Ennepe-Ruhr-Kreis. Der Kreisbrandmeister des Ennepe-Ruhr-Kreises ist fassungslos. Die Übergriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht bezeichnet er als „asozial“

Reihenweise brennende Autos, eingeschlagene Bus-Fensterscheiben, ein 17-jähriger Junge stirbt, ein weiterer Mann verliert beide Unterarme und sogar zahlreiche kleine Kinder, unter anderem ein Zweijähriger, werden schwer verletzt. Silvester und der damit verbundene Jahreswechsel 2022/2023 waren für Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte im ganzen Land intensive Stunden mit unglaublich vielen Einsätzen. Am Ende macht sich nicht nur Erschöpfung breit, sondern auch massenweise Sprachlosigkeit.

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Sprachlosigkeit über das Verhalten vieler Menschen in der Silvesternacht gegenüber den Einsatzkräften. Diese ist auch beim Brandmeister des Ennepe-Ruhr-Kreises zu spüren. Rolf-Erich Rehm ist beim Blick auf die Szenen, die sich deutschlandweit und teils sogar in Nachbarstädten wir Hagen oder Bochum abgespielt haben, fassungslos. Auch wenn es im EN-Kreis überwiegend friedlich zuging, die Menschen gemeinsam ausgelassen und ohne größere Einsätze feierten, spielten sich in anderen Städten verheerende Szenen ab. In Berlin wurde beispielsweise ein Krankenwagen, während er mit einem Patienten an Bord und Blaulicht durch eine Straße düste, mit einem Feuerlöscher beworfen. Dieser landete auf der Windschutzscheibe. Das Fahrzeug konnte nicht mehr weiterfahren.

An Silvester zünden Unbekannte Autos und Busse an.
An Silvester zünden Unbekannte Autos und Busse an. © dpa | Paul Zinken

Andere Einsatzkräfte wurden mit Pyrotechnik regelrecht angegriffen, in mehreren Fällen musste die Polizei eingreifen und die Kollegen schützen. Mehrere Polizisten und Feuerwehrleute mussten aufgrund von Verletzungen sogar ins Krankenhausen. Rolf-Erich Rehm ist schockiert.

„Das ist wirklich asozial. Im tiefsten Sinne asozial“, sagt der Kreisbrandmeister auf Nachfrage unserer Redaktion und die Empörung sowie Unfassbarkeit ist regelrecht in seiner Stimme zu spüren. „Das kann einfach nicht sein. Wir können froh sein, dass wir in einem Land leben, wo es keinen Krieg gibt und dann versuchen Menschen hier kriegsähnliche Zustände auf den Straßen zu schaffen.“

In der Nacht zu Neujahr ist es auch in Leipzig zu Zusammenstößen zwischen Randalierern und der Polizei gekommen. Ein 17-Jähriger wird  beim Einsatz von Pyrotechnik so schwer verletzt, dass er später im Krankenhaus stirbt.
In der Nacht zu Neujahr ist es auch in Leipzig zu Zusammenstößen zwischen Randalierern und der Polizei gekommen. Ein 17-Jähriger wird beim Einsatz von Pyrotechnik so schwer verletzt, dass er später im Krankenhaus stirbt. © dpa | Sebastian Willnow

Der erfahrene Kreisbrandmeister ist fassungslos. Und das, obwohl er von einem höheren Maß an Einsätzen bereits ausgegangen war. „Ich habe damit gerechnet, dass es mehr Angriffe geben wird. Aber sogar Rettungskräfte anzugreifen, das ist völlig fremd in meinem Weltbild“, sagt Rehm.

Die Übergriffe auf Einsatzkräfte sind leider nicht während des nun vergangenen Jahreswechsels erstmals aufgetreten. „Es gibt immer wieder Übergriffe gegen Rettungskräfte“, berichtet der Kreisbrandmeister. Hier im Ennepe-Ruhr-Kreis gebe es diese zwar auch, jedoch seien sie glücklicherweise unter „selten“ einzustufen.

Dennoch sind solche Situationen mit dem unbegreiflichen Verhalten von Menschen auch schon im Kreisgebiet vorgekommen. Jüngst hatten Feuerwehr und Polizei bei einem Brand in Gevelsberg mit zahlreichen Gaffern zu kämpfen. Als im Oktober ein Betrieb an der Hagener Straße brannte, filmten sie, machten Fotos, behinderten den Einsatz. Anweisungen wurden einfach ignoriert. Von Respekt keine Spur. Einer der Gaffer zog sogar ein Messer, nachdem er angewiesen wurde, das Filmen zu unterlassen.

Mehr als 100 Einsätze

In der Silvesternacht gab es laut Rolf-Erich Rehm insgesamt mehr als 100 Einsätze im Kreisgebiet, davon 55 Feuerwehreinsätze, 44 Rettungseinsätze, zwei aufgrund des Unwetters und acht Krankentransporte. „Übergriffe hat es nach meinem Wissen aber nicht gegeben. Und da kann man stolz drauf sein, dass wir hier so feiern können.“

Auch in der Nachbarstadt Hagen kommt es beim Jahreswechsel zu Ausschreitungen.
Auch in der Nachbarstadt Hagen kommt es beim Jahreswechsel zu Ausschreitungen. © Alex Talash | Alex Talash

Aufgrund der zahlreichen Vorfälle beim Jahreswechsel wird nun vielerorts ein Böllerverbot gefordert. „Ich glaube, das würde aber trotzdem passieren“, vermutet der Kreisbrandmeister. Rehm sagt, die Ausschreitungen liegen in seinen Augen am Klientel und das würde sich auch nicht an das Verbot halten. Aus diesem Grund erklärt er auch: „Das war daher auch vor Corona so und wird auch nach Corona so sein.“ Dass nach der Pandemie-Zeit mehr gefeiert wurde, sei deutlich geworden, doch die Zahl der extremen Ausschreitungen sei auch vor Corona hoch gewesen – samt Übergriffen auf Einsatzkräfte.

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Bei einem letzten Blick auf das deutschlandweite Geschehen, die Ausschreitungen in Nachbarstädten wie Bochum oder Hagen, betont der Kreisbrandmeister: „Ich bin auf jeden Fall stolz auf unsere Bürgerinnen und Bürger hier im EN-Kreis.“