Gevelsberg/Bochum. TV-Promi Aurelio aus Gevelsberg sitzt im „Auto-Bumser“-Prozess auf der Anklagebank. Am zweiten Verhandlungstag folgt eine faustdicke Überraschung
Sie werde zum zweiten Prozesstag garantiert erscheinen, versprach sie. Denn zwei bis drei Stunden Verhandlungsdauer pro Tag könnte sie wohl durchhalten, trotz ihrer starken rheumatischen Schmerzen. Das etwa 15-minütige Telefonat, das die Richter am Montag mit der nicht erschienenen Angeklagten im Therapiezentrum Herne geführt hatten, ließ Hoffnung aufkommen. Hoffnung, dass der Verhandlungsbeginn, der durch ihr unerwartetes Ausbleiben platzen musste, am zweiten vorgesehenen Prozesstag noch problemlos nachgeholt werden könnte. Doch dann folgte eine Überraschung.
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Landgericht Bochum. Hier tagt die 2. Strafkammer, die für Wirtschaftsstrafsachen zuständig ist, heute ausnahmsweise in einem Gerichtssaal, der mit seinen Sicherheitsvorkehrungen eigentlich für Verfahren mit besonderer Gefährdungslage gedacht ist: Eine dicke, hördichte Scheibe trennt dort die Zuschauer von den von den Prozessbeteiligten, die artig in Mikrofone sprechen müssen, damit ihre Worte über Lautsprecher hinter die Glaswand übertragen werden.
Aurelio aus Gevelsberg will Herz der „Bachelorette“ erobern
Glasscheibe, Mikrofone, Publikum - da mag sich der Gevelsberger TV-Promi Aurelio (44) wieder mal wie in einem echten Studio fühlen. Doch statt Millionenpublikum sind hier nur zwei Zuschauer. Dies ist keine Reality-Show, sondern die raue Wirklichkeit. Es ist der zweite Tag im Strafprozess um Versicherungsbetrügereien und Urkundenfälschungen, in dem Aureliano Savina, wie er im bürgerlichen Leben und deshalb auch vor Gericht heißt, als sogenannter „Auto-Bumser“ angeklagt ist - zusammen mit zwei weiteren Männern und einer Frau.
Aurelio fliegt aus dem Dschungelcamp
Es sind jetzt schon 21 Minuten über der vorgesehenen Zeit und noch nichts ist passiert. Vorsitzender Richter Dr. Markus van den Hövel guckt grimmig. Die mitangeklagte Gevelsbergerin (32), die dem Gericht tags zuvor am Telefon noch vollmundig versprochen hatte, sie werde sich dem Verfahren stellen, ihren Klinikaufenthalt unterbrechen und im Gerichtssaal erscheinen, hat ihr Wort nicht gehalten. Sie fehlt. Ihrem Verteidiger gegenüber hatte sie morgens am Handy berichtet, dass sie der behandelnde Arzt für verhandlungsunfähig erklärt habe. Deshalb werde sie doch nicht zum Prozess kommen, so ihre telefonische Ankündigung, die der Verteidiger als Erklärung seiner Mandantin ans Gericht weitergibt. Die ohnehin angespannte, ja geradezu frostige Stimmung im Saal erreicht ihren Tiefpunkt.
Vorsitzender Richter gereizt
Das gebrochene Versprechen der Angeklagten und ihre jetzt termingerecht behauptete angebliche Verhandlungsunfähigkeit fasst die Kammer wohl nur als ein taktisches Manöver auf, um sich erfolgreich vor dem Prozess drücken zu können. Der Vorsitzende wirkt sichtlich gereizt: „Unterbrechung der Verhandlung bis 11 Uhr.“
In der Unterbrechungspause haben die Richter einen Vorführungsbefehl erlassen. Hintergrund: Auf telefonische Nachfrage des Gerichts hatte der behandelnde Klinikarzt seine Patienten sehr wohl für verhandlungsfähig erklärt und dabei den Verdacht geäußert, dass diese womöglich eine Simulantin sei. Daraufhin wurde umgehend angeordnet, Polizeibeamte ins Rheumazentrum zu schicken. Sie mussten die Patientin von dort abholen und ins Landgericht bringen. Um 11.07 Uhr wird die sichtlich geschockte Frau von zwei Justizwachtmeistern begleitet zur Anklagebank geführt.
