Schwelm/Hagen. Michael Lindermann ist gegen die Sparkasse Schwelm vor Gericht gezogen. Das sind die Gründe für seinen Rauswurf, um so viel Geld geht es.
Es war wohl der größte Knall in der heimischen Finanzwelt in der jüngeren Vergangenheit, als die Sparkasse Schwelm-Sprockhövel ihren langjährigen Vorstandsvorsitzenden Michael Lindermann am 14. Februar plötzlich vor die Tür setzte und zehn Tage später die fristlose Kündigung nach gescheiterten Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag folgen ließ. Lindermann reichte Klage ein, nun fand der erste Gütetermin vor der Kammer für Handelssachen am Hagener Landgericht statt. Dieser brachte zwar noch kein Ergebnis, aber dafür erstmals Einblicke in die Gründe für die plötzlich Trennung und die Summen, um die nun gefeilscht wird.
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Fast neun Jahre war Lindermann Sparkassenvorstand in Schwelm, die meiste Zeit Vorsitzender. Die Zahlen des Kreditinstituts entwickelten sich stets gut unter seiner Regie. Ende August 2021 trat die Fusion mit der Sparkasse Sprockhövel in Kraft, die er maßgeblich auf den Weg gebracht hatte. Um so überraschender für die meisten folgte seine Abberufung als Vorstand mit anschließender Kündigung. Über die Gründe hatten beide Seiten seinerzeit Stillschweigen vereinbart, nun kamen die ersten Details ans Licht.
Laptop, Autos, Geschäftsessen
Der Vormittag ist schon vorangeschritten, als auf der einen Seite Michael Lindermann neben seinem Anwalt und auf der anderen Seite Hans-Werner Kick als Vorsitzender des Verwaltungsrats sowie Oliver Flüshöh als Vorsitzender des Risikoausschusses der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel ebenfalls jeweils in anwaltlicher Begleitung Platz nehmen. Es geht – formaljuristisch – für Michael Lindermann um die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sowie der dadurch entstandenen Schäden für ihn – und damit auch um die Gründe, die die Sparkassen-Gremien zu dem drastischen Schritt des Rauswurfs bewogen haben.
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Da ist die Sache mit dem privaten Laptop. Er soll einen Mitarbeiter angewiesen haben, ihm diesen über Sparkassen-Kanäle zu besorgen. Dann ist da die Sache mit dem zweiten Dienstwagen, den er von Sprockhövel nach Schwelm gefahren hat, weil seine heutige Ehefrau und damalige Lebensgefährtin mit seinem Dienstwagen nach Düsseldorf fahren wollte. Und da ist die Sache mit dem Fisch, von dem er vier Portionen im Restaurant als Dienstessen abgerechnet hat, sich eine allerdings für sein privates Abendessen zubereiten ließ. Die Frage, die das Gericht zu klären hätte, wenn sich die Parteien nicht selbst einig werden: Haben sich diese Ereignisse so ereignet und wenn ja, sind dies Pflichtverletzungen, die eine außerordentliche, fristlose Kündigung nach sich ziehen dürfen?
Die Verfehlungen im Einzelnen
Dazu kommen drei Fälle, in denen der Sparkassen-Vorstands-Chef Kredite vergeben haben soll, die in ihrer Ausgestaltung nicht legal gewesen sein sollen. Er soll den Risikoausschuss versucht haben zu täuschen, um Kreditzusagen einzuhalten. In einem konkreten Fall dreht es sich um einen Kredit in zweistelliger Millionenhöhe, zu dessen Sicherheit Mietzahlungen gehörten. Anstatt der tatsächlichen Summen, die die Mieter überwiesen haben, soll Lindermann in die Unterlagen für den Ausschuss jedoch den marktüblichen Mietzins eingetragen haben. Der lag jedoch deutlich über den tatsächlichen Zahlungen. Hier muss geklärt werden, in wieweit die beiden anderen Vorstände, die ebenfalls unterschrieben haben, mit in der Verantwortung stehen. Bei den beiden weiteren Fällen, bei denen es zu nicht legalen Kreditvergaben gekommen sein soll, scheint es unstrittig zu sein, dass Michael Lindermann allein in der Verantwortung steht.
