Schwelm. Ein Mieter und die Schwelmer & Soziale streiten um Schimmel in einer Wohnung. Er hat die Wohnungsgenossenschaft mittlerweile angezeigt.

Es ist ein Fall, der mittlerweile weit über den gutachterlich bestätigten Schimmel in einer Wohnung an der Jesinghauser Straße in Schwelm hinausgeht. Seit 2018 setzen sich Mieter Nils Thielecke (28) und die Schwelmer & Soziale Wohnungsgenossenschaft vor Gericht darüber auseinander. Es ging um die Fragen, ob der Mieter Schäden ordnungsgemäß gemeldet hat, ob der Vermieter richtig darauf reagiert hat und vor allem ob eine Mietminderung gerechtfertigt war – und falls ja in welcher Höhe.

Mittlerweile gibt es ein Urteil des Amtsgerichts in Schwelm, ein Berufungsverfahren vor dem Hagener Landgericht und eine Anzeige Thieleckes wegen „mindestens fahrlässiger, evtl. gar vorsätzlicher Körperverletzung“ gegen die Verantwortlichen der Genossenschaft. Entsprechende Unterlagen liegen der Redaktion vor. Landgericht und Staatsanwaltschaft haben auf Nachfrage bestätigt, dass sie die jeweiligen Vorgänge behandeln.

Die Fronten scheinen dabei verhärtet. Nils Thielecke geht es ums Prinzip. Er möchte, dass sich jemand um den Schimmel in seiner Wohnung kümmert. Die Schwelmer & Soziale hätte gerne, dass er auszieht. Dafür würde sie einen Teil der Mietminderung akzeptieren und Geld für den Umzug zahlen. Das geht aus einem Gerichtsprotokoll hervor. Doch von Anfang an: Er habe seine Wohnung bei der Schwelmer & Soziale Wohnungsgenossenschaft Mitte 2016 offiziell übernommen, hatte Nils Thielecke erklärt, als die Redaktion 2019 das erste Mal über den Fall berichtete.

Räumung der Wohnung

Im Januar 2017 habe er Schimmel unter einem Fenster in seiner Wohnung bemerkt. Daraufhin habe er bei der Genossenschaft angerufen, wo ihm gesagt worden sei, dass sich eine Fachfirma mit ihm in Verbindung setze. Gemeldet habe sich niemand. In den folgenden Wochen habe er immer wieder bei der Genossenschaft angerufen, ohne Ergebnis.

Im April 2017 habe er seinem Vermieter schriftlich eine Frist zur Regulierung des Schimmelschadens gesetzt. „Dieses Schreiben will die Genossenschaft nicht bekommen haben“, sagte der heute 28-Jährige damals. Es sei weiterhin nichts passiert. Irgendwann kündigt Thielecke an, seine Miete zu reduzieren. Die Mietminderung habe mehrere Mahnungen der Genossenschaft nach sich gezogen, wie der Schwelmer erklärte. Auch zu einer Räumungsklage sei es gekommen. Die habe das Amtsgericht aber für unzulässig erklärt.

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Während des Verfahrens geht es um Schreiben, die nicht angekommen sein sollen. Auch geht es um ein Gutachten, das Thielecke in Auftrag gibt, dass die Genossenschaft aber nicht anerkannt haben soll. Knackpunkt: Für den Mieter ist der Schimmelbefall baulich bedingt. Er warf seinem Vermieter vor, den Schaden aussitzen zu wollen, um Kosten zu sparen. Berndt Erlenkötter, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft, erklärte: „Wir haben überhaupt kein Interesse daran, Schäden auszusitzen.“ Bevor Schäden beseitigt werden könnten, müssten erstmal die Ursachen bekannt sein, die bei feuchtigkeitsbedingten Schäden sowohl in der Bausubstanz als auch im Heiz- und Lüftungsverhalten der Bewohner begründet liegen könnten.

Mieter soll nachzahlen

23. März 2022: Das Amtsgericht Schwelm verkündet ein Urteil. Nils Thielecke soll mehrere tausend Euro an die Genossenschaft zahlen und seine 92 Quadratmeter große Erdgeschoss-Wohnung räumen. Er hatte die Miete zunächst um 50 Prozent reduziert. Das hatte auch mit einem Sturmschaden auf seiner Terrasse zu tun. Nachdem dieser behoben war, zahlte Thielecke 55 Prozent der monatlich vereinbarten Miete.

