Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Der Ennepe-Ruhr-Kreis verkündet das Aus für die Luca-App und zieht den massiven Zorn von Einzelhändlern, Gastronomen und Veranstaltern auf sich.
Die Einzelhändler waren sich einig, die Kunden nahmen das Angebot an – dennoch hat die etablierte Luca-App im Ennepe-Ruhr-Kreis keine Chanc Die Kunden müssen künftig etliche verschiedene Kontaktnachverfolgungs-Apps auf ihrem Smartphone haben, denn die Kreisverwaltung beendet den Test mit der Luca-App, die seit Langem im ganzen Land auch Kritiker hervorruft.
Während die Piraten und die Linken, die als gemeinsame Fraktion im Kreistag ohnehin aus Datenschutzgründen und Lücken bei der IT-Sicherheit, die Luca hat, einen sofortigen Stopp forderten, laufen Einzelhändler, Kulturtreibende und Gastronome Sturm gegen die Entscheidung.
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Kurzer Rückblick: Ende März hatten sich die Stadtmarketingvereine aller neun Städte im Kreis dafür stark gemacht, die Luca-App als einheitliches Mittel der Kontaktnachverfolgung für zu wählen. In der Führungsriege des Kreishauses bestand von Beginn an Skepsis. Doch nach einigen Videokonferenezen, an denen auch Landrat Olaf Schade teilnahm, stand fest: „Wir versuchen es mit Luca.“ Ende Mai startete der Testbetrieb, den die Verwaltung bis Ende August kostenfrei mit aushandelte.
Die Stadtmarketing-Vereine haben sofort mit der Umsetzung begonnen viel Zeit und Geld investiert. Sie kauften hunderte digitale Schlüsselanhänger, die ihnen aus den Händen gerissen wurden. Sie schufen in Windeseile eine enorme Akzeptanz für das System im Kreis.
Von der ersten Sekunde an traten allerdings auch die Kritiker auf den Plan, monierten Lücke im Datenschutz und mögliche Gefahren für die IT des Gesundheitsamts. Dann die Entscheidung: Krisenstabsleiterin Astrid Hinterthür verkündete im Rahmen der jüngsten Sitzung des Kreistags das Aus für Luca. Der Krisenstab will bei der Ermittlung von Kontakten künftig das vom Land unterstützte IRIS Gateway einsetzen. Der Testbetrieb mit der Luca-App soll Ende August auslaufen.
Pluralistischen Ansatz verfolgt
„Rund 60 Kontaktnachverfolgungs-Anwendungen und damit fast alle auf dem Markt sind mit IRIS kompatibel. Das bedeutet: Gastronomen, Vereine und Veranstalter, die eine Kontaktnachverfolgung gewährleisten müssen, können sich künftig frei für eine passende App entscheiden“, sagt Krisenstableiterin Astrid Hinterthür den großen Vorteil der Schnittstelle. Auf Nachfrage der Kulturgemeinde Ennepetal versandte das Kreishaus eine Liste mit 13 Apps. Die Luca-App allerdings ist nicht an IRIS angeschlossen. „Wir haben uns im April für den Kooperationsvertrag mit Luca entschieden, weil wir Handel und Gastronomen direkt im Zuge ihrer Öffnungen die Möglichkeit bieten wollten, Kontakte digital zu erfassen. Zu diesem Zeitpunkt war IRIS noch nicht verfügbar und Luca die schnellste und einfachste Lösung“, so Hinterthür.
Eine Luca-Verlängerung komme auch aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Hinterthür: „Wir haben von Anfang an betont, dass wir für andere Lösungen offen sind. Jetzt ist eine Lösung technisch einsatzbereit, die einen offenen, pluralistischen Ansatz verfolgt. Das ist aus unserer Sicht momentan die beste Lösung.“ Das sehen die Stadtmarketing-Vereine allerdings ganz anders. Andreas Niehues, erster Vorsitzender von Pro City: „Wir wussten von Anfang an, dass es eine Testphase ist, doch dass man sich auf politischer Ebene so schnell dagegen entscheidet, kam für uns sehr plötzlich. Wir sind erstaunt und verwundert, dass NRW einen anderen Weg gehen wird als 13 andere Bundesländer, aus denen wir positive Erfahrungen mit Luca berichtet bekommen haben.“ Auch IRIS bedeute Kosten. In dem Fall muss diese aber das Händler tragen.
Zig Apps auf dem Handy benötigt
Für den Nutzer bedeutet das, dass er demnächst zig Apps auf dem Smartphone benötigt, weil jeder Gastronom ein anderes System nutzt oder dass er sich wieder in Papierlisten eintragen muss. Eine Lösung für Menschen ohne Smartphone ist bislang bei keinem anderen Anbieter außer Luca über die Schlüsselanhänger vorhanden.
Für Beatrix Adam, Vorsitzende der Kulturgemejnde Ennepetal ist mit Blick auf die Lösung des Kreises jedenfalls klar: „Mein Fazit ist derzeit, dass wir als Veranstalter mit der Zettelwirtschaft weiter machen. Dann muss im Bedarfsfall unser Gesundheitsamt statt elektronisch einfach umständlich viel Papier auswerten.“ Die Gran Dame der Ennepetaler Kulturszene schreibt an Karl-Josef Laumann Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: „Erst auf mehrfache Nachfrage hat mir die Leiterin des Krisenstabes eine Liste mit 16 Apps mitgeteilt, die angeschlossen sein sollen. Eine meinerseitige Recherche hat ergeben, dass die meisten für den Veranstalter kostenpflichtig sind, also die Kosten auf die schon arg durch die Pandemie gebeutelten Veranstalter abgewälzt werden. Einige der mir genannten kostenfreien Apps sind noch gar nicht für das am meisten verbreitete Android-Betriebssystem verfügbar, beziehungsweise haben in der Nutzerbewertung schlecht abgeschnitten. Die kostenpflichtigen habe ich in dieser Hinsicht nicht überprüft.“ Eine Antwort steht aus.