Ennepetal. In einer Feierstunde ist der Ennepetaler Friedenspreis verliehen worden – an alle Helfer, die sich der Flüchtlingsherausforderung gestellt haben.

„Noch nie lag der Anlass, um Preisträgerinnen oder Preisträger für einen Friedenspreis auszuwählen, so klar auf der Hand, wie in diesem Jahr.“ Das betonte der Vorsitzende des Kuratoriums Ennepetaler Friedenspreis, Wilhelm Wiggenhagen, anlässlich der diesjährigen Preisverleihung am Sonntag im Haus Ennepetal. Und so geht in diesem Jahr die Auszeichnung angesichts des Kriegs in der Ukraine an „alle Helferinnen und Helfer, die sich der Flüchtlingsherausforderung in der Stadt Ennepetal stellen und gestellt haben.“

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Wiggenhagen betonte, wie schwierig es gewesen sei, die richtigen Worte zu finde, „weil das friedensstiftende Engagement auch hier in Ennepetal nur im Kontext mit den Handlungen eines despotischen und irren Machthabers, eines verrückten Staatenlenkers, gesehen werden kann.“ Vor fast neun Monaten seien russische Truppen in die Ukraine „eingefallen“, so der Kuratoriumsvorsitzende. Die Folgen seien mehr als grausam gewesen und hätten zu einer Flucht- und Vertreibungswelle geführt, die unter anderem auch in die Bundesrepublik Deutschland und in zahlreichen Fällen zu uns nach Ennepetal geführt habe. Und wie schon in der Flüchtlingskrise 2015 – in deren Folge ebenfalls alle Helferinnen und Helfer aus der Stadt den Ennepetal Friedenspreis zugesprochen bekamen – hätten die Menschen verstanden, „dass wieder einmal keine klugen Worte, sondern nur Hilfe und Taten zählen.“ Sie hätten nicht lange gezögert oder gezaudert und keine staatliche Hilfe gefordert.

Keine Personifizierung

Wiggenhagen nannte als Beispiele für das große ehrenamtliche Engagement die Hilfsgütertransporte, die der TuS Ennepetal schon kurz nach Kriegsbeginn mit zahllosen Mitstreitern auf die Beine gestellt hatte, hob auch ohne Namensnennung den Einsatz einzelner Menschen und mancher Vereine hervor, die auf ihre Netzwerke zurückgegriffen hätten. Der ehemalige Bürgermeister verwies außerdem darauf, dass sich nach einem Aufruf der Stadtverwaltung mehr als 100 Personen gemeldet hätten, die ihre Hilfe bei allgemeinen Betreuungsleistungen wie Essensausgabe, Einkaufen, Behördengängen, Übersetzungen oder Sprachkursen angeboten hätten. 120 Bürgerinnen und Bürger hätten Wohnraum angeboten – zum Teil Zimmer in der eigenen Wohnung. Und das alles seien nur die registrierten Hilfeangebote.

Auszeichnung wird seit 1983 jährlich vergeben

Der Friedenspreis der Stadt Ennepetal wird seit 1983 jährlich verliehen – an Bürger, Vereine, Klassen, Gruppen oder Einzelpersonen, die sich um die „Erhaltung, Schaffung oder Förderung des Friedens und der nachbarschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen in der Stadt“ ehrenamtlich verdient gemacht haben.

Ein unabhängiges Kuratorium entscheidet über den/die Preisträger.

2021 wurde die Auszeichnung coronabedingt nicht vergeben.

Angesichts der vielfältigen Angebote und Aktionen habe sich das Kuratorium außerstande gesehen, eine einzelne Person oder einen einzelnen Verein herauszuheben. „Wir wollten aber auch nicht durch die Personifizierung eines einzelnen Preisträgers die Aktivitäten der vielen ungenannten Bürgerinnen und Bürger quasi ,herabwürdigen’“, erklärte der Kuratoriumsvorsitzende.

