Schwelm. Bei „More Energy“ in Schwelm gibt es eine Kältekammer. Und die soll viel bewirken. Unsere Reporterin Sophie Beckmann wagt den Selbstversuch.

Minus 91 Grad Celsius. Das hört sich so gar nicht angenehm an. Eher klingt es danach, als würde der Mensch bei solchen Temperaturen innerhalb kürzester Zeit erfrieren. Doch die sogenannte Kältekammer soll eine ganz besondere Wirkung haben. Nico Spratte, Inhaber von More Energy, betreibt an allen drei Standorten seiner Sportstudios solch eine Kältekammer. In Schwelm gibt es die seit knapp zweieinhalb Jahren. Unsere Reporterin Sophie Beckmann wagt den Selbstversuch und testet die Kammer zehn Wochen lang. Jede Woche berichtet sie davon, ob die versprochenen positiven Veränderungen, die die Kunden nach nur wenigen Anwendungen spüren sollen, auch tatsächlich eintreten.

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Es ist Dienstagmorgen, kurz nach acht Uhr. Kurz vorm Verlassen der Wohnung werfe ich ein Blick auf die Wetter-App meines Handys. Fünf Grad. „Ganz schön kalt“, denke ich mir und entscheide mich für die Daunenweste in Länge eines Mantels. Definitiv die falsche Wahl. Schon der Weg zum Auto ist eine Qual, die Kälte ist einfach nicht mein Ding. Ich bin eine absolute Frostbeule. „Gut, dass es gleich auch noch in die kältere Kältekammer geht“, denke ich. Egal, gespannt und ein wenig aufgeregt mache ich mich auf den Weg zu Nico Spratte. Er ist der Inhaber vom Sportstudio „More Energy“.

Nico Spratte vor der Kältekammer in seinem Sportstudio in Schwelm.
Nico Spratte vor der Kältekammer in seinem Sportstudio in Schwelm. © WP | Sophie Beckmann

Mittlerweile hat „More Energy“ Sportstudios an drei Standorten. In Gevelsberg, Herdecke und Schwelm. Und an allen drei Standorten ist sowohl die Kältekammer als auch das EMS-Training möglich. Schwelm ist der jüngste Standort, während der Coronazeit – am 12. September 2020 – hat er das Studio in der Moltkestraße 4 eröffnet.

Aber zurück zum Geschehen. Um kurz vor neun Uhr betrete ich überpünktlich das Sportstudio. Nico Spratte verabschiedet gerade einen Kunden und kommt danach direkt zu mir. „In der Regel mache ich mit jedem Kunden beim ersten Termin eine ausführliche Anamnese“, erklärt er. Dort werden unter anderem Krankheiten oder Beschwerden besprochen, unter denen der Kunde leidet. Diese Details fließen in den individuellen Plan für jeden Kunden mit ein.

Das ist wichtig, weil Menschen aus unterschiedlichsten Gründen in die Kältekammer steigen. Viele leiden an Rheuma oder Arthrose. „Dass so viele Kunden deshalb kommen, hätte ich anfangs gar nicht gedacht“, gibt der ausgebildete Yoga-Lehrer und Personalcoach zu Protokoll. Doch das Anwendungsgebiet der Kältekammer sei breitgefächert. Unter anderem soll die dreiminütige Therapie gegen Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Neurodermitis helfen sowie gegen das Fibromyalgiesyndrom (FMS=Faser-Muskel-Schmerz), Chronische Schmerzen, Tinnitus, Migräne, Multiple Sklerose und vieles mehr. Auch bei Depressiven Erkrankungen, Stress und Burnout oder aber Asthma können Kunden oftmals Verbesserungen feststellen, berichtet auch Nico Spratte aus seiner Erfahrung. „Ich habe Rückmeldungen von Rheuma-Patienten bekommen, die nun weniger Medikamente nehmen müssen.“ Dennoch weist der Personalcoach daraufhin, dass er kein Heilungsversprechen geben kann und vor allem gar nicht darf. Denn die Kältekammern, die er betreibt, sind in einem Sportstudio und somit nicht medizinisch. Allerdings gibt es solche oder ähnliche auch in Kliniken, erklärt Spratte.

