, wo Erdwärmenutzung überhaupt möglich ist. Der Geologische Dienst bietet auf der Internetseite www.geothermie.nrw.de eine Karte an, in der jeder erkennen kann, wie der Untergrund unter seinem Zuhause beschaffen ist. Sören Stichling erklärt: „Man darf dabei nicht vergessen, das sind nur geologische Modelle, denn wir haben nur den Blick von außen.“

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Die Bohrung in Gevelsberg hat hingegen den Blick nach Innen ermöglicht. Und der hat deutlich gemacht: Der Untergrund in Gevelsberg ist anders aufgebaut als angenommen. Die Ennepe-Störung hat größere Verwerfungen verursacht als vermutet, die Schichten sind anders verteilt.

Im Auftrag des Landes NRW

Der Geologische Dienst NRW ist die zentrale geowissenschaftliche Einrichtung des Landes im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Sie liefert Daten und Informationen über den Untergrund. Diese bieten wichtige Erkenntnisse für den Rohstoff- und Energiebedarf, für die Planung von Bauwerken, die Sicherung von Trinkwasserreserven oder für eine standortgerechte Land- und Forstwirtschaft.

Jedes Vorhaben zur Erdwärmenutzung muss der Unteren Wasserbehörde des jeweiligen Kreises bzw. der kreisfreien Stadt angezeigt werden.

Dadurch können Rückschlüsse auch für andere Standorte gezogen werden. „Diese Informationen werden in unser Datenbank-System eingegeben“, sagt Sören Stichling. Sie sind dringend notwendige Referenzdaten, um die Verbreitung, Mächtigkeit und den Aufbau der Gesteinsschichten im Untergrund zu erfassen und in geologischen Karten und Informationssystemen darzustellen. Als Grundlage für die Weiterentwicklung der Erdwärme-Technologie. Die Bohrung in Gevelsberg bildet eine wichtige Grundlage, denn viele Bohrungen hat es in NRW in dieser Form noch nicht gegeben.

Heimisch und umweltfreundlich

Der Geologische Dienst analysiert die Proben der Bohrungen, hier wird die Wärmeleitfähigkeit überprüft
Der Geologische Dienst analysiert die Proben der Bohrungen, hier wird die Wärmeleitfähigkeit überprüft © WP | Geologischer Dienst NRW

Wie es jetzt weiter geht? Die Gesteinsproben aus Gevelsberg werden weiter analysiert. Aktuell geht der Blick auf die Mikrofossilien, die im Gestein eingeschlossen sind. Das Auslesen der winzigen Organismen passiert per Hand, die Analyse hilft beim Bestimmen des Alters, macht vieles konkreter. Überprüft wird auch die Wärmeleitfähigkeit und chemische Zusammensetzung. Noch laufen die Untersuchungen. „Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse“, sagt Sören Stichling.

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Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für die weitere Planung des Landes in Sache Erdwärme. Sie könnte eine umweltfreundliche, regenerierbare und heimische Energiequelle und echte Alternative werden. Eine Energiewende made in Gevelsberg.

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