Ennepetal. Lara, eine junge Mutter aus Ennepetal erzählt über die wohl schwerste Zeit ihres Lebens und wie sie aus dem Loch wieder heraus kam.
Nur noch ganz abwesend nahm sie ihre Umgebung wahr. Völlig teilnahmslos bewegte sie sich durch ihren Alltag, war sie durch ihr größtes Glück doch so voller Freude gewesen. In einem schleichenden Prozess entwickelte sich für die frischgewordene Mutter Lara (Name geändert) jedoch alles ganz anders. Nach der Geburt ihres ersten Kindes im Winter 2021 schien nach der wortwörtlich schwierigen Geburt eigentlich alles gut zu werden. Oder doch nicht? Zwei Monate später veränderte sich die Wahrnehmung der Ennepetalerin drastisch. „Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr ich selbst war. Ich habe mich gefühlt wie in einer Wolke“, beschreibt sie die Veränderungen ihrer Gefühlswelt aus dieser Zeit. „Ich konnte irgendwie gar nicht mehr richtig am Leben teilnehmen und hatte nur noch abgestumpfte Gefühle. Ich war gar nicht mehr fröhlich.“
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War Lara, die zu diesem Zeitpunkt noch mit ihrem Ehemann und dem kleinen Sohn in Bochum wohnte, zuvor so beflügelt und lebensfroh, machte sich zunehmend eine Gefühlsleere in ihr breit. Als dann auch noch Schlafstörungen einsetzten, die durch die nächtlichen Unterbrechungen zum Stillen des Kindes verstärkt wurden, nahm die negative Entwicklung ihren Lauf. „Ich hatte starke Ängste und Albträume, sogar Panikattacken und bin schlafgewandelt“, so die 29-Jährige. „Ich hatte immer Angst, dass dem Baby etwas im Schlaf passieren könnte und es zum Beispiel keine Luft bekommt.“
Ständige Alarmbereitschaft
In dieser ständigen „Alarmbereitschaft“, wie sie erklärt, gepaart mit dem Schlafmangel, häuften sich auch Sinnestäuschungen, die spätestens dann die Warnglocken ihres Mannes läuten ließen. Lara beschreibt eine ihrer Sinnestäuschungen, die im Fachjargon auch als Verkennungen bezeichnet werden: „Einmal habe ich nachts gedacht, es würde jemand Fremdes im Zimmer stehen, obwohl da überhaupt keiner war.“
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Einen Monat lang hielt Lara diesen Zustand aus. Dann entschied sie sich schließlich dazu, professionelle Unterstützung hinzuzuziehen. In diesem Zuge wurde ihrer ganzen Entwicklung nach der Geburt schließlich ein Name gegeben: Wochenbettdepression, auch postnatale oder postpartale Depression genannt. Diese Form der Depression hat nichts gemein mit dem sogenannten „Baby-Blues“, der im Anschluss nach der Geburt eintreten kann und nach kurzer Dauer überwunden ist. Frauen, die erstmalig ein Kind zur Welt bringen, nehmen von dem einen auf den anderen Moment eine ganz neue Rolle ein und tragen plötzlich Verantwortung für ein anderes Leben. Das Gefühl von Überforderung ist nicht unüblich. Rund 75 Prozent der Mütter leiden nach der Entbindung an einem solchen Stimmungstief. Auch Lara litt unter einem solchen Tief und kämpfte sich nach wenigen Tagen wieder heraus. Zwei Monate war alles gut. Doch dann warf die Wochenbettdepression seine Schatten auf ihr Mutterglück.
„Ich kam nicht mehr zurecht“
„Ich musste mit jemandem sprechen, weil ich einfach nicht mehr zurechtkam“, erinnert sich die junge Frau. „Ich hatte ein psychotherapeutisches Erstgespräch bei einem Therapeuten, bei dem ich meine Symptome beschrieben habe. Danach habe ich von einem Arzt erst einmal Medikamente zur Beruhigung bekommen, durch die ich auch endlich wieder schlafen konnte“, berichtet Lara. Jedoch stellte sich heraus, dass Medikamente und Schlaf keine ausreichende Lösung für den schweren Verlauf ihrer Wochenbettdepression waren. Insbesondere deshalb nicht, weil auch das Geburtstrauma aufgearbeitet werden musste. Lara begann zu recherchieren.
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Glücklicherweise konnte sie sich einen Platz bei einer Psychotherapeutin sichern, bei der sie bis heute einmal die Woche im Therapiezimmer Platz nimmt. Außerdem ist sie mit ihrer Familie zurück in die Heimat Ennepetal gezogen, wo sie mittels der räumlichen Nähe viel mehr Unterstützung durch Familie und Freunde erhält. Der Standortwechsel, die Behandlung mit Medikamenten und die regelmäßige Verhaltenstherapie haben ihr maßgeblich dabei geholfen, wieder sie selbst zu werden. „Ich habe gelernt, meine Gedanken positiv zu verändern, was mir beim Gesundwerden sehr geholfen hat“, erklärt Lara den Effekt der Verhaltenstherapie.
„Irgendwann bin ich wieder lockerer durchs Leben gelaufen, konnte wieder lachen und ruhig schlafen. Die Ängste ließen endlich nach“, reflektiert Lara, aber sie betont auch: „Der Weg ist lang. Man wacht nicht auf und fühlt sich auf einmal wieder gut. Nein, man braucht Durchhaltevermögen.“ Der erste Schritt zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe sei schwierig gewesen. Beharrlichkeit war die Devise, um den richtigen Ansprechpartner zu finden und nicht als rein „überforderte Mutter“ abgehandelt zu werden. „Oft werden Frauen abgestempelt. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie einfach sensibel seien und übertreiben würden. Aber jede Frau muss auf ihren eigenen Instinkt hören und beharrlich bleiben, wenn sie merkt, dass sie Hilfe braucht“, rät Lara den Müttern, die unter ähnlichen Anzeichen leiden, und stellt klar: „Hilfe zu holen bedeutet nicht, schwach oder keine gute Mutter zu sein, sondern ist der einzig richtige Schritt. Geht es der Mutter gut, kann sie auch voll und ganz für das Baby da sein.“
Das rät Lara den Betroffenen
1. Möglichst schnell Hilfe holen, wenn die Mutter merkt, dass sie sich nach der Entbindung geistig verändert und sich negative Gefühle oder eine Gefühlsleere verfestigen.
2. An Nachsorge-Hebamme wenden, oder einen Arzt auf die eigenen psychischen Veränderungen ansprechen.
3. Die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung kontaktieren, um eine psychotherapeutische Sprechstunde zu vereinbaren und eine Ersteinschätzung der Lage zu erhalten: Tel. 116 117.
4. Familien und Freundeskreisen von Betroffenen empfiehlt sie, Aufmerksamkeit zu schenken: Sich mit Alltagshilfen anzubieten und vor allem auch zuzuhören ohne zu verurteilen.
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