Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Zum Schulstart sind mehrere Klassen im EN-Kreis ohne Klassenlehrer: Das sind die Gründe, das sind die Lösungen, das sind die Perspektiven.

Der Lehrermangel trifft den Ennepe-Ruhr-Kreis in diesem Sommer mit voller Wucht. Gleich sieben der 54 Grundschulen vermelden, dass es ihnen nicht möglich sein wird, dass ab Mittwoch jede Klasse eine eigene Klassenlehrerin beziehungsweise einen eigenen Klassenlehrer hat. Die Schulaufsicht des EN-Kreises bat deshalb sämtliche Grundschulleitungen zum Krisengespräch. Die müssen nun in ohnehin auf Kante genähten Personaldecken Rochaden vollführen, damit weiterhin jedes Grundschulkind feste Ansprechpartner hat. Die Gründe sind vielfältig, die Perspektiven alles andere als rosig.

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Noch vor den Sommerferien war alles in bester Ordnung. „Wir hatten in allen Schulen ausreichend Personal“, betonen die beiden Schulrätinnen des EN-Kreises, Maria Reusch und Angela Partner. Doch während der unterrichtsfreien Zeit schmolz die Personaldecke an vielen Schulen plötzlich dahin; vor allem während der vergangenen zwei bis drei Wochen. „Mehrere Lehrerinnen sind schwanger geworden, so dass das coronabedingte Berufsverbot greift. Außerdem haben sich einige Krankschreibungen zu Langzeiterkrankungen entwickelt“, sagt Maria Reusch. Am Ende brach sieben Grundschulen derart stark das Personal weg, dass nicht mehr jede Klasse eine Klassenlehrerin oder Klassenlehrer haben kann.

Neues Personal nicht vor November

Eine dieser Schulen ist die Grundschule am Ländchenweg in Schwelm. Mit 400 Kindern, die ab dieser Woche dort unterrichtet werden, ist sie die größte Grundschule im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis und war am Freitagvormittag Ort der Krisensitzung. „Dort haben wir die Situation erörtert und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht“, sagt Angela Partner. Diese müssen nun die Schulleitungen mit ihren Kollegien erarbeiten und dem Kreis so schnell wie möglich – Mittwoch ist schließlich Schulstart – präsentieren. Eins steht fest: Neues Personal kann es vor dem 1. November nicht geben, das ist der nächste Einstellungstermin.

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Heißt: Die Schulleitungen sind dazu gezwungen, mindestens bis zu diesem Datum mit den vorhandenen Mitteln hin- und herzuimprovisieren. „Die Schulleitungen sind angewiesen, die Lücken aus eigener Kraft zu füllen“, sagt Maria Reusch. Kolleginnen übernehmen zwei Klassen oder teilen sich jeweils eine zweite, auch Lehrkräfte, die nur zehn Stunden die Woche unterrichten, tragen nun Klassenverantwortung. Andernorts müssen die Sonderpädagogen nun diese Aufgaben mitübernehmen. „Wichtig ist – und da legen alle Schulleitungen größten Wert drauf – dass die i-Dötze nicht davon betroffen sind und allen feste Klassenlehrerinnen bekommen“, sagt Angela Partner.

„Wir gehen auf dem Zahnfleisch“

Diesen Spagat muss auch Carola Zimmermann, Leiterin der Grundschule am Ländchenweg, meistern. „Wir werden das schaffen, und ich kann alle Eltern beruhigen, dass wir uns um ihre Kinder hervorragend kümmern werden. Wir bewahren Ruhe und arbeiten an Lösungen, und auch die Eltern sollten Ruhe bewahren.“ Aber – und das macht sie auch ganz deutlich: „Wenn noch jemand ausfällt, sind wir nicht mehr weit von Unterrichtsausfällen entfernt. Wir gehen auf dem Zahnfleisch und ich glaube, das sieht in allen Grundschulen so aus.“

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Die Situation, die den Ennepe-Ruhr-Kreis erstmals in seiner Geschichte mit voller Wucht trifft, ist hingegen im Umkreis bekannt. In Dortmund oder Wuppertal müssen sich die Grundschulen seit mehreren Jahren exakt diesem Problem stellen. Die Perspektive sieht eher düster aus. Die von mehreren Landesregierungen versprochene Abhilfe bleibt nicht nur aus, die Zahl an verfügbaren Kräften reicht immer weniger. „Es sind einfach keine Lehrkräfte auf dem Markt zu bekommen“, betont Angela Partner. So sind mittlerweile selbst die Kräfte der Vertretungsreserve des Ennepe-Ruhr-Kreises an festen Schulen eingesetzt. Auch die beiden Schulrätinnen appellieren an die Eltern: „Wenn sie ihren ersten Schock überwunden haben, vertrauen sie darauf, dass alles dafür getan wird, dass die Kinder gut aufgehoben sind.“

Wie die derzeitige Entwicklung gestoppt oder gar umgekehrt werden kann, das weiß aktuell allerdings niemand, so dass am Mittwoch ein historischer Tag für den Ennepe-Ruhr-Kreis sein wird. Der Tag, an dem nicht mehr jedes Grundschulkind eine Klassenlehrerin oder einen Klassenlehrer hat.

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