Schwelm. Die Nachricht, dass Discounter Norma das Erdgeschoss des neuen Rathauses in Schwelm beziehen soll, hat bereits jetzt Konsequenzen.

Applaus klatscht bislang öffentlich niemand dafür, dass Politik und Verwaltung den Weg dafür ebnen, dass Discounter-Konzern Norma mit einer Filiale den überwiegenden Teil der Einzelhandelsfläche im neuen Schwelmer Rathaus anmieten soll. Im Gegenteil: Es herrschen Unverständnis und Traurigkeit bei den Schwelmern. Und während die Politik sich vornehmlich damit beschäftigt, wie denn die Information zu Norma aus nicht öffentlichen Sitzungen an die Presse gelangen konnte, hat der Entschluss pro Discounter massive Auswirkungen auf die potenzielle Entwicklung des Kesselhauses. Ein Investor, der die Immobilie auf hohem Niveau inklusive einer Brauhaus-Gastronomie entwickeln wollte, hat nach Informationen dieser Zeitung aus diesem Grund sein Engagement in Schwelm für beendet erklärt.

Das Kesselhaus

Nach dem Abriss des Patrizierhauses ist das Kesselhaus die letzte verbliebene Original-Immobilie der Schwelmer Brauerei. Denkmalschutz und eine überschaubar gute Bausubstanz machen eine Entwicklung nicht leicht, ein Teilabriss ist nicht ausgeschlossen. Dennoch ist gerade dieses Gebäude mit höchster Emotionalität für die Schwelmer verbunden. Aufsetzend auf die Grundlagen des interfraktionellen Antrags hatte der Investor seit mehreren Monaten die Planungen vorangetrieben, um im Kesselhaus neben dem Stadtarchiv unter anderem auch eine Gastronomie unterzubringen, die die Geschichte der Immobilie würdigt. Im Raum stand ein privates Investment von etwa vier Millionen Euro.

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Als er aus dieser Zeitung erfuhr, dass Norma der Ankermieter des gegenüber liegenden Rathauses werden soll, setzte er Bürgermeister Stephan Langhard darüber in Kenntnis, nicht mehr für die Entwicklung des Kesselhauses zur Verfügung zu stehen. Die Gründe dafür sind laut gesicherter Informationen dieser Zeitung folgende: Durch einen Discounter gegenüber sieht er das Publikum, das für eine erfolgreiche Umsetzung seiner Pläne notwendig ist, nicht mehr gegeben. Außerdem war er von einer anderen Belegung der Einzelhandelsflächen im Rathaus ausgegangen und ist enttäuscht darüber, dass die Verwaltungsspitze ihn nicht über die Gespräche, die bereits seit Monaten laufen, in Kenntnis gesetzt hatte.

Der Stadtrat

So wie sich die Sitzung des Stadtrats am Donnerstag gestaltete, sollte die Information, dass Norma die größte Fläche des neu zu errichtenden Rathauses belegen soll, ohnehin noch von der Öffentlichkeit fern gehalten werden. Denn einen maßgeblichen Teil der Diskussion nahm die Frage ein, wie diese Sache nach außen dringen konnte. SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Kirschner sagt am Freitag: „Ich bin extrem verärgert, dass Dinge aus nicht-öffentlichen Teilen an die Öffentlichkeit gelangen.“ Und sein CDU-Pendant Oliver Flüshöh pflichtet ihm bei: „Manche Informationen können Entwicklungen zerstören, wenn sie zu früh öffentlich werden.“ Die grundsätzliche Entscheidung, einen Discounter als Aushängeschild des neuen Rathauses zu verpflichten, stellten beide große Parteien jedoch zu keinem Zeitpunkt in Frage. Gegner des Discounters sind die FDP und die Linken.

Der Einzelhandel

Das Spannungsfeld, in dem die Politik abwägt, ist verhältnismäßig komplex und nicht an allen Stellen durch Fakten zu untermauern. Alles deutet derzeit darauf hin, dass der Rewe das Schwelm-Center verlassen wird. Folge: Mitten in der Innenstadt wäre keine Lebensmittelversorgung mehr durch einen Supermarkt gesichert. Da könnte – beziehungsweise sollte – nun Norma einspringen und wenige Meter weiter das Vakuum auffüllen.

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„Die Alternative wäre, keine Grundversorgung mehr in der Innenstadt zu haben“, sagt CDU-Fraktions-Chef Oliver Flüshöh. Gesicherte Informationen, wie viele Menschen ohne Auto in der Innenstadt leben und fußläufig nicht den Penny, Netto, Lidl, Aldi und Rewe, die sich um die Innenstadt in fußläufigem Bereich herumgruppieren, nutzen, liegen allerdings nicht vor. Thorsten Kirschner betont zudem: „Die Discounter sind in Schwelm sehr hoch frequentiert, und losgelöst von der Immobilie Rathaus oder der Entwicklung im Schwelm-Center sind wir als SPD sehr davon überzeugt, dass ein Discounter in der Innenstadt wichtig ist und gut genutzt werden wird.“ Zudem sei die Attraktivität der Schwelmer Innenstadt von der Fußgängerzone, der Nostalgiezone oder der Kirchstraße gestützt. Das Rathaus und alles, was dazu gehöre, sollten dies nicht ersetzen.

Die Alternativen

Fest steht: Die großen Kette stehen nicht Schlange, um in Schwelm aufzuschlagen. Die Suche, in die auch ein Makler eingeschaltet war, hat sich nicht auf Discounter beschränkt. Beispielsweise habe man auch nach einem Biomarkt geschaut. „Doch Denns hat beispielsweise die Richtlinie, dass sie pro Filiale einen Einzugsbereich von etwa 90.000 Einwohnern benötigen“, sagt Oliver Flüshöh. Denns betreibt eine Filiale in Gevelsberg, steht damit für Schwelm nicht zur Verfügung. Thorsten Kirschner betont: „Die Wünsche nach H&M, Saturn und so weiter sind zwar schön, lassen sich aber nicht realisieren.“ Auch ein Konglomerat aus mehreren Schwelmer Einzelhändlern hatte sich zerschlagen. „Am Ende hätte dies auch an anderer Stelle Leerstand in der Innenstadt erzeugt, das ist bei einem Discounter nicht der Fall“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende. Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung des Mietzinses für die Finanzierbarkeit des Gebäudes.

Das Umfeld

Im Schwelm-Center ist ebenfalls Bewegung. Rewe wird wohl gehen, C&A ist bereits weg. Dafür ist Rossmann neu, Woolworth steht in den den Startlöchern. In der Fußgängerzone ist der prominenteste Leerstand ohne Zweifel die ehemalige Oebel-Filiale. Die Innenstadt wandelt sich innerhalb der kommenden zwei Jahre extrem. Neben dem Rathaus baut die Sparkasse das Patrizierhaus neu auf, die Stadt errichtet ihr Kulturhaus. Dazu sind die Fragen künftiger Mobilität ebenso präsent wie das große Ziel, die Innenstadt über Gastronomie und Einzelhandel lebendig zu halten. Die Frage, die sich nach den jüngsten Entwicklungen rund um den Rathausneubau stellt lautet: Wie hoch ist dabei am Ende der Stellenwert der neuen Nutzung auf der Brauerei-Brache?