Wilhelm Wiggenhagen erinnerte auch daran, dass schon zu Beginn der 1990er Jahre zahllose Hilfstransporte von Ennepetal nach Charkiw organisiert worden seien. Die „Hilfe für Charkow“ (so der russische Name der Stadt) sei 1993 auch mit dem Friedenspreis ausgezeichnet worden.

Zum Abschluss seiner Rede betonte Wiggenhagen, dass wir nicht vor Krieg und Gewalt und der Angst vor kalten Wintern erstarren, sondern uns ein Beispiel an den ukrainischen Flüchtlingen nehmen sollten, „die mit ihrer Flucht nach Deutschland dokumentiert haben, dass sie sich hier bei uns bei aller Unterschiedlichkeit der Lebensweisen und Lebensart ein in die Zukunft gerichtetes und vor allem friedliches Leben mitten in Europa vorstellen können. Warum sollten wir selber dann nicht daran glauben?“

Zeichen gelebter Humanität

Zu Beginn der Feierstunde hatte Bürgermeisterin Imke Heymann die etwa 100 Gäste im voll besetzten Foyer des Hauses Ennepetal begrüßt, darunter neben Helfern und von ihnen betreuten Flüchtlingen auch Bundestagsabgeordneter Timo Schisanowski und Landtagsabgeordnete Ina Blumenthal sowie Vertreter der Ratsfraktionen. Heymann verwies auf die Dimension der Fluchtbewegung in Folge des Krieges, laut UN-Flüchtlingskommissariat seien bis Anfang Oktober 13,7 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. „Wie alle Städte in unserem Land ist und war auch Ennepetal durch die Flucht der Menschen aus der Ukraine vor große Herausforderungen gestellt, die die Flüchtlingskrise von 2015 noch einmal in den Schatten stellen“, so die Bürgermeisterin. „Mich beeindruckt, dass viele Menschen – auch in unserer Stadt – die Not sehen und mit anpacken. Zahllose Bürgerinnen und Bürger haben ihre Zeit, ihre Kraft und oft auch ihre eigenen materiellen Ressourcen eingesetzt, um zu helfen.“ Hilfe in der Not, die nicht an Gegenleistungen denkt, sei ein Zeichen gelebter Humanität. „Sie alle verdienen für Ihre Leistungen in der Krise unseren Respekt und unsere Anerkennung“, sagte Heymann an die ehrenamtlichen Helfer gerichtet. „Dafür erhalten Sie zurecht die höchste Auszeichnung, die in der Stadt Ennepetal vergeben wird.“

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Zum Abschluss der Feierstunde wandten sich die Ukrainerinnen Nina Arutionova und Alla Batasheva, die mit ihren Kindern in Ennepetal Zuflucht gefunden haben, mit herzlichen Dankesworten an die Helferinnen und Helfer – auf Deutsch.

Passender musikalischer Rahmen

Die Feierstunde zur Verleihung des Ennepetaler Friedenspreises wurde musikalisch und mit Textvorträgen umrahmt vom Chor und dem Blockflötenensemble der städtischen Musikschule unter Leitung von Susanne Filler.

Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde durch das Blockflötenensemble und den Chor der Städtischen Musikschule unter Leitung von Susanne Filler.
Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde durch das Blockflötenensemble und den Chor der Städtischen Musikschule unter Leitung von Susanne Filler. © WP | Hartmut Breyer

Mit der ukrainischen Nationalhymne und einem ukrainischen Friedensgebet, das als geistliche Hymne des Landes traditionell in Gottesdiensten und zu hohen feierlichen Anlässen zu hören ist, hatten Susanne Filler und ihre Akteurinnen passende Beiträge ausgewählt. Zudem gab es friedenssehnsüchtige Texte und Lieder unter anderem von Ingeborg Bachmann, Hans Dieter Hüsch. Kuratoriumsvorsitzender Wilhelm Wiggenhagen und Bürgermeisterin Imke Heymann dankten den Auftretenden herzlich.