Gevelsberg. Ein Mann aus Gevelsberg (39) soll versucht haben, den neuen Lebensgefährten seiner Exfrau mit einem Messer zu erstechen. Alles zur Tat.

Von versuchtem Totschlag war noch die Rede, als diese Redaktion Anfang Juli über die Messerattacke in der Flüchtlingsunterkunft an der Drehbank in Gevelsberg berichtet hat. Kurz vor Beginn des Gerichtsprozesses ist klar: Die Anklage lautet unter anderem auf versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen.

Im Mittelpunkt des Geschehens: Der bislang wohl mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretene 39-jährige Angeklagte, seine frühere Partnerin, die sich von ihm scheiden lassen will, und ihr neuer Lebensgefährte, der wohl nur deshalb noch lebt, weil er den Angriff mit einer 19 Zentimeter langen Messerklinge zumindest zum Teil noch abwehren konnte.

Lesen Sie auch: Sparkasse Gevelsberg: Das sagen Statiker nach Automaten-Sprengung

Im Prozess wird es auch darum gehen, zu klären, ob der Beschuldigte überhaupt schuldfähig ist. Er soll psychisch krank sein. Wie die Redaktion auf Nachfrage am Hagener Landgericht erfährt, wurde er bereits in anderen Verfahren für schuldunfähig erklärt.

Trennung und Frauenhaus

Den Hintergründe und den Tathergang schildert das Gericht wie folgt: Der heute 39-jährige, türkische Angeklagte soll seit Längerem von seiner circa ein Jahr jüngeren Ehefrau getrennt leben, die Scheidung soll beantragt sein. Bereits unmittelbar nach der Tat war zu erfahren, dass es sich bei beiden um anerkannte Asylbewerber handelt. Da der Gevelsberger ihr gegenüber auch gewalttätig geworden sein soll, soll die Frau eine Zeit lang in einem Frauenhaus gelebt haben. „Es hat vermehrt körperliche Auseinandersetzungen gegeben“, erklärt Gerichtssprecher Bernhard Kuchler. Nähere Angaben kann er zur Vorgeschichte des Ex-Paares nicht machen.

Außerdem: Gevelsberg: Studie zeigt, wie Corona den Einzelhandel verändert

Als sie aus dem Frauenhaus zurückgekommen sei, sollen beide in unterschiedlichen Wohnungen desselben Mehrfamilienhauses in Gevelsberg gelebt haben. Seine Ehefrau soll schließlich im Juni ein gerichtliches Annäherungsverbot gegen den Angeklagten erwirkt haben. Am 4. Juli habe sie ihn außerdem wegen verschiedener Verstöße gegen dieses Annäherungsverbot anzeigen wollen, so die Anklage weiter.

Um vor ihrem Ex-Partner sicher zu sein, scheint sie Schutz bei ihrem neuen Lebensgefährten in Gevelsberg gesucht zu haben – ebenfalls ein Türke, ungefähr so alt wie ihr Ex-Partner. Ihn hatte die Stadt Gevelsberg zu dieser Zeit in der Flüchtlingsunterkunft an der Drehbank untergebracht.

Attacke gegen Mitternacht

Dass die Frau dort übernachten wollte, scheint der Angeklagte mitbekommen zu haben. Kurz nach Mitternacht soll er dort aufgetaucht sein und als sie als Schlampe beleidigt haben. Ihrem Lebensgefährten soll er mit einem Faustschlag das Nasenbein gebrochen haben. Währenddessen soll sie zu einem Nachbarn geflüchtet sein, um Hilfe zu holen.

Aufkleber an einer Tür der Flüchtlingsunterkunft in Gevelsberg an der Drehbank.
Aufkleber an einer Tür der Flüchtlingsunterkunft in Gevelsberg an der Drehbank. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

Danach, so die Mutmaßung des Landgerichts, kam es zur ausschlaggebenden Tat: Der Angeklagte soll nun ein mitgebrachtes Messer mit einer Klingenlänge von etwa 19 Zentimetern aus seinem Rucksack gezogen und dem Neuen seiner Ex zunächst eine kleine Schnittverletzung am Bauch zugefügt haben. Dabei soll er gesagt haben, dass er beide umbringen werde.

+++ Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal: Nichts mehr verpassen mit unserem aktuellen Newsletter +++

Daraufhin soll er versucht haben, seine Noch-Ehefrau mit dem Messer zu verfolgen. Der neue Lebensgefährte soll ihn aber festgehalten haben. Die Reaktion darauf: Ein wuchtiger Stich mit dem Messer gegen den Rücken in Höhe der linken Niere. Zu einer Verletzung der Niere soll es nur deswegen nicht gekommen sein, weil der körperlich überlegene Verletzte den Arm des Angeklagten ergriffen und einen tieferen Stich damit abgewehrt habe. Danach soll der Angreifer geflohen sein.

Stich in Tötungsabsicht

„Ihm soll es bei dem Stich darauf angekommen sein, den Geschädigten zu töten, da er keinen anderen Partner an der Seite seiner Noch-Ehefrau akzeptierte“, so der Vorwurf der Anklage. Sie wirft dem Gevelsberger daher versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Außerdem noch gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung.

Aktuell in Untersuchungshaft

Der Angeklagte befindet sich aktuell in Untersuchungshaft. Beide Geschädigten – die Frau und ihr Lebensgefährte – haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen.

Für das Verfahren sind Stand jetzt neun Verhandlungstage vorgesehen: Auftakt ist am Donnerstag, 23. Dezember, es folgen der 13., 19., 27. und der 31. Januar, weiter geht es am 2., 16., 18. und 23. Februar.

Das Gesetz sieht hierfür in der Regel eine Freiheitsstrafe von drei Jahren bis 15 Jahren vor. Der Angeklagte soll psychisch erkrankt sein. Das Gericht wird daher auch prüfen, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten eingeschränkt oder ausgeschlossen war. Der Angeklagte soll unter anderem wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorbestraft sein. Zahlreiche weitere Strafverfahren gegen ihn sollen in der Vergangenheit wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden sein.

Persönlichkeits- und Verhaltensstörung, posttraumatische Belastungsstörung, Verhaltensstörung durch schädlichen Gebrauch von Alkohol – Gerichtssprecher Kuchler nennt verschiedene Diagnosen des 39-Jährigen. „Er steht deswegen auch unter gesetzlicher Betreuung“, sagt Kuchler.

Frage der Schuldfähigkeit

Seit dem Jahr 2013 sei der Gevelsberger in Deutschland erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. „Vergangenes Jahr stand er wegen einer Raubserie vor Gericht“, sagt der Sprecher. „Es gab aber einen Freispruch, weil er auf Kameras nicht eindeutig identifiziert werden konnte.“

Bei einer Schuldunfähigkeit sei der Angeklagte strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen. „Dann würde geprüft, ob er für die Allgemeinheit gefährlich ist“, sagt Kuchler. „Falls ja, gäbe es eine unbefristete Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie.“ Sollte der Angeklagte nur eingeschränkt schuldunfähig sein, verringere sich der Strafrahmen auf geschätzt sechs Monate bis zu elf Jahren und drei Monaten.