Gevelsberg. In Gevelsberg leben viele Menschen, die um Angehörige in den Erdbeben-Gebieten zittern. Nun gibt es eine spontane Spendenaktion für die Opfer.

Schwere Erdbeben in der Türkei und in Syrien haben für Zerstörung in erschreckendem Ausmaß gesorgt. Zum Zeitpunkt am Donnerstagmittag lag die Opferzahl bei mehr als 16.000 und sie steigt von Stunde zu Stunde. Mehr als 13 Millionen Menschen haben von heute auf morgen ihr Zuhause verloren. Als Kahan Selçuk die Nachricht vom Erdbeben erreicht, ist ihm sofort klar: „Hier muss man helfen“. Denn auch in Gevelsberg würden Menschen leben, die um ihre Angehörigen in den Katastrophengebieten bangen, berichtet er.

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Selçuk will helfen, so wie es einst seine Mutter 1999 nach dem Erdbeben von Gölcük machte. Sie hatte damals eine Spendenaktion auf die Beine gestellt, die vom Erfolg geprägt war. Nun ist die nächste Generation am Zug und der 35-jährige Luftfracht-Fuhrunternehmer trägt sein Anliegen bezüglich einer Spendensammlung kurzerhand bei der Stadtverwaltung vor und erhält dort auch direkt eine offizielle Genehmigung.

Kahan Selçuk (Mitte) hat binnen kürzester Zeit eine Spendenaktion für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien ins Leben gerufen.                                               
Kahan Selçuk (Mitte) hat binnen kürzester Zeit eine Spendenaktion für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien ins Leben gerufen.                                                © André Sicks

Was folgt, ist ein Aufruf in den sozialen Medien, und ab da sei der Stein ganz schnell ins Rollen gekommen, erzählt er sichtlich erfreut.

Eine Welle der Hilfsbereitschaft hat Gevelsberg erfasst. Viele Bürgerinnen und Bürger kommen zum Vendȏmer Platz um Winterkleidung, Schuhe, Windeln, Decken und Hygieneartikel abzugeben. Was davon bereits in Kartons verpackt ist, wird direkt in den Lkw verladen. Spenden die in Tüten übergeben werden, da kümmern sich die Verantwortlichen darum, diese in Kisten zu packen und zu beschriften. „Ich bin glücklich, wenn ich sehe, wie viele Menschen hierher kommen, um zu helfen“, sagt Kahan Selçuk und bedankt sich zugleich bei einer Lehrerin der Ferdinand-Hasenclever-Schule für deren Spende an Winterkleidung.

Alles, was in Tüten abgeliefert wurde, wird von den Verantwortlichen in Kisten gepackt.
Alles, was in Tüten abgeliefert wurde, wird von den Verantwortlichen in Kisten gepackt. © André Sicks

Auch die Gemeinschaftshauptschule ist vor Ort und übergibt einen Karton an Kleidung. Die beiden Schulsozialarbeiterinnen Tanja Scharloh und Anna Lena Frank sind gemeinsam mit der Schülerin Joana vor Ort. Ihre Großeltern, die Tante und der Onkel sowie Cousin und Cousine leben in Syrien, in der Nähe von Damaskus und Aleppo, und alle sind sie von der Katastrophe betroffen, erzählt die 14-jährige mit zittriger Stimme.

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Man sieht ihr an, wie nah es ihr geht, da ihre Augen befeuchtet sind. Das Ganze fühlt sich wie ein Alptraum an. An der Hauptschule gebe es einige betroffene Schülerinnen und Schüler, erklärt Tanja Scharloh und fügt hinzu, dass Joanas Familie seit 24 Stunden nichts mehr von den Verwandten gehört habe.

An der Seite von Kaufland in Gevelsberg hatte der Lkw von Kahan Selçuk geparkt, damit all jene, die etwas spenden wollten, direkt vorfahren konnten.                                        
An der Seite von Kaufland in Gevelsberg hatte der Lkw von Kahan Selçuk geparkt, damit all jene, die etwas spenden wollten, direkt vorfahren konnten.                                         © André Sicks

Ein solches Schicksal geht auch Kahan Selçuk zu Herzen. Er verspricht, dass alles was „hier und heute“ verladen wird, am Ende auch an den richtigen Stellen ankomme. Zunächst gehen die Spenden allerdings noch zu einer anderen Sammelstelle, erzählt er, wo man sie noch einmal sortiert. „Denn priorisierte Waren, wie zum Beispiel Nahrungsmittel und Hygieneartikel werden von der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD mit dem Flugzeug verschickt.“

Alles andere wird dann per Lkw in die Krisenregionen transportiert. Dafür würde der Hilfskonvoi schätzungsweise 48 Stunden brauchen, sagt er abschließend und möchte es nicht versäumen, der Verwaltung, Bürgermeister Claus Jacobi und allen Bürgerinnen und Bürgern zu danken, dass man solch eine humanitäre Aktion in kürzester Zeit auf den Weg bringen konnte.