Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Kostenlos, 3 Euro Zuzahlung oder der volle Preis? Die neuen Regeln des Bundes stoßen auf wenig Begeisterung bei Apotheken und Testzentren in EN.

Lange bekannt und von der Bundesregierung längst angekündigt – trotzdem wirft das Konzept viele Fragen auf: Seit Donnerstag, 30. Juni, gelten für Corona-Schnelltests neue Vorgaben. Dazu zählt vor allem ein Kostenbeitrag von 3 Euro, der für die meisten Nutzer des Angebotes fällig wird. Bürger und Betreiber von Teststationen mussten allerdings bis Mittwoch, 29. Juni, auf die genauen Regeln warten, denn erst seitdem die Änderungsverordnung im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, herrscht Klarheit. „Durch diese Kurzfristigkeit“, so heißt es aus dem Schwelmer Kreishaus „kann es in den nächsten Tagen durchaus zu Problemen an den Corona-Teststellen im Ennepe-Ruhr-Kreis kommen. Schließlich müssen sich die Verantwortlichen quasi von jetzt auf gleich auf neue Regeln einstellen. Mehr zeitlicher Vorlauf wäre schöner und besser gewesen.“

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Anspruch auf kostenlose Schnelltests haben nach der neuen Verordnung unter anderem noch folgende Personen: Kinder, die das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Bürger, die in den letzten drei Monaten aus medizinischen Gründen nicht gegen das Coronavirus geimpft werden konnten, sowie diejenigen, die in Krankenhäusern, Tageskliniken, Pflegeheimen oder Dialyseeinrichtungen behandelt oder betreut werden beziehungsweise diese besuchen möchten. Kostenfrei ist es zudem, sich als pflegender Angehöriger, Mensch mit Behinderung oder Corona-Erkrankter testen zu lassen. Eine vollständige Auflistung derjenigen, die Ansprüche auf Tests zum Nulltarif haben, findet sich auf der Internetseite der Kreisverwaltung.

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Auf Klarheit und Kurzfristigkeit folgt bei den Betreiben von Teststationen ziemlich viel Frust. So auch bei Claudia Schneppel, der Inhaberin von gleich vier Apotheken in Ennepetal. „Wir stehen vor einer ziemlich großen Herausforderung. Die neue Gesetzgebung und alle Details wurden wieder erst in letzter Sekunde bekanntgemacht“, ärgert sich Schneppel. Zeit für eine entsprechende Vorbereitung blieb den Betreibern nur wenig. Zudem seien die Personengruppen, die Anspruch auf einen kostengünstigeren oder kostenlosen Test ziemlich undurchsichtig und mit einigen Ausnahmen verbunden.

Wer muss genau zahlen?

Auch für die 3-Euro-Zuzahlungs-Tests macht die Verordnung Vorgaben. Sie sind für diejenigen möglich, die eine Veranstaltung in einem Innenraum besuchen wollen, für diejenigen, die Kontakt zu über 60-Jährigen oder einer Person planen, die aufgrund einer Vorerkrankung zur Corona-Risikogruppe zählt, sowie für diejenigen, deren Corona-Warnapp „rot“ meldet.

Zur Frage, wie Bürger ihre Ansprüche nachweisen können, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium: „Wer eine kostenlose Testung in Anspruch nehmen möchte, muss sich gegenüber der testenden Stelle ausweisen und einen entsprechenden Nachweis erbringen. Beispiele: Bei Kleinkindern Geburtsurkunde oder Kinderreisepass.“ Kann das wirklich lückenlos geprüft werden? Die Antwort ist bei den befragten Betreibern eindeutig: Nein. „Wir lassen uns eine Erklärung unterschreiben, dass die Aussagen der Personen wahrheitsgemäß getroffen wurden. Stellen Sie sich mal den Verwaltungsaufwand vor, diese Aussagen noch detailliert zu überprüfen“, erzählt Gregory Staats im Gespräch mit der Redaktion. Der Prokurist von Staats & Niggemann Security betreibt mehrere Testzentren im Ennepe-Ruhr-Kreis, ist mittendrin im Geschehen und weiß, dass die neuen Regelungen vielen seiner Kollegen zu kompliziert seien und sie ihre Zentren deshalb schließen würden

Kurzfristige Preiskalkulationen

Das war es allerdings noch nicht mit den Regeln: Wer aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden kann, muss ein ärztliches Zeugnis im Original über die medizinische Kontraindikation vorlegen. Wer sich frei testen will, bringt das PCR-Testergebnis mit.“„Glaubhafte Versicherungen“ über den Testzweck sind nach Angaben des Ministeriums unter anderem bei Besuchen in Pflegeheimen oder Krankenhäusern sowie von pflegenden Angehörigen notwendig.

Auch für Bürgertests mit Eigenbeteiligung ist es notwendig, den Anspruch nachweisen zu können. Das geht beispielsweise mit der Eintrittskarte für eine Veranstaltung, dem Vorzeigen der Corona-Warn-App oder bei Kontakten mit Risikopatienten einer Selbstauskunft, die auf einem Formblatt oder im Rahmen eines digitalen Registrierungsvorgangs festgehalten wird.

Selbstzahler müssen in Zukunft ein paar Euro mehr für einen Bürgertest einplanen. „Die Testzentren legen den Preis selber fest. Wir müssen das ja schließlich auch irgendwie bezahlen“, sagt Claudia Schneppel. Der volle Preis für einen Schnelltest beträgt bei ihr künftig elf Euro und bei den Testzentren von Staats & Niggemann 9,80 Euro. Auch diese Summen mussten die Betreiber sehr kurzfristig kalkulieren.

Bis vor wenigen Tagen gab es auch für PCR-Tests einen geregelten Ablauf: Positiver Schnelltest zuhause, offizieller positiver Schnelltest und dann der Labortest. Jetzt kann der Kunde mit einem positiven Ergebnis von zuhause kommen und einen kostenfreien PCR-Test verlangen. Ob das sinnvoller ist? Claudia Schneppel bezweifelt es. „Man kann nicht nachprüfen, wie alt oder von wem der Test ist. Die Kosten müssen am Ende die Krankenversicherungen zahlen“, betont die Apotheken-Inhaberin.

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Seit Monaten ist klar, dass die kostenlosen Corona-Tests abgeschafft werden. Die Regelungen sind dennoch undurchsichtig. Gregory Staats findet dafür klare Worte: „Das wirkt ein bisschen wie eine Sturzgeburt. Als wäre einem einen Tag vorher aufgefallen, dass man für morgen noch die Hausaufgaben machen muss.“