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Und dann führen der Verwaltungsrat und seine Anwälte noch eine weitere Sache auf, die in Schwelm schon vor Lindermanns Rauswurf hinter vorgehaltener Hand erzählt wurde: Sein dienstliches Verhalten gegenüber den Mitarbeitern soll extrem herrisch und aufbrausend gewesen sein. Juristisch ist dies allerdings eins schwieriges Feld. „Wir würden damit absolutes Neuland betreten und uns die Fragen stellen müssen: Wo sind die Grenzen, was ist legitim, was nicht?“, sagte der Vorsitzende Richter Dr. Robert Hofmann. Und selbst wenn dies nicht als juristisch einwandfreier Grund für eine fristlose Kündigung hält, kann doch davon ausgegangen werden, dass diese Schilderungen von Mitarbeitern ein Anlass waren, sich die Vorgänge in der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel einmal genauer anzuschauen.
Mit diesem Fakt im Hinterkopf scheint es fast ausgeschlossen, dass die Sparkassen-Verantwortlichen es noch einmal zulassen, dass Lindermann in den Dienst zurückkehrt, ebenso aber auch, dass der geschasste Vorstandsvorsitzende von sich aus noch einmal in die Chefetage zurück will.
11.614 Euro Ruhegeld pro Monat
So dürfte bei den nun folgenden mündlichen und schriftlichen Verhandlungen zwischen den Parteien vor allem im Zentrum stehen, wie viel Geld die Sparkasse Michael Lindermann noch zahlen möchte beziehungsweise muss. Das Abfindungsangebot vor der Kündigung beinhaltete folgende Werte: 200.000 Euro als Abfindung sowie seine Ruhegeldansprüche ab dem Renteneintrittsalter, die er erworben hätte, wenn er seinen Vertrag bis zum 30. Juni 2024 erfüllt hätte. Diese liegen bei 11.614 Euro pro Monat und entsprechen 45 Prozent seiner letzten monatlichen Bezüge in Höhe von 25.808 Euro pro Monat. Lindermann, der zuletzt inklusive aller Zulagen etwa 350.000 Euro im Jahr verdient hatte, lehnte dieses Angebot ab. Er fordert zusätzlich ein Übergangsgeld, das ihm in Höhe des Ruhegeldes bis zu seinem Renteneintritt gezahlt werden solle; in Summe etwa 1,3 Millionen. Doch das scheint bereits nach dem Gütetermin vom Tisch. Richter Hofmann regte an, beispielsweise das Ruhegeld zu reduzieren, und einen Teil davon bereits vor der Rente Lindermanns in Form des Übergangsgeldes auszuzahlen.
Keine Chance bei Bewerbungen
„Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass Herr Lindermann weiterhin arbeitsfähig ist und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht“, betonte Oliver Flüshöh im Gerichtssaal. Gleichwohl gestaltet sich die Suche nach einer neuen Stelle, die sich auch nur ansatzweise auf diesem Niveau bewegt, sehr schwierig. Nicht zuletzt die fristlose Kündigung schwebe über seinem Mandanten wie ein Damokles-Schwert betonte der Anwalt des ehemaligen Sparkassen-Chefs, Dr. Zimmermann. Er habe viele Anstrengungen vorgenommen, um einen neuen Job zu finden – unter anderen hatte Lindermann einen Headhunter engagiert, der ihn vermitteln sollte – doch stets hagelte es Absagen.
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Eine Klärung fanden die beiden Parteien bislang nicht. Bis zum 13. Oktober können sie nun mündlich miteinander verhandeln, die Ergebnisse und mögliche weitere Forderungen daraus bis zum 14. November in schriftliche Form gießen und an die 1. Handelskammer das Hagener Landgerichts übersenden. Dann wird sich zeigen, ob es noch eine Aussicht auf eine gütliche Einigung gibt oder das Gericht entscheiden wird.
So wurden aus vier Vorständen zwei
Weder der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel noch deren Kunden ist ein finanzieller Schaden entstanden.
Seit dem Rauswurf Michael Lindermanns ruht das Amt des Vorstandsvorsitzenden.
Die Geschäfte leiten der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Christoph Terkuhlen sowie Vorstandsmitglied Daniel Rasche, der vor der Fusion bereits als Team die Sparkasse in Sprockhövel leiteten.
Lindermanns langjähriger ehemaliger Stellvertreter Johannes Schulz wechselte bereits vor der Fusion zum 1. Juli 2021 zur Sparkasse Bensheim, wo er das Amt des Vorstandsvorsitzenden antrat.