Gevelsberg/Hagen. Ein Gevelsberger muss sich wegen versuchten Mordes verantworten. Er soll mit einem Messer auf den Lebensgefährten seiner Frau eingestochen haben.

Es wurde, im wahrsten Sinn des Wortes, ein kurzer Prozess – zumindest am ersten Tag. Der Auftakt im Verfahren gegen den Gevelsberger Hilmi P. L. (39) dauerte gerade mal sieben Minuten. Dann vertagte sich das Schwurgericht Hagen bereits ins neue Jahr. Am 13. Januar soll weiterverhandelt werden. Immerhin lautet der gewichtige Vorwurf: versuchter Mord.

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9.39 Uhr, Saal 101 im Landgericht Hagen. Während es draußen vor Kälte klirrt, wird der Angeklagte von Justizwachtmeistern im kurzärmeligen T-Shirt in den Gerichtssaal geführt. Das dünne Flatterhemdchen passt so gar nicht in diese Jahreszeit. Auch dessen Farbe, ein knalliges Lila, irritiert an dem athletisch gebauten Mann mit den kräftigen Oberarmen, dem kantigen Schädel und dem seitlich abrasierten Haar.

Hilmi P. L. schaut zunächst, als würde er es geradezu genießen, in die Fernsehkamera von RTL. Dann dreht er sich zu den beiden Männern um, die rechts und links neben ihm sitzen. Es ist der Türkisch-Dolmetscher, den ihm die Kammer zu Seite gestellt hat, obwohl, so erklärte der Angeklagte in gutem Deutsch, er inzwischen einen deutschen Pass habe und auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitze. Der andere Mann, neben ihm und in Robe, den er eben erst kennengelernt hat, ist sein Pflichtverteidiger für den ersten Prozesstag: Sven Schwierzy, der für den ursprünglich mit dem Mandat beauftragten Anwalt eingesprungen ist, der kurzfristig ausfiel.

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Staatsanwalt Jörn Kleimann verliest die Vorwürfe: Versuchter Mord, tateinheitlich begangen mit gefährlicher und einfacher Körperverletzung, Bedrohung sowie Beleidigung. Am 5. Juli gegen 0.05 Uhr sei der Angeklagte an einer Adresse in der Straße „An der Drehbank“ in Gevelsberg aufgetaucht und in die unverschlossene Unterkunft eingedrungen, in der sich die von ihm seit längerem getrennt lebende Ehefrau zusammen mit den Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten Y. befand. Hilmi P.L. hätte der Frau einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und sie als „Schlampe“ bezeichnet. Mit einem weiteren Faustschlag soll er dem Nebenbuhler dann das Nasenbein gebrochen haben.

Währenddessen ist die Frau zu einem Nachbarn geflüchtet, um Hilfe zu holen. Staatsanwalt Kleimann: „Der Angeklagte griff in seinen mitgeführten Rucksack. Dort zog er ein Messer mit einer Klingenlänge von 19 Zentimetern heraus und fügte damit dem Geschädigten eine fünf Zentimeter kleine Schnittverletzung im Bereich des Bauchnabels zu. Dabei kündigte er an, dass er nun beide umbringen werde.“ Mit gezücktem Messer hätte Hilmi P. L. seine Noch-Ehefrau verfolgen wollen, doch der Lebensgefährte hinderte ihn daran und hielt ihn zunächst fest.

Kammer muss Schuldfähigkeit prüfen

Der Angeklagte und seine Noch-Ehefrau wohnten zuletzt in unterschiedlichen Wohnungenim selben Mehrfamilienhaus in Gevelsberg.

Die Scheidung ist eingereicht worden, weil er immer wieder gewalttätig wurde. Auch am Tattag soll sich die Frau zu ihrem Lebensgefährten begeben haben, um vor ihrem Mann in Sicherheit zu sein.

Das Schwurgericht hat bisher neun Verhandlungstage anberaumt. Der Angeklagte steht unter Betreuung und gilt als psychisch krank, weshalb in der Vergangenheit bereits bei zahlreichen weiteren Straftaten die Verfahren gegen ihn wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurden.

Die Kammer wird zu prüfen haben, ob das auch im vorliegen Fall infrage kommt.

„In Tötungsabsicht“, so der Staatsanwalt, soll der Angeklagte daraufhin seinem Nebenbuhler einen wuchtigen Stich in den linken Rückenbereich versetzt haben. Zu einer Verletzung der Niere sei es nur deswegen nicht gekommen, weil der körperlich überlegene Geschädigte Y. den Arm des Angeklagten ergreifen und einen tieferen Stich abwehren konnte: „Er ergriff den Unterarm, um das Messer aus der Wunde zu ziehen.“ Mit großem Kraftaufwand sei es dem Geschädigten schließlich gelungen, dem Angeklagten das Messer abzunehmen und ihn zu Boden zu stoßen. Daraufhin hätte Hilmi P. L. fluchtartig den Tatort verlassen. Staatsanwalt Kleimann: „Bei dem durchgeführten Stich kam es ihm darauf an, sein Gegenüber zu töten. Denn er akzeptierte keinen anderen Partner an der Seite seiner Noch-Ehefrau.“

Nach Verlesung der Anklageschrift erklärte Verteidiger Schwierzy, der Angeklagte werde keine Angaben machen. Dadurch war bereits nach sieben Minuten der ursprünglich geplante Ablauf des ersten Verhandlungstages hinfällig geworden und der Termin beendet. Die Kammer musste noch kurz vor Weihnachten mit dem Verfahren beginnen, weil Anfang Januar bereits die gesetzliche Frist abgelaufen wäre, die Untersuchungshaft (ohne Verhandlung) längstens andauern darf – nämlich sechs Monate. Zum nächsten Prozesstag am 13. Januar, 9.30 Uhr, will das Schwurgericht unbedingt den Geschädigten Y. vernehmen. Es eilt. Denn dem Gericht ist mitgeteilt worden, dass der Zeuge am 19. Januar aus der Bundesrepublik abgeschoben werden soll.