Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Laut Polizei war es der größte Drogenfund in EN seit Jahren. Angeklagt waren Männer aus Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal. So endete der Prozess.
Es sind genau die Zutaten, aus denen ein Rauschgift-Krimi gestrickt sein könnte: Kiloweise Betäubungsmittel und Chemikalien, riesige Summen Bargeld, Waffen und Autos. Der Polizei sei „der größte Schlag gegen die Drogen-Kriminalität im Ennepe-Ruhr-Kreis seit Jahren“ gelungen, hieß es Anfang November mit lautem Paukenschlag. Vor dem Landgericht Hagen fand jetzt das juristische Nachspiel statt - allerdings wesentlich gedämpfter: „Das war von der Lautstärke her höchstens noch Triangel“, scherzt Strafverteidiger Marc N. Wandt (Wuppertal), „und ein kräftiger Schlag ins Gesicht von Polizei und Staatsanwaltschaft, die sich seinerzeit so hervorgetan hatten.“
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Seit Ende April hatte sich die 6. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Christian Potthast durch das riesige Paket von 160 Fallakten mit insgesamt mehr als 5000 Seiten durchgeackert. 13 Verhandlungstage um bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, teilweise mit Waffen, waren das richterliche Pflichtprogramm. Mehrere Kilo Rauschgift, ein Drogenlabor in Gevelsberg und ein Sondereinsatzkommando (SEK), das Wohnungen in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal stürmte, bildeten die Eckpfeiler zu der Annahme, dass hier bereits das große Ding gedreht worden war und durch den rechtzeitigen Zugriff der Polizei noch Größeres verhindert werden konnte. Nun steht durch Urteilsspruch fest: Hauptangeklagter Sead K. (35), in Wuppertaler Ermittlerkreisen bekannt als „Schwelmer Serbe“, wandert für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter.
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Seine Unterbringung in einer Erziehungsanstalt wurde angeordnet. Bei ihm waren, in Briefumschlägen versteckt, mehr 120.000 Euro sichergestellt gestellt worden. Auf die Rückgabe des Geldes, das aus Drogengeschäften stammen dürfte, hatte er während des laufenden Prozesses verzichtet. Julian Sch. (29) aus Ennepetal, der unter den arbeitsteilig aufgestellten „Rauschgift-Freunden“ die Funktion des Lagerhalters innehatte, muss für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Wegen Beihilfe erhielt der Gevelsberger Stephan K. (45), „der Chemiker“ im Quartett, eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Übrigens genauso viel wie Luca W. (24) aus Ennepetal, dessen Verfahren bereits während des laufenden Prozesses abgetrennt und vorab entschieden worden war.
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Staatsanwaltschaft geht in Revision
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft, die in die Revision gegangen ist, sind die Urteile der Strafkammer wesentlich zu milde ausgefallen sein: Staatsanwältin Sandra Ley hatte für den Hauptangeklagten stolze neun Jahre Gefängnis gefordert und für Julian Sch. siebeneinhalb Jahre Haft beantragt. Von diesen beiden Angeklagten sollten auch die Mercedes-Fahrzeuge (im ersten Fall eine C-Klasse) eingezogen werden. Dem kam das Gericht aber nicht nach. Die Kammer gelangte sogar zu der Auffassung, dass aus ihrer rechtlichen Sicht nicht noch nicht einmal eine „Bande“ gegründet worden war. Allenfalls bei entsprechender Kundennachfrage und einem entsprechenden „Geschäftserfolg“ hätte es noch soweit kommen können.
Zeitgleicher Zugriff durch das SEK
Auf die Schliche der jetzt verurteilten Angeklagten waren Ermittler aus Wuppertal gekommen.
Die Beamten dort hatten eine größere Rauschgift-Bande hochgenommen und waren dabei auf den Schwelmer, den Gevelsberger und die beiden Ennepetaler gestoßen.
Sie wurden observiert, bevor in den Nachmittagsstunden des 5. November nahezu zeitgleich der Zugriff in drei Städten erfolgte.
Neben dem SEK waren seinerzeit zahlreiche weitere Beamte, auch von der Bereitschaftspolizei, im Einsatz. Auch Rauschgiftspürhunde und ein Banknotenspürhand schnüffelten vor Ort.
Auch die in der Anklageschrift benannte Waffe, eine Kleiderstange, hätte sich dermaßen versteckt im vollgestopften Kofferraum von Sead K. befunden, dass ein direkter Zugriff auf das Schlagwerkzeug nicht gegeben war und deshalb „bewaffnetes Handeltreiben“ ausscheide. Insofern war die gesetzliche Mindeststrafe von fünf Jahren, die die Staatsanwältin sehr wohl als gegeben ansah, für die Richter am Ende ebenfalls kein Thema mehr. Vielmehr rechnete die Kammer den Angeklagten die frühen und umfassenden Geständnisse hoch an, auch wenn diese nicht immer im Sinne der Anklage ausgefallen waren. So konnte dennoch eine umfangreiche Beweisaufnahme erheblich abgekürzt werden. Auch die offensichtliche Reue und die Änderung der Lebensweisen der Angeklagten sammelten bei den Richtern Pluspunkte ein.
Verteidiger Wandt kann aus heutiger Sicht nicht nachvollziehen, warum die Polizei sich seinerzeit so groß gefeiert hat: „Hier sind im Vorfeld offenbar zu viele Vorschusslorbeeren verteilt worden, die in der Beweisaufnahme überhaupt keinen Niederschlag mehr fanden.“