Ennepetal. Darum werden jetzt geschlechtsneutralen Toiletten am Reichenbach-Gymnasium gewünscht.
Im Reichenbach-Gymnasium soll es zukünftig geschlechtsneutrale Toiletten geben. Warum? Weil es dadurch den Jugendlichen einfacher gemacht werden soll, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, weil sie sich nicht ausgegrenzt fühlen sollen. Es ist ein Zeichen für Toleranz und sexueller Vielfalt, das an der Schule gesetzt werden soll. „Das sind gesellschaftliche Themen, die im Unterricht behandelt werden. Und auch der Bedarf ist da“, sagte Schulleiter Dr. Stefan Krüger im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch der Besuch von Tommy Toalingling hat eine Rolle gespielt.
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Der Autor des Buches „Mein erster Schwultag” und erfolgreicher YouTuber war Dank des Einsatzes des Fördervereins Gast in der Schule und las gleich zwei Mal aus seinem Buch vor, einmal für die älteren und einmal für die jüngeren Schülerinnen und Schüler und stellte sich anschließend den vielen Fragen. Als geschlechtsneutrale Toiletten thematisiert wurden, ging der stellvertretende Schulleiter Andreas Pesch zum Mikrofon und verkündete das Vorhaben, im Reichenbach-Gymnasium genau so eine Toilette einzurichten. Kaum stand die Aussage von Andreas Pesch im Saal, da gab es tosenden Beifall.
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Gegenüber dieser Zeitung wies Pesch noch auf die ausstehende Abstimmung mit den Eltern und der Stadt Ennepetal als Schulträger hin. Pesch machte deutlich, dass der Wunsch nach einer geschlechtsneutralen Toilette vorhanden sei.
Umbau notwendig
Auslöser seiner Mitteilung waren Fragen aus dem Publikum, denn „Tommy” - so wollte er auch angesprochen werden – hatte über die Sexualität gesagt: „Es gibt nicht nur Frau und Mann”, und ergänzte: „Wenn man nur schwarz und weiß sieht, dann sieht man nicht den Regenbogen.“ Regenbogen-Fähnchen schmückten die Bühne der Aula, und vor der Schule flatterte eine Regenbogen-Flagge im Sommerwind. Das Symbol der LGBTQ+ Bewegung steht für Lesben, Schwule, bisexuelle Menschen, Transgender und weitere Geschlechtsidentitäten. „Wir wollen damit zeigen, dass wir tolerant sind“, erklärt die stellvertretende Schulsprecherin Finja Kühndahl. Nicht nur zu bestimmten Anlässen, sondern die gesamte Schulzeit. Deshalb hängt auch vor dem Büro der SchülerInnen-Vertreterinnen und Vertreter diese knallbunte Fahne und ist mehr als ein Symbol.
Den Toilettentrakt geschlechtsneutral umzubauen, ist aber viel mehr als ein symbolischer Akt und es bleibt nicht dabei, die WC-Symbole für Frau und Mann abzumontieren. Bei jedem Pissoir müsse ein Sichtschutz eingerichtet werden, eine schließbare Tür sei bei Minderjährigen wichtig, erklärt Dr. Stefan Krüger.
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Man müsse sensibler mit dem Thema umgehen und die Bedürfnisse der Schülerschaft in den Blick nehmen. Der Schulleiter nennt das Beispiel Behinderten-WC, auch dieser Begriff sei diskriminierend, barrierefreie Toiletten wäre richtig. Und deshalb würde da reagiert und dieses WC für alle freigegeben. Der geschlechtsneutrale Toilettentrakt ist im Außenbereich der Schule vorgesehen.
Arbeit an einem Schutzkonzept
Die Schule ist das eine, aber gerade zuhause gibt es oftmals Schwierigkeiten, wenn Mann oder Frau anders ist. Eine wichte Frage, die die Schüler „Tommy“ stellten: „Wie erklärt man seine Sexualität den Eltern und Großeltern?“ Seine Antwort: Eltern könne man zum Beispiel mit Videos auf so ein Thema lenken, riet der Autor. Von den betroffenen Eltern wünscht er sich, dass sie ihre Kinder einfach in den Arm nehmen und sie stärken. Einen Ratgeber für Eltern zu schreiben, darüber denke er schon nach. Er selbst habe im Elternhaus als schwules Kind keine Hilfe bekommen. Im Gegenteil, er sei verhöhnt worden. Er habe schließlich den Kontakt mit seinem Elternhaus abgebrochen. Auch an seiner ersten Arbeitsstelle sei sein Schwulsein nicht akzeptiert worden.
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Tommy Toalingling, der heute mit einem Humangenetiker verheiratet ist, ist Chef eines 12 köpfigen Teams, das mit Videos die verschiedensten Sexualitäten erklärt und kein Tabu scheut. „Ich verstehe mich als Aufklärer“, gab er in der Veranstaltung zu verstehen. Dass dies nicht alle mögen, wurde auch von Bemerkungen aus dem jugendlichen Publikum deutlich. Widerspruch gehört auch zur Toleranz. So heißt es in der Schulcharta: „Wir bemühen uns um Toleranz, Hilfsbereitschaft und Verständnis!“ Der stellvertretende Schulleiter Pesch zu dieser Zeitung: „Unsere Schule legt ein Bekenntnis gegen Diskriminierung und gegen sexuelle Gewalt ab. Wir arbeiten an einem Schutzkonzept!“ Schulleitung und Förderverein wollten mit dieser Veranstaltung gemeinsam ein Zeichen setzen, das Eis brechen, so Schulleiter Dr. Stefan Krüger.