Das Amtsgericht hat in seiner Urteilsbegründung festgehalten, dass Thielecke die Miete für einen bestimmten Zeitraum um 20 Prozent hätte reduzieren dürfen. Es erkennt auch das Gutachten eines Sachverständigen an, der den Schimmelpilz-Befall auf „eine technisch mangelhaft erstellte Anschlussfuge“ an einem Fenster zurückführt. Die Rede ist von einem „bauseitig bedingten Wärmeschutzmangel“ und keinem falschen Lüft- und Heizverhalten. Es sei unvermeidlich, dass sich die Pilzsporen auch in anderen Räume der Wohnung ausbreiten.

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Es scheint aber noch einen anderen Schimmelherd zu geben. Das zumindest vermutet Nils Thielecke und auch das Amtsgericht deutet in seiner Urteilsbegründung darauf hin. Demnach gibt es in der Raumluft eine extrem hohe Sporenbelastung. Der geringe Befall am Fenster könne diese nicht verursacht haben. „Die Laborergebnisse liefern auch keinen Zusammenhang mit den am Fenster ,wachsenden’ Schimmelpilzarten und denen in der Raumluft festgestellten Schimmelpilzsporen“, heißt es weiter. Bei der Beurteilung der Mietminderung fällt für das Amtsgericht daher nur der Schimmel am Fenster ins Gewicht. Dieser sei aus Sicht des Gutachters auch nicht gesundheitsgefährdend. Für Nils Thielecke ist das unlogisch.

Weiteres Gutachten

Gegen das Urteil sind der Schwelmer und sein Anwalt in Berufung gegangen. Sie halten es aus mehreren Gründen für fehlerhaft. Entscheidender Punkt: Aus ihrer Sicht hat die Schwelmer & Soziale Wohnungsgenossenschaft keinen Anspruch auf eine Nachzahlung der Miete. Die Räumung wollen sie ebenfalls abweisen. Ein weiteres Gutachten soll feststellen, dass auch die anderen Räume der Wohnung erheblich kontaminiert sind. Jetzt liegt der Fall beim Landgericht Hagen.

„Ich will nur, dass der Schaden reguliert wird, dann bin ich auch bereit, wieder die volle Miete zu zahlen“, sagt der 28-jährige Mieter. Seit das erste Gutachten die Schimmelbelastung belegt habe, übernachte er in seinem früherem Kinderzimmer bei seiner Mutter. Wenn er mal zuhause übernachte, bekomme er Kopfschmerzen und schlafe schlechter. Die Genossenschaft erhält nach seinen Angaben weiterhin eine reduzierte Miete.

Das Landgericht möchte nun per Gutachten klären, ob die Schimmelpilz-Belastung gesundheitsgefährdend ist, ob sie auf eine Ursache zurückzuführen ist, die von der Wohnung ausgeht, und – falls ja – was die Ursache dafür ist.

Keine Dringlichkeit gesehen

Ein Vertreter der Schwelmer & Soziale erklärte laut einem Gerichtsprotokoll, dass die Genossenschaft den Schaden bisher nicht habe beheben lassen. Die Wohnung habe nur betreten werden können, wenn anerkannt werde, dass ein Baumangel Ursache für den Schimmel sei. Der Schimmel sei außerdem nicht gesundheitsgefährdend. Die Beseitigung sei leichter, wenn der Mieter raus sei. Eine Dringlichkeit habe die Genossenschaft nicht gesehen.

Im November zeigte Nils Thieleckes Anwalt die Verantwortlichen der Genossenschaft stellvertretend an, da der Schimmel äußerst gesundheitsschädigend sei. Zum Jahreswechsel sei die Schwelmer & Soziale auf ihn zugekommen, um den Mangel am Fenster zu beheben, erklärt der Schwelmer. Er habe den Schimmel aber am entsprechenden Termin nicht beseitigen lassen, da er sich mit Blick auf das nächste Gutachten zunächst mit seinem Anwalt besprechen wolle.