Schwelm. Sparkassenvorstand und Stadtmarketing – die Schwelmer Politik zieht aktuell massiven Ärger der Bürger auf sich. Muss die Aufsicht eingreifen?

Ob sich Oliver Flüshöh die letzte Ratssitzung seiner herausragenden politischen Karriere in Schwelm so vorgestellt hatte? Wahrscheinlich nicht. Anstelle warmer Abschieds- und Dankesworte drückten lautstarker Unmut und Ärger vor allem aus dem Zuschauerraum dem Abend ihren Stempel auf. Die Schwelmer Politik hat sich in eine der größten Vertrauenskrisen der vergangenen Jahrzehnte manövriert; der scheidende CDU-Fraktionsvorsitzende ist selbst ein zentrales Element dieser Entwicklung. Werden die Vorgänge um den Vorstandsvorsitz der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel und das Stadtmarketing nun Fälle für die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden? Ist der Beschluss, sämtliche Kompetenz des Stadtmarketings aus der GmbH und Co. KG in die Stadtverwaltung zu überführen gesellschaftsrechtlich überhaupt zulässig?

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In einer turbulenten Sitzung war der Zuschauerraum des Schwelmer Ratssaales voll wie selten zuvor, wenn die Lokalpolitiker zusammenkommen. Mittendrin machten auch Ralf Stoffels, Hans Nölle, Udo Schmidt und Udo Stichling – um nur einige der privaten Gesellschafter des Stadtmarketings zu nennen – ihrem Unmut darüber Luft, dass der Gesellschaft, die sie einst gründeten, um Schwelm mit privatem Engagement zu fördern, jede Entscheidungskompetenz genommen wird. Das beeindruckte die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, Linken und BIZ jedoch nicht. Zwar vertagten sie die Entscheidung darüber, welche Stellenanteile in der Stadtmarketing GmbH verbleiben sollen, votierten jedoch geschlossen dafür, „die Aufgaben der Wirtschaftsförderung, des strategischen Stadtmarketings, des Tourismus, der Events und Kulturveranstaltungen unter Einbeziehung des Hauses Martfeld als Ausstellungs- und Veranstaltungsort zusammenzufassen.“ Unter der Federführung der neuen Wirtschaftsförderung sollen 1,5 weitere Stellen sich unter dem Dach der Verwaltung darum kümmern.

Keine Kompetenz mehr in GmbH

Heißt unter dem Strich: Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der Stadtmarketing GmbH blicken nur noch auf ein ausführendes Organ. Sämtliche Entscheidungskompetenz geht in die Verwaltung über. Über die wacht die Lokalpolitik mit dem Stadtrat. So haben sich die oben genannten Fraktionen ohne Rücksprache mit den privaten Gesellschaftern die komplette Macht über das Stadtmarketing zugeschanzt, was auch im Nachgang für mächtig Ärger sorgt. Aus gut informierten Kreisen weiß die Redaktion, dass der Aufsichtsrat prüft, ob der Stadtrat rechtswidrig gehandelt hat. Die Frage, die sich den privaten Gesellschaftern stellt: Weisen die Politiker mit ihrem Votum die Stadt Schwelm als Gesellschafterin des Stadtmarketings dazu an, gegen ihre Treuepflichten zu handeln? Sollte dies so sein, dürfte Bürgermeister Stephan Langhard den Ratsbeschluss nicht umsetzen.

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Nach fast 15 Jahren als CDU-Fraktionsvorsitzender verlässt Oliver Flüshöh die politische Bühne Schwelms ohne großen Abschied.
Nach fast 15 Jahren als CDU-Fraktionsvorsitzender verlässt Oliver Flüshöh die politische Bühne Schwelms ohne großen Abschied. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Protest regt sich im politischen Raum aus der FDP: „Die Kommunalaufsicht muss die Entscheidung zum Stadtmarketing überprüfen. Es kann nicht sein, dass der Gesellschafter Stadt seiner eigenen Gesellschaft so die wirtschaftliche Grundlage nimmt“, schreibt Fraktionsvorsitzender Michael Schwunk in einer Pressemitteilung. „Es stimmt uns wütend und traurig, wenn dem privatwirtschaftlichen Engagement so geschadet werden wird, wenn Bürgerinnen und Bürger noch nicht einmal einen Dank erhalten. Bei ihrem rücksichtslosen Vorgehen haben die Flüshöh-Fraktionen (CDU, SPD, Grüne) nicht nur jede Bodenhaftung verloren, sondern setzen sich auch insoweit über alle rechtlichen Bedenken hinweg“, heißt es weiter in der Mitteilung, die sich auch mit den anderen Themen beschäftigt, die aktuell dafür sorgen, dass in der Bürgerschaft eine enorme Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungen in der Stadt Schwelm herrscht.

