Schwelm. Das Schwelmer Ordnungsamt kennt keine Gnade: Weil Jürgen Okrongli in eine Laugenbrezel beißt, muss er 128,50 Euro Geldbuße zahlen.
Jürgen Okrongli hat die teuerste Laugenstange seines Lebens gegessen -- auf dem Bürgerplatz in Schwelm. Wegen des Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung musste der Schwelmer 128,50 Euro bezahlen. Und das nur, weil er 25 Meter zu nah an der Verkaufsstelle sich des Genusses hingegeben hat.
Die Coronaschutzverordnung verbietet zwar nicht den Genuss von Speisen und Getränken in dem Bereich der Fußgängerzone, in dem eine Maskenpflicht herrscht. Aber sie schreibt vor, dass die Lebensmittel und Getränke erst verzehrt werden dürfen, wenn ein Abstand von 50 Metern zu dem Geschäft hergestellt worden ist, in dem sie gekauft wurden.
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Jürgen Okrongli ist ein friedliebender Mensch. Er sieht eher das Gute als das Schlechte in seinem Gegenüber. Deshalb hat er sich auch nichts dabei gedacht, als vor ihm, friedlich sitzend auf der Bank vor der Hirsch-Apotheke, am Montag, es war der 29. März gegen 12.14 Uhr, plötzlich die beiden Männer vom Ordnungsamt auftauchten. „Ich biss gerade in eine Laugenstange, die ich mir von der Bäckerei Kaiser geholt hatte. Da standen, wie aus dem Nichts, zwei Männer des Schwelmer Ordnungsamts vor mir und erklärten, dass ich nicht den 50-Meter-Abstand zum Verzehr der gerade bei Kaiser gekauften Laugenstange einhalten würde“, erzählt der selbstständige Psychotherapeut. Der Jüngere von beiden habe seine Personalien aufgenommen, der ältere Herr habe geschwiegen und die ganze Zeit keinen Ton gesagt. Es sei ihm noch erklärt worden, dass es von seinem Sitzplatz aus maximal 25 Meter bis zur Bäckerei wären. „Ich kannte die 50-Meter-Regelung nur vom Coffee to go, deshalb habe ich nicht geschaltet“, schüttelt Okrongli noch heute ungläubig den Kopf und wundert sich über seine damalige Naivität.
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Der Vorgang auf dem Bürgerplatz in Schwelm war für Jürgen Okrongli schon längst vergessen, als drei Wochen später ein Bußgeldbescheid der Stadt Schwelm in seinem Briefkasten landete: 128,50 Euro. „Ich war fassungslos. Ich liebe Schwelm seit 45 Jahren, bin nicht radikal, kein Querdenker und stehe hinter den gesetzlichen Bestimmungen. Aber den übertriebenen Arbeitseifer des jungen Herren vom Ordnungsamt, finde ich nicht angemessen. Es hätte sich gehört, mich darauf hinzuweisen, wie es die Polizei macht“, sagt der 71-jährige ertappte Corona-Sünder, der sich keines Vergehens bewusst war. Auf dem Bürgerplatz seien höchstens fünf Menschen unterwegs gewesen, das Abstand halten sei überhaupt kein Problem gewesen.
Anweisung hart durchzugreifen
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Jürgen Okrongli hat den Vorfall schriftlich Bürgermeister Stephan Langhard geschildert und den Kontakt mit dem Ordnungsamt gesucht. „Ich glaube, ich habe jetzt eine Laugenbrezelphobie“, sagt der Psychotherapeut nicht ganz ernst gemeint zu der Dame vom Amt. Warum habe er so viel Geld bezahlen müssen, warum reagiere das Ordnungsamt Schwelm so viel schärfer als die Polizei, habe er wissen wollen. „Sie hat mir gesagt: Das wird wahrscheinlich die teuerste Laugenbrezel ihres Lebens bleiben“, berichtet Okrongli. Das Ordnungsamt habe die direkte Anweisung vom Bürgermeister bekommen: kein Augenzwinkern mehr, keine Zugeständnisse, sondern hart durchgreifen. „Meine Frau hat am 3. Mai den Betrag von 128,50 Euro überwiesen.“
Der Sachverhalt sei korrekt, sagt Stephan Langhard, von dieser Zeitung um Stellungnahme zum Fall Okrongli gebeten. „Im Einzelfall mag man sagen: Ist das die Form von Augenmaß? Aber mit dem Blick aufs Ganze brauchen wir die konsequente Umsetzung der Regeln und dazu werden wir auch von Bund und Land regelmäßig angehalten, genau darauf zu achten“, sagt der Bürgermeister. Augenmaß ja, aber: „Wer eine Bäckerei verlässt und sofort anfängt zu essen – dann ist das ein klarer Verstoß gegen die Coronaregeln, den alle sehen.“