Gevelsberg. Achtung: Bei Arbeiten auf der Dieckerhoff-Brache sind möglicherweise Giftstoffe freigesetzt worden. Vorsicht bei Lebensmitteln aus dem Garten.

Sofortiger Baustopp für den Abriss der Dieckerhoff-Brache! Nachdem eine dichte schwarze Staubwolke von dem Gelände an der Oststraße durch die Stadt Gevelsberg waberte, zog die Stadtverwaltung die Reißleine. Ob eine Gesundheitsgefahr bestand und besteht, untersucht nun das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV). Zudem sollten Anwohner – so die Empfehlung der Stadt Gevelsberg – Obst, Gemüse und Eier aus dem eigenen Garten vorerst nicht verzehren, bis gesicherte Ergebnisse vorliegen.

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Investor Stephan Höckmann lässt den ehemaligen Gießereibetrieb, der dort 120 Jahre bis zur Insolvenz im Jahr 2020 produzierte, abreißen, um auf den 32.000 Quadratmetern Fläche eine Behindertenwerkstatt und sozialen Wohnungsbau zu realisieren. „Wir haben eine professionelle Abriss-Firma aus den Niederlanden engagiert und im Vorfeld der Arbeiten ein Gutachten erstellen lassen“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Gutachter hätten Gebäude und Grundstück auch mit dem festen Blick auf Kontamination vorgenommen, um die Abrissarbeiten entsprechend anzupassen.

Anwohnerhinweise

Dennoch ist es laut Anwohnerhinweisen wiederholt zu Staub- und Rußfreisetzungen in erheblichen Mengen gekommen. Höhepunkt: Nachdem die große, schwarze Staubwolke zu Beginn der Woche von der Firma Dieckerhoff in Richtung Drehbank gezogen war, hat der Ennepe-Ruhr-Kreis als zuständige Umweltbehörde das LANUV beauftragt, den Staub, der sich im Umfeld abgesetzt hat, auf Schadstoffe zu untersuchen. Bereits zuvor hatte die Bauaufsicht der Stadt Gevelsberg die Baustelle umgehend stillgelegt und die Kreisverwaltung informiert. Einen konkreten Hinweis darauf, ob sich giftige Stoffe in dem Staub und dem Ruß befinden, gibt es aktuell nicht. Bürgermeister Claus Jacobi: „Wichtig ist, dass hier keine toxischen Inhalte in einer grenzwertüberschreitenden Menge freigesetzt worden sind.“

Klar sei aber auch, betont das Stadtoberhaupt, dass in dem Gießereibetrieb über die vielen Jahrzehnte mit zahlreichen unterschiedlichen Stoffen gearbeitet worden sei, die potenziell gesundheitsgefährdend seien. Dementsprechend untersucht das LANUV den Niederschlag auch nicht auf eine spezielle Substanz, sondern auf eine ganze Bandbreite von Stoffen. Im einzelnen sind dies Schwermetalle, Dioxine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die als krebserregend gelten. Bis das Labor die Ergebnisse herausgearbeitet hat, diese analysiert sind und die Behörden entsprechende Maßnahmen daraus ableiten, wird es wohl Anfang bis Mitte der kommenden Woche sein.

Die betroffenen Straßen

„Bis dahin haben wir uns in Absprache mit dem LANUV zu einigen Empfehlungen an die Menschen im betroffenen Gebiet entschieden“, teilt Bürgermeister Claus Jacobi mit. Dieses Gebiet umfasst nach Analyse der Winddaten des deutschen Wetterdienstes folgende Straßen, die überwiegend westlich der ehemaligen Dieckerhoff-Fläche liegen: Oststraße, Gasstraße, Hundeicker Straße, Zur Mühlen, Martin-Luther-Straße; Hagener Straße zwischen Gasstraße und Am Haufer Bahnhof sowie die Drehbank bis Talbahn-Brücke.

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Dort empfiehlt die Stadt Gevelsberg den Anwohnerinnen und Anwohnern, vorsichtshalber Obst, Gemüse und Eier aus betroffenen Gartenbereichen nach Möglichkeit nicht zu verzehren beziehungsweise sofern möglich vorher sehr gründlich zu reinigen. Dies gilt auch für bereits während der vergangenen fünf Wochen geerntetes und nun eingelagertes oder eingefrorenes Gemüse, weil dies der maximale Zeitraum ist, in dem von der potenziellen Freisetzung von Giftstoffen ausgegangen werden kann.

Anwohner mit Schreiben informiert

Sämtliche betroffene Anwohner hat die Stadtverwaltung mit einem Schreiben informiert, in dem sie den Fall erläutert und ebenso auf eine ungefährliche Reinigung der von Staub und Ruß belegten Flächen verweist: „Sofern Staub auch in Innenbereiche gelangt ist, können diese Bereiche mit haushaltsüblichen Mitteln feucht gereinigt werden. Dabei sollte aus Vorsichtsgründen mit Handschuhen und unter Verwendung einer FFP2-Maske gearbeitet werden. Entstehender Abfall kann über die Restmülltonne beziehungsweise die Kanalisation (Waschwasser) normal entsorgt werden.“

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Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Claus Jacobi sieht eine mögliche Ursache in einer behördlichen Neuerung. „Früher musste man für einen Abriss einen Bauantrag stellen, dort hätten wir als Verwaltung konkrete Maßnahmen zur Staubvermeidung einsetzen können. Mittlerweile muss der Bauherr den Abriss aber nur noch anzeigen, so dass die Verwaltung keinen Zugriff mehr hat.“ Für Investor Stephan Hörmann soll dies aber nicht als Ausrede gelten. „Wir haben eine holländische Spezialfirma mit dem Abriss beauftragt, die gemäß des Gutachtens und selbstverständlich auch mit der Präferenz, Staub zu vermeiden, die Arbeiten durchführen soll.“ Ob beispielsweise unzureichend gewässert worden ist oder wie es sonst zu den wiederholten Staubbildungen gekommen ist, wolle er mit den ausführenden Firma klären. Es scheine bislang so, als hätte der Fahrer des Abrissbaggers einen Doppel-T-Träger herausgerissen, auf dem sich Staub und Ruß befunden hätten.

Baustopp bleibt aufrecht erhalten

Auch der Investor hofft auf eine schnelle Aufklärung. „Es könnte sich auch um harmlosen Quarzsand handeln“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung und verspricht: „Uns ist an sauberer Arbeit gelegen, uns tun die Unannehmlichkeiten sehr Leid und für mögliche Kosten kommen wir auf.“

Verzehrempfehlungen und Baustopp bleiben mindestens so lange aufrecht erhalten, bis die Laborergebnisse vorliegen und das LANUV grünes Licht gibt. Der Plan von Stephan Hörmann ist, dass nach dem Abriss und dem Bauantrag etwa 20 Monate Bauzeit folgen. Im Jahr 2025 sollen dann die Behinderten-Werkstatt und das bezahlbare Wohnen komplett mit Leben gefüllt sein.

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