Besetzung der Wirtschaftsförderung

Verständnis fehlt vor allem dafür, dass die Antragssteller diesen tiefen Einschnitt erst einen Tag vor der Sitzung veröffentlich haben und sich nicht mit den privaten Gesellschaftern ausgetauscht haben. Der designierte CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Müller und SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Kirschner argumentieren damit, dass die Zeit gedrängt habe, weil ein FDP-Antrag zum selben Thema vorgelegen habe und der Stellenplan beschlossen werden musste. Das sorgt bei den Beobachtern der politischen Szene durchaus für Verwunderung, denn einerseits hätten die fünf Fraktionen den Liberalen-Antrag einfach ablehnen oder vertagen können, andererseits sind im Stellenplan Reserve und auch die unterjährige Schaffung neuer Stellen nichts Außergewöhnliches.

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Die FDP lenkt den Blick zudem auf die Personalie für die Leitungsstelle der nun gewachsenen Wirtschaftsförderung und des Stadtmarketings, wofür aktuell das Bewerbungsverfahren läuft – im übrigen ausgeschrieben, als die Ausweitung des Aufgabenportfolios des neuen Mannes oder der neuen Frau noch gar nicht bekannt war. „Politische Parteimitgliedschaft darf nicht weiter Auswahlkriterium sein“, schreibt die FDP. „Viel zu oft hat dies in der Vergangenheit in Schwelm bei der Besetzung von Fachbereichsleiterstellen oder Beigeordneten eine Rolle gespielt. Teilweise wurden, wie beim zweiten Beigeordneten, Stellen geschaffen, um politische Wünsche von Parteien und Fraktionen erfüllen zu können. Dies ist jetzt auch bei der Schaffung der neuen Organisationseinheit Wirtschaftsförderung/Stadtmarketing bei der Stadtverwaltung zu erwarten“, erhebt der Fraktionsvorsitzende schwere Vorwürfe gegen die Entscheidungsträger in der restlichen Politik.

Akteneinsicht beantragt

Die FDP habe daher Akteneinsicht in das Bewerbungsverfahren genommen, befürchtet, dass die Stelle nach Parteibuch besetzt werden könnte und sich so der direkte politische Einfluss auf das Stadtmarketing noch einmal erhöht. Ein für die Schwelmerinnen und Schwelmer ganz sensibles Feld, nicht zuletzt durch die Neubesetzung des Sparkassenvorstandsvorsitzenden durch Oliver Flüshöh. Ohne sich einem Bewerbungsverfahren stellen zu müssen und ohne die notwendige Qualifikation zu besitzen, hat der Verwaltungsrat der Sparkasse den CDU-Mann aus seinen eigenen Reihen ab dem 1. April zum Generalbevollmächtigten gemacht, in zwei Jahren soll er den extrem hoch dotierten Vorstandsvorsitz übernehmen. „Klüngel und Vetternwirtschaft in der Schwelmer Politik“, lauten die Vorwürfe der Schwelmer. Und auch diesen Ball nimmt die FDP auf.

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„Recht und Gesetz gelten auch in Schwelm. Bürgermeister Langhard kommt nicht im Ansatz seiner Aufsichtsfunktion nach“, schlagen die Liberalen deutliche Töne an, und wollen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einschalten. „Viele Kunden und Mitglieder haben der FDP ihre Empörung zum Ausdruck gebracht. Daher ist nunmehr unmittelbar schnelles Handeln geboten, um weiteren Schaden von der Sparkasse abzuwenden“, schreibt Michael Schwunk, der mit seiner Ratsfraktion den Verwaltungsrat der Sparkasse auffordert, „ein erneutes, faires, transparentes und rechtskonformes Auswahlverfahren durchzuführen.“

Ob es dazu kommt, und ob dann auch Oliver Flüshöh unter den Bewerbern wäre, das ist alles Spekulation. So verlässt die prägendste politische Person der Schwelmer Politik der vergangenen 20 Jahre – seit 2004 war Oliver Flüshöh CDU-Ratsmitglied, seit 2008 Fraktionsvorsitzender – die politische Bühne nahezu geräuschlos, um in einem Monat seine Stelle als Generalbevollmächtigter der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel anzutreten.

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