Gevelsberg. Felix Keßler will Bürgermeister von Gevelsberg werden. Im Interview spricht er über den Wahlkampf, Streit in der CDU und seinen Gegenkandidaten.
Das Oppositionsbündnis „Gevelsberg Gemeinsam“ schickt Felix Keßler als Bürgermeister-Kandidaten für die Kommunalwahl im September ins Rennen (wir berichteten mehrfach). Im Interview spricht er über seinen Wahlkampf während der Corona-Pandemie und den Streit in der CDU, aber auch über Amtsinhaber Claus Jacobi und seine eigenen Vorstellung einer Stadtverwaltung.
Herr Keßler, Sie leben mit Ihrer Familie in Troisdorf bei Köln. Inwieweit verfolgen Sie von da aus das Geschehen in Gevelsberg?
Felix Keßler: Ich verfolge es tagtäglich. Ich lese Ihre Zeitung und natürlich auch im Internet. Ich bin im ständigen Kontakt mit dem gesamten Wahlkampfteam. Darüber kriege ich natürlich auch sehr viel mit. Wenn ich dann demnächst auch mal wieder Termine wahrnehmen kann, wird das auch verstärkt wieder passieren. Bürgerinnen und Bürger kommen auch über Social-Media-Plattformen auf mich zu. Man telefoniert auch mal miteinander. Aber in den vergangenen zwei Monaten war jetzt nicht die Zeit, irgendeine Form von Wahlkampf zu machen.
Sie wären gerne häufiger in Gevelsberg.
Ja natürlich, es war ein anderer Plan vorgesehen. Dementsprechend, dass man persönlich mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommt. Höhepunkt sollte die Kirmes in Gevelsberg sein. Das wäre eine gute Möglichkeit gewesen, Menschen auch noch auf eine andere Art und Weise kennenzulernen. Die Entscheidung, abzusagen, verstehe ich aber natürlich. Sobald es wieder möglich ist, werde ich versuchen, das auch alles wieder wahrzunehmen.
Inwieweit würden Sie sagen, schränkt die Corona-Pandemie Ihren Wahlkampf noch ein?
Was schwierig war, war gewisse Themen hochzubringen. Gewisse Diskussionen, wie man zum Beispiel die Gewerbepolitik besser steuern könnte, wie man anders hätte helfen können, wie man die Verwaltung anders hätte aufstellen können, sind weggefallen.
Kurz und Knapp
Was sind die drei wichtigsten Eigenschaften, die ein Bürgermeister braucht?
Er muss zuhören können, verstehen können und mitnehmen können.
Was ist das Erste, das Sie im Falle eines Wahlsieges machen?
Ich werde mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung Gevelsberg ein Gespräch suchen. Die Leute müssen die Chance haben mich kennenzulernen und jeder soll und muss den Zugang zum Bürgermeister haben.
Was ist das wichtigste Thema, dass Sie als Bürgermeister angehen würden?
Die moderne Stadtverwaltung.
In der Pandemie ist alles auf Null heruntergefahren worden. Die meisten Unternehmen kämpfen gerade um ihre nackte Existenz. Da bringt es nicht, wenn ich jetzt irgendwelche hohlen Phrasen raushaue, dass wir dies oder das machen, ohne dass man es umsetzen kann.
Nach dem Bruch zwischen Wieland Rahn und dem Bündnis haben Sie Herrn Rahn deutlich kritisiert. Wie bewerten Sie seinen Rückzug im Nachhinein und wie hat sich die Situation im Bündnis seitdem aus Ihrer Sicht verändert?
Zu diesem Thema habe ich alles gesagt und ich werde da kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Im Nachhinein ist das Bündnis enger zusammengerückt. Das war ein Befreiungsschlag. Die CDU hat sich klar aufgestellt, das fand ich sehr gut. Bisher habe ich auch eine positive Resonanz von den Bürgerinnen und Bürgern bekommen. Es ist einfacher, so einen Wahlkampf aufzubauen, als wenn wir immer irgendwo Störfeuer im Hintergrund haben. Ich wollte immer inhaltlich arbeiten und nicht, dass es nur um Personen geht.
In welchem Maße hat Ihnen dieser Streit vielleicht sogar politisch geschadet?
Das müssen die Bürgerinnen und Bürger dann als Wähler entscheiden. Das ist schwer zu sagen. Manchmal ist man im Leben gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die vielleicht nicht angenehm sind. Aber ich bin einer, der dann einen klaren Schnitt macht. Aus CDU-internen Streitigkeiten halte ich mich auch komplett heraus, damit habe ich nichts zu tun.
Zuletzt haben Sie die Abteilung „Digitalisierung“ in der Verwaltung als Showpolitik bezeichnet. Die Rede ist von Versäumnissen in den vergangenen Jahren. Was ist Ihrer Meinung nach in Sachen Digitalisierung in Gevelsberg bislang versäumt worden?
