Gevelsberg. Ein 39-Jähriger aus Gevelsberg soll den neuen Partner seiner Ex-Frau versucht haben, mit einem Messer zu töten. Jetzt ist das Urteil gefallen.

In der Verhandlung rund um die Messerattacke in einer Gevelsberger Flüchtlingsunterkunft hat das Hagener Schwurgericht am Mittwochnachmittag ein Urteil gesprochen. Der 39-jährige Türke, der den mittlerweile neuen Lebensgefährten seiner Ex-Partnerin versucht haben soll, mit einem Messer zu töten, muss für fünf Jahre ins Gefängnis. Eine Schuldunfähigkeit sah die Kammer nicht als gegeben.

Zur Erinnerung: Die Ex-Partnerin des Angeklagten aus Gevelsberg sollte aus Angst vor ihrem Verflossenen mit den beiden gemeinsamen Kindern bei dem Opfer in dessen Zimmer in der Unterkunft An der Drehbank übernachtet haben, wie es sich nach mehreren Zeugenaussagen im Zuge der vergangenen Wochen dargestellt hatte. Der Geschädigte, ein ebenfalls 39-jähriger Türke, soll nur überlebt haben, weil er den Angriff mit der 19 Zentimeter langen Messerklinge zumindest zum Teil noch abwehren konnte. Soweit die Darstellung in der Anklageschrift.

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Was das Gericht im Zuge des Prozesses unter anderem versucht hatte zu klären, war die Frage der Schuldfähigkeit. Es war die Rede davon, dass der Angeklagte psychisch krank ist. Wegen Erfahrungen mit Gewalt, die er laut einem Gutachten als Kurde in seiner früheren Heimat Türkei gemacht hat. Wegen Jahren, die er zudem aus politischen Gründen in einem türkischen Gefängnis verbracht haben soll. Und wegen einer HIV-Infektion, die er sich dort zugezogen und wegen der der Angeklagte Angst vor einem verkürzten Leben gehabt haben soll, außerdem davor, keine Familie mehr gründen zu können.

Gevelsberger äußert sich zu Vorwürfen

Im Laufe des Prozesses hatte der Beschuldigte sich – nachdem er zunächst zu den Vorwürfen geschwiegen hatte – doch noch zum Tathergang aus seiner Sicht geäußert. Dem Plädoyer von Staatsanwalt Jörn Kleimann ist zu entnehmen, dass der 39-Jährige zugegeben hatte, in die Gevelsberger Unterkunft gekommen zu sein, am Zimmer des Geschädigten geklopft und das Zimmer betreten zu haben.

Auch Verteidiger Christoph Wortmann nimmt Bezug auf die Einlassung seines Mandanten und spricht davon, dass nicht der Angeklagte das Messer mit in die Unterkunft gebracht habe, sondern dass der Geschädigte dieses im Zuge des Streits aus einem Schrank geholt habe. „Die Verletzungen mit dem Messer sind durch die Auseinandersetzung um das Messer passiert“, schlussfolgert der Gevelsberger Anwalt.

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Staatsanwalt Kleimann hält die Schilderungen des Angeklagten aber für Schutzbehauptungen. Den Haupttatvorwurf sieht er durch die Aussage des Geschädigten als auch durch das objektive Spurenbild für bestätigt. „Hinsichtlich der Motivation ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht Eifersucht, sondern die Sorge um das Wohl der beiden Kinder entscheidend gewesen“, erklärt Kleimann. Die teilgeständige Einlassung des Angeklagten sowie dessen Vergangenheit würden für den Angeklagten sprechen, seine Vorstrafen und die Ansicht der Staatsanwaltschaft, dass die Tat keine spontane Tat gewesen sei, gegen ihn. Jörn Kleimann plädierte für fünf Jahre und sechs Monate Haft und gegen die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt.

Verteidiger schildert Tathergang anders

„Dem Angeklagten wird versuchte Tötung vorgeworfen, aus Sicht der Verteidigung kann ihm das aber nicht vorgeworfen werden“, so Verteidiger Wortmann. Er hält den Geschädigten für unglaubwürdig, da dieser mehrfach ausgesagt habe, sich dabei aber zu Details immer wieder unterschiedlich geäußert habe.

„Warum klopft er bei einer Tötungsabsicht erst an und riskiert dann noch einen Faustkampf?“, fragt Christoph Wortmann. Der Geschädigte hätte den Arm des Angeklagten auch gar nicht mit der Kraft greifen können, um einen tieferen Einstich zu verhindern, wenn dieser in Tötungsabsicht zugestochen hätte, so der Verteidiger weiter. Sein abschließendes Fazit: „Es bleibt die Körperverletzung durch zwei Schläge ins Gesicht des Geschädigten.“ Der Angeklagte sei wegen einfacher Körperverletzung zu verurteilen, das Strafmaß liege im Ermessen des Gerichts.

Andere Tatteile von Strafverfolgung ausgeschlossen

Außer dem ursprünglichen Tatvorwurf des versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen hatte die Anklage dem 39-Jährigen noch Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung gegen seine Ex-Partnerin vorgeworfen.

Die Staatsanwaltschaft schlug dem Gericht aber vor, diese Vorwürfe von der Strafverfolgung auszuschließen. Das Gericht und auch die Vertreterin der Nebenklage stimmten dem zu.

Hintergrund ist, dass die Ex-Partnerin sich vor Gericht nicht äußern wollte und die Folgen der Taten für sie für die Kammer so nicht abschätzbar waren, wie die vorsitzende Richterin Hartmann-Garschagen erklärte.

Das Gericht verurteilt den Angeklagten schließlich wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren Haft. Er muss die Kosten des Verfahrens und auch die Auslagen der Nebenkläger tragen. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte das Messer mit in die Unterkunft gebracht und auch billigend in Kauf genommen habe, seinen Kontrahenten damit zu töten. Die Aussagen des Geschädigten hält sie für glaubhaft.

Kammer sieht kein Mordmerkmal gegeben

Eine Schuldunfähigkeit sieht das Gericht als nicht gegeben an. „Kognitive Einschränkungen, die in früheren Gutachten genannt wurden, konnte die Kammer nicht feststellen“, so die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen. „Die traten immer nur in Begutachtungssituationen auf, wenn es für den Angeklagten günstig war.“

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Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe habe die Kammer nicht feststellen können, weil die Angst des Angeklagten, seine Ex-Partnerin könne ihm die Kinder wegnehmen, für ihn die handlungstragende Motivation gewesen sei.