Gevelsberg. Hubert Kowitz stolpert in der Mittelstraße über einen abgebrochenen Markierungsnagel und verklagt die Stadt Gevelsberg.
Ein beschädigter Markierungsnagel wurde für Hubert Kowitz (81) zu einer gefährlichen Stolperfalle. Der Rentner stürzte in der City, prallt hart auf die Bodenplatten auf und verletzte sich. Trotzdem wird er dafür nicht entschädigt: Das Landgericht Hagen erkannte in dem Unfall kein Verschulden der Stadt Gevelsberg und wies die Schmerzensgeld-Klage des Seniors ab. (Az. 8 O 206/22).
Hubert Kowitz nimmt als Kläger vor Gericht kein Blatt vor den Mund. Der Gevelsberger arbeitete früher als Verkaufsfahrer und war es gewohnt, mit seinen Kunden zu schwätzen. Deshalb hatte er auch keine Probleme damit, den Richtern der 8. Zivilkammer äußerst redselig sein Erlebnis zu schildern, dass er bis heute, knapp elf Monate später, noch immer in schmerzhafter Erinnerung hat: "Ich bin voll dahingeklatscht", fasst er den unglücklichen Vorfall ganz unverblümt zusammen.
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Rückblende: 29. März vergangenen Jahres, ein Dienstag. Gegen 15.30 Uhr steht Rentner Kowitz vor dem Schuhgeschäft Deichmann in der Mittelstraße und unterhält sich mit einer Bekannten, die er dort getroffen hat. Beide wollen zu einem Stadtbummel aufbrechen. Der 81-Jährige macht nur einen kleinen Schritt zur Seite - schon strauchelt er und kippt bäuchlings nach vorn. Um nicht mit seinem ganzen Körpergewicht, womöglich auch mit seinem Kopf, auf die harten Bodenplatten aufzuschlagen, stützt er sich noch während des Fallens reflexartig mit beiden Händen ab.
Kammer spezialisiert auf Verfahren auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz
Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen hat eine Spezialzuständigkeit für Klagen aus Staatshaftung und Regressansprüche aufgrund von Amtspflichtverletzungen. Dazu zählen auch Verfahren auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen Städte und Kommunen.
Regelmäßig werden dort Fälle verhandelt, in denen Bürger die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beklagen, weil sie durch umgekippte städtische Bäume oder herabfallende Äste zu Schaden gekommen sind.
Auch Stolperfallen auf Gehwegen und Straßen oder nicht vom Schnee befreit öffentliche Wege sind Themen vor dieser Kammer.
Die Verletzungsfolgen: aufgeschürfte Handinnenflächen, aufgeschlitzte, stark blutende Finger und eine Verstauchung des rechten Handgelenks. Hubert Kowitz wurde ärztlich behandelt, verspürte 14 Tage lang Schmerzen, musste in dieser Zeit eine Manschette tragen. "Ich konnte alles nur noch mit links machen", berichtet der Rentner, "erst nach drei Wochen kam in meiner rechten Hand die Kraft zurück."
Doch warum ist der Senior so urplötzlich gestolpert? Grund war ein sogenannter "Markierungsnagel" auf den Bodenplatten. Diese abgerundeten, flachen Metallteller grenzen vor den Geschäften auf der Mittelstraße die Parkbuchten für Autos ab. Sie sind, so die Stadt, maximal 25 Millimeter hoch. In seinem Fall, so Kläger Kowitz, sei der Markierungsnagel jedoch scharfkantig abgebrochen gewesen, sodass er mit seiner rechten Schuhspitze, wie an einem Widerhaken, daran hängenblieb und stürzte. Deshalb forderte der 81-Jährige von der Stadt ein Schmerzensgeld, die Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt, aber mindestens 1000 Euro.
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Zum Beweis hatte Anwältin Melanie Lenk 14 Tage nach dem Vorfall die Gefahrenstelle fotografiert und dem Gericht ein Foto davon vorgelegt. Der beschädigte Markierungsnagel, das hatte Hubert Kowitz selbst mitbekommen, war einen Monat später ausgetauscht und durch einen neuen ersetzt worden. Dennoch bestritt die Stadt Gevelsberg, dass es zum Unfallzeitpunkt dort so aussah. Sie bot dafür ihren Straßenmeister als Zeugen an, der wöchentlich und turnusmäßig alles kontrolliere.
Zudem, so die Argumentation der verklagten Stadt, wohne der Senior nur 500 Meter weit entfernt, er kenne also die Örtlichkeit und es herrschte seinerzeit Tageslicht. "Mit anderen Worten: Der Kläger hätte besser aufpassen müssen", erläutert Gerichtssprecher Christian Potthast die Verteidigungslinie der Stadt. Die Kammer wies die Klage des Rentners ab. Die einschlägige Rechtsprechung zu "Verkehrssicherungspflichtverletzungen" ist eindeutig: Städte und Kommunen haften nur dann, wenn mögliche Gefahrenquellen völlig überraschend oder nicht klar erkennbar seien. "Kleinere Unebenheiten auf Gehwegen und Straßen hingegen sind normal", so der Gerichtssprecher, "man muss sie hinnehmen und auch damit rechnen."
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