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Und wie funktioniert die Wohlfühl-Eiskammer nun? Vorm Betreten der etwa ein Quadratmeter großen Kabine, die von innen blau leuchtet und mit einer Glastür verschlossen wird, muss ich mich umziehen. Denn: Kunden stehen bei minus 85 Grad lediglich in Unterwäsche oder Bikini/Badehose in der Kammer. „Um Himmels Willen“, denk ich mir, während ich mich umziehe. Damit der Atem etwas wärmer bleibt, sowie Kopf, Ohren, Finger, Hände und Füße, gibt der Experte mir noch Mütze, Handschuhe und Schlappen. Die Maske habe ich selbst mitgebracht. Diese Ausrüstung erhält jeder Kunde. „Dann bist du auch schon soweit“, sagt Nico Spratte und lacht, als er meinen etwas skeptischen und eventuell auch etwas ängstlichen Blick auf die blaue Kabine sieht. „Eine Therapie dauert immer drei Minuten, innen drin ist an den Außenseiten der Tür jeweils ein Leuchtstrahl. Dieser ist zu Beginn blau und färbt sich mit dem Ablauf der drei Minuten nach und nach weiß. Wie eine Sanduhr“, erklärt der ausgebildete Yoga-Lehrer. Zudem empfiehlt er mir, mich ein wenig zu bewegen: „Am Besten auf der Stelle gehen und die Arme dabei mitnehmen.“ Und ganz wichtig: Flach und ruhig atmen. Durch die Nase. „Denn die Luft ist auch trotz Maske eben sehr, sehr kalt.“

Minus 91 Grad. Diese Temperatur muss Reporterin Sophie Beckmann drei Minuten lang aushalten.
Minus 91 Grad. Diese Temperatur muss Reporterin Sophie Beckmann drei Minuten lang aushalten. © WP | Sophie Beckmann

„Alles verstanden?“, fragt er. „Ja“, antworte ich. Nico Spratte hält mir die Tür auf. Mit einem Schritt stehe ich in der Kabine und beginne, auf der Stelle zu laufen. Im ersten Moment empfinde ich die Kälte als gar nicht so schlimm. Und das, obwohl minus 91 Grad Celsius herrschen. Doch dann schlägt die Kälte unerbitterlich zu. Ein Blick auf den Leuchtstrahl verrät mir: Ich habe noch nicht einmal die Hälfte geschafft. „Durchhalten“, denke ich, während ich merke, wie ich schneller auf der Stelle gehe, in der Hoffnung, weniger zu frieren. Pustekuchen. Mir wird immer kälter, vor allem meine Arme fühlen sich kurz vor Ende an wie Eiszapfen. „Nicht mehr lange“, rede ich mir ein und da erscheint Nico Spratte schon vor der Glastür. Er hebt beide Hände und zählt Finger für Finger die letzten zehn Sekunden runter, bevor er die Tür öffnet und mich wieder in die Wärme lässt. „Ich erkenne ein Grinsen – oder nicht?“, fragt er mich direkt. Beim Entfernen meiner Maske, zeige ich ihm, dass er richtig liegt.

„Eigentlich geht jeder nach der Kältetherapie mit einem Lächeln hier raus“, erklärt er. Sogar Menschen, die Schmerzen verspüren, merken bereits oftmals eine Besserung. Denn: „Der Körper schaltet bei so extrem kalten Temperaturen in einen Überlebensmodus“, erklärt Nico Spratte. Heißt, der Körper konzentriert sich lediglich darauf, wieder Wärme herzustellen. „Und der Mensch kann immer nur Kälte oder Schmerzen empfinden, beides geht nicht.“ Zudem sei die Kältetherapie meist von Vorteil für das Gefäßsystem, die Durchblutung und den Stoffwechsel. Letzteres wird so angekurbelt, dass der Körper nach der dreiminütigen Eis-Sitzung bis zu 1000 Kilokalorien verbrennt. Das führe, so Spratte, zu einer natürlichen Fettreduktion in den Fettdepots. Denn der Körper tut alles dafür, um nicht zu erfrieren. So die simple Erklärung.

So sieht die Kammer von außen aus. Rund einen Quadratmeter Platz hat der Kunde innendrin.
So sieht die Kammer von außen aus. Rund einen Quadratmeter Platz hat der Kunde innendrin. © WP | Sophie Beckmann

Zurück in meinen warmen Klamotten samt Weste spüre ich direkt, wie mich eine wohlige Wärmewelle überkommt. Außerdem bin ich wach und wirklich gut gelaunt, wie ich feststelle. Und ich muss sagen, es war zwar wirklich sehr kalt, doch Nico Spratte hat Recht behalten. Die minus 91 Grad Celsius sind eine ganz trockene Kälte und fühlen sich gar nicht einmal so unangenehm an wie die minus acht Grad, die noch vor einigen Wochen vielerorts draußen herrschten.

Abschließend weist mich der Sportlehrer noch daraufhin, dass viele Leistungssportler oder Profifußballer solche Kältekammern, Eiskabinen oder Eistonnen nutzen. Dadurch soll nach Training oder Wettkampf die Regeneration sowie weitere Leistung gesteigert und das Verletzungsrisiko gleichzeitig gesenkt werden. In einem Selbstversuch werde ich die Kältekammer nun zehn Wochen lang testen. In einer Serie werde ich wöchentlich von möglichen Erfolgen, Verbesserungen und allgemeinen Veränderungen meines Körpers berichten. Und ich bin besonders gespannt, denn als Leistungssportlerin ist Regeneration enorm wichtig. Aber ich kämpfe auch mit Schlafstörungen und Hautproblemen. Mal sehen, ob sich das ändern wird.