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Mitangeklagte schwankt
Die Gevelsbergerin schwankt. Sie ist lässig gekleidet, hat ihr blondgefärbtes langes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und legt ihren Kopf demonstrativ auf die Tischplatte. „Weil sie sich vor Schmerzen nicht konzentrieren kann und selbst mich nicht versteht“, erklärt Verteidiger Philippos Botsaris, der direkt neben ihr sitzt und für seine Mandantin ein Glas Wasser erbittet, das die Wachtmeister ihr bringen mögen. Damit ist der resolute Vorsitzende ganz und gar nicht einverstanden: „Wir unterbrechen jetzt erneut für fünf Minuten und Sie können dann für ihre Mandantin in der Kantine eine Flasche Wasser kaufen.“
Als schließlich die Anklageschrift verlesen wird, werden genaue Einzelheiten über die Vorwürfe bekannt: Zwischen 2013 und 2017 sei eine Bande von insgesamt 22 Personen, in wechselnder Tatbeteiligung und in einer Vielzahl von fast 200 Fällen, damit beschäftigt gewesen, fingierte Verkehrsunfälle gegenüber den Versicherungen abzurechnen. Mittels gefälschter Gutachten und Scheinrechnungen über angebliche Reparaturen wurden entsprechend hohe Schadensregulierungen erreicht. In das gut organisierte Betrugs-Netz waren arbeitsteilig sowohl Autoreparaturwerkstätten, als auch Gutachter und Versicherungsvertreter, sowie Scheinhalter von Fahrzeugen und vorgeschobene Unfallbeteiligte eingebunden gewesen. Sogar Rechtsanwälte hätten sich in kreativer Zusammenarbeit mit der Bande die Finger schmutzig gemacht.
Vier Straftaten zur Last gelegt
Aurelio Savina werden aus dem Komplex insgesamt vier Straftaten, gewerbsmäßigen Betrug in einem Fall und gewerbsmäßige Urkundenfälschungen in drei Fällen, zur Last gelegt. So soll er am 10. November 2017 einen Eigenunfall inszeniert und mit seinem Mercedes AMG absichtlich links und rechts in Leitplanken gefahren sein. Bei der LVM-Versicherung in Münster hatte seine seinerzeitige Lebensgefährtin eine gefälschte Rechnung über 18.200 Euro eingereicht. Auf seinem Konto bei der Sparkasse gingen daraufhin drei Zahlungen über insgesamt 15.700 Euro ein. Und dann war da noch die Sache mit dem Hagelschaden am 22. Juni 2017, der auf Gutachterbasis mit 5626,97 Euro reguliert worden war.
Um den Schaden auch noch gewinnbringend auf Rechnungsbasis auszunutzen, sollen zusätzlich noch eine gefälschte Rechnung und eine gefälschte Quittung eingereicht worden sein. Dadurch überwies die Versicherung noch weitere 1.888,79 Euro.
Gefälschte Reparaturrechnung
Am 23. Mai 2017 kam es im Hammertal in Witten zu einem Unfall zwischen einem VW Golf und einem Jaguar, dessen Halter Aurelio Savina war. Die HUK-Versicherung regulierte jedoch nur 30 Prozent des von Aurelio geltend gemachten Schadens. Daraufhin hätte der Gevelsberger Promi seinen Anwalt eingeschaltet und über diesen eine gefälschte Reparaturrechnung in Höhe von 9933,06 Euro bei der Versicherung eingereicht, die dann noch den Differenzbetrag nachzahlte. Kommenden Montag wollen sich alle vier Angeklagten zu den Vorwürfen äußern.
Die Angeklagte aus Gevelsberg versprach, dann garantiert freiwillig im Gerichtssaal zu erscheinen. Falls nicht, so hat es ihr Richter Dr. van den Hövel bereits angedroht, werde ein Haftbefehl gegen sie erlassen. Dann würde sie von der Rheumaklinik direkt in das geschlossene Gefängnis-Krankenhaus verlegt.