Grundsätzlich ist es erstmal so: Warum wird jetzt kurz vor der Kommunalwahl eine Abteilung „Digitalisierung“ eingeführt? Marketingtechnisch ganz werbewirksam. Die Internetseite der Stadt Gevelsberg hinkt anderen Kommunen um Lichtjahre hinterher. Es ist ein Wust aus irgendwelchen Verlinkungen. Die Digitalisierung ist eine größere Aufgabe. Man muss sich den modernen Zeiten anpassen. Gerade jetzt zu Corona-Zeiten ist es wichtig, dass die Verwaltung den ganz großen digitalen Schritt auf die Bürgerinnen und Bürger und ihre Unternehmen und Gewerbe zugeht.
Sie reden jetzt auch schon von der neuen Internetseite der Stadtverwaltung?
Ja, also die neue, ich sage mal so: Der Bürgermeister hatte ja angekündigt, dass da Verbesserungen kommen. Mir fehlen aber immer noch Verarbeitungen in elektronischer Form. Damit meine ich, dass man Formulare digital ausfüllen und schon abschicken kann. Vereinzelt gibt es das, ja. Aber es muss ja die große breite Masse sein. Das ist für mich keine Modernisierung, das tut mir leid. Die Vergabe von Kindergartenplätzen war zum Beispiel schon vor Corona Thema.
Zur Person: Felix Keßler
Felix Keßler ist 38 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Söhne. Er ist studierter Jurist und arbeitet als Verwaltungsbeamter in Bonn.
Er war Mitglied der CDU und während seines Studiums Ratsmitglied in Soest. Nach einem Umzug aus beruflichen Gründen ist er aus der Partei ausgetreten. Von Hause aus, sagt Keßler, sei er politisch dem konservativen Spektrum zuzuordnen. Er betrachtet sich aber ebenso als neuer, moderner, konservativer, liberaler Grüner. „Jamaika“, wie er dazu knapp erklärt.
Da ist keine Transparenz dahinter, man sieht nicht, wie der Bearbeitungsstand ist. In anderen Kommunen bekommen sie einen QR-Code, können digital ihre Sachen einsehen und sehen den Bearbeitungsstand. Da ist Gevelsberg weit von entfernt. Sie können keine Online-Termine machen, es ist kaum eine effektive Kommunikation mit der Verwaltung möglich. Das hat für mich mit moderner Verwaltung nichts zu tun.
Das Bündnis hat die Digitalisierung als zentrales Thema in der Verwaltung angeprangert. Wie würden Sie das Thema als Verwaltungschef in den nächsten Jahren vorantreiben?
Es hätte Priorität Nummer 1. Ich würde es nicht einfach plump zur Chefsache erklären. Ich meine, als Verwaltungschef muss ich natürlich erstmal gucken, wo die Verwaltung genau steht. Ich bin Außenstehender, ich habe erstmal einen anderen Blick darauf. Die Überschrift ist für mich: „Integrierte digitale Transformation.“ Das hört sich jetzt ganz furchtbar an. Aber das heißt im Grunde, es sind verschiedene Schritte, die angegangen werden müssen. Ich muss mir den Ist-Zustand angucken, bevor ich einen realistischen Soll-Zustand erarbeite.
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Ich finde, es ist immer furchtbar, wenn man den Leuten irgendetwas hinwirft und nichts dazu erklärt. Das ist ja eine große Änderung in der Verwaltung. Ich muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen. Ich muss gucken, inwieweit die Leute überhaupt mit den Online-Systemen geschult und vertraut sind. Und dann geht man Schritt für Schritt vor.
Worauf kommt es dabei an?
Der Nutzer muss entscheiden, was für ihn bürgerfreundlich ist. Ich muss aus der Sicht des Bürgers denken, damit ich die Komplexität rausnehme. Ich muss mir vor allem die Arbeitsschritte in der Verwaltung angucken und dort eine Optimierung erreichen. Das ist ein Gesamtpaket, das locker ein Jahr oder zwei in Anspruch nehmen wird. Einfach zu sagen, dass man eine neue Abteilung macht und ein neues Logo oben drauf macht, bringt gar nichts. Das ist wie in der Nahrungsmittelindustrie. Wenn ich draufschreibe „weniger süß“, heißt das nicht, dass es nicht immer noch total süß ist. Deswegen habe ich mich auch zur neuen Abteilung „Digitalisierung“ geäußert. Es ist wieder kurz vor der Wahl. Der Amtsinhaber versucht, das Thema vom Spielfeld zu nehmen. So nach dem Motto: Ich habe doch etwas gemacht. Aber im Grunde genommen passiert gar nichts.
Wie meinen Sie das genau?
Ich frage mich zum Beispiel, was er unter Bürgerfreundlichkeit versteht. Ich verstehe darunter, dass das System verstanden wird. Dass die Leute sagen können, was sie brauchen. Kann ich mit dem Smartphone arbeiten? Jugendliche sind schneller daran, als Leute aus älteren Generationen. Aber auch diese Leute muss ich mitnehmen.
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Und ganz wichtig: Ich muss die Verwaltung als ganze Einheit mitnehmen. Ