Ennepetal. Auch die Stadt Ennepetal ist vom Förderstopp für Effizienzhäuser betroffen. 2,1 Millionen Euro für das Technische Rathaus stehen auf der Kippe.

Es ist ein Problem, das in diesen Tagen vielen Hausbauern zu schaffen macht und nun auch die Stadt Ennepetal beschäftigt: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hatte im Januar die Förderung von Effizienzhäusern und -gebäuden mit sofortiger Wirkung gestoppt. Das betrifft auch die Planung für das Technische Rathaus samt Betriebshof, das auf dem Gelände der Firma Hesterberg an der Heilenbecker Straße entstehen soll. Der Rat hatte Anfang Dezember – in Erwartung einer staatlichen Förderung – beschlossen, dort nach nach dem Standard NH40 zu bauen.

Das Problem

Es steht zwar im Raum, dass es eine Förderung für den hohen Standard NH40 in diesem Jahr noch geben soll, der Fördertopf allerdings gedeckelt werde. Zudem ist unklar, ab wann die Förderung wieder beantragt werden kann. Da sich die Stadt und das beauftragte Ingenieur- und Architekturbüro S3 Sasse + Sasse aus Bremen bereits mitten in den Planungen für das Technische Rathaus befindet, musste sich die Politik nun noch einmal mit dem Thema befassen. Denn momentan kann die Stadt nicht sicher mit der einkalkulierten Förderung von etwa 2,1 Millionen Euro rechnen. Statt 18,1 Millionen Euro würde der Neubau 20,2 Millionen Euro kosten.

Die Optionen

In einer Sondersitzung diskutierte der Bauausschuss nun, ob man an dem beschlossenen hohen Energieeffizienzstandard auch ohne gesicherte Förderung festhalten solle. Wolfgang Schrey, Leiter des Amtes der Bürgermeisterin und des Rates, hatte den Fraktionen im Vorfeld die theoretisch möglichen Optionen vorgestellt.

+++Lesen Sie auch:+++

Sturm im Ennepe-Ruhr-Kreis: Die Gefahr ist noch nicht vorbei

Ennepetal: Kreuzkirche in Oberbauer wird entwidmet

Bauen nach den gesetzlichen Mindestanforderungen: Da diese Variante bisher überhaupt nicht zur Diskussion gestanden hatte, liegt dafür keine Kostenschätzung vor. Schrey machte deutlich, dass viele beschlossene Merkmale aus der Entwurfsplanung bereits deutlich über diesem Standard lägen (zum Beispiel Geothermie, Photovoltaik, Lüftungsanlage). Wolle man diese Merkmale streichen, müsse man die Planung in vielen Teilbereichen neu beginnen. Das würde neben einem Zeitverzug von einem halben Jahr erhebliche Kosten verursachen.

Bauen nach NH55-Standard: Die Baukosten hatte das Planungsbüro auf 19,8 Millionen Euro beziffert. Abzüglich der damals noch zu erwartenden Förderung in Höhe von 1,6 Millionen Euro hätte das Technische Rathaus 18,2 Millionen Euro gekostet. Allerdings ist nun nicht mehr mit einer Förderung von NH55-Gebäuden zu rechnen.

+++ Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal: Nichts mehr verpassen mit unserem kostenfreien Newsletter +++

Bauen nach NH40-Standard: Hier hatte das Büro Baukosten von 20,2 Millionen Euro ermittelt. Nach Abzug der erwarteten Förderung von 2,1 Millionen Euro müsste die Stadt 18,1 Millionen Euro investieren. Dieser deutlich höhere Standard wäre somit günstiger gewesen als der NH55-Standard. Die langfristigen Einsparungen durch geringeren Energieverbrauch (etwa 5000 bis 7000 Euro pro Jahr) waren dabei noch gar nicht eingerechnet.

Die entscheidenden Aspekte

Das Bauen nach Mindeststandard sollte nach Auffassung der Verwaltung als Option ausgeschlossen werden. In der Ausschusssitzung erläuterte das Büro „S3“ die Unterschiede zwischen den beiden in Frage kommenden Standards, die besonders im Bereich der Dämmung, Verglasung und Anlagentechnik zu finden sind. Die Mehrkosten bei NH40- gegenüber NH55-Bauweise lägen demnach bei 421.100 Euro. „Selbst bei nur 20 Prozent des ursprünglichen Fördergeldes würden die höheren Investitionskosten beim NH40-Standard gedeckt werden“, betonte „S3“-Mitinhaber Burkard Sasse. Derzeit erarbeitet das Büro die Genehmigungsplanung. Kämmerer Tim Strathmann machte deutlich, dass beim Wechsel in den NH55-Standard Teile der Entwurfsplanung und die Genehmigungsplanung neu zu erstellen seien. Dies würde zu einer mehrwöchigen Verzögerung führen und zusätzliche Kosten verursachen.

Der Zeitplan

Momentan nutzt die Firma F. Hesterberg & Söhne GmbH & Co. KG die Gebäude an der Heilenbecker Straße 50. Die Stadt geht nach wie vor davon aus, dass das Unternehmen zur Jahresmitte an einen neuen Standort umziehen wird.

Vorgesehen ist, dass der Abbruch der bestehenden Gebäude von Juli bis Oktober 2022 erfolgt. Von Oktober 2022 bis Ende 2024 sollen dann die neuen Gebäude errichtet werden.

Sollte der Bund ein neues Förderprogramm für NH40-Gebäude auflegen, wäre es kein Problem, dass das Büro „S3“ die Planungen weitertreibt. Ingenieurleistungen und der Abbruch seien hinsichtlich einer Förderung außen vor, erklärte der Leiter des Fachbereichs Bauen und Betriebshof, Thomas Pflug, auf Nachfrage von Gernot Klein (CDU). Erst ein Baubeginn vor Antragstellung bzw. Förderzusage könnte sich förderschädlich auswirken. Als Baubeginn gelte erst, wenn das erste Loch gegraben oder der erste Stein gelegt werde. Bis dahin werde man den Förderantrag aber sicher stellen.

Ohne eine Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, könne man aktuell nicht weiterarbeiten, erklärte Burkhard Sasse. Auf Nachfrage von Jörgen Steinbrink (SPD) sagte er, dass der Förderantrag für das Bauen nach NH40-Standard in etwa vier Wochen fertig sein könne. Damit sei man seiner Einschätzung nach wohl etwas schneller als die Politik mit einem neuen Förderprogramm. „Wenn wir jetzt damit weitermachen, haben wir gute Chancen, bei der Förderung zum Zuge zu kommen, weil wir noch sehr zeitig unterwegs sind“, betonte Bürgermeisterin Imke Heymann.

Diskussion und Entscheidung

„Wir werden bei dem Ratsbeschluss für die NH40-Bauweise bleiben“, erklärte Jörgen Steinbrink. „Wenn wir überhaupt noch Fördermittel haben wollen, geht es ja nur so.“ Zudem tue man etwas wirklich Gutes hinsichtlich des Energieverbrauchs. Es sei aber grundsätzlich sehr unschön, wie das gelaufen ist, sagte er in Richtung des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums. Kritisch merkte Steinbrink zudem an: „Wir haben bei der Planung mal mit 8 Millionen Euro angefangen, heute stehen da 20 Millionen Euro – und wir haben noch nicht einen Stein bewegt.“ Ulrich Röhder (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, dass man beim NH40-Haus bleiben müsse, weil dabei die CO2-Emissionen am Geringsten seien: „Wir sollten einfach keine Häuser mehr bauen, die unter Standard sind.“ Und Güzel Albayrak, Vorsitzender der Fraktion „Die Linke“, meinte: „Es wird immer teurer. Wir sollten jetzt anfangen zu bauen. Wir stehen auch in der Pflicht, dass die Mitarbeiter der Stadt endlich ein vernünftiges Gebäude bekommen.“

Der Bauausschuss beschloss schließlich gegen die Stimmen der FDP, unabhängig von einer ausstehenden Förderung bei der NH40-Planung zu bleiben. Die FDP hatte das Projekt aufgrund der hohen Kosten ohnehin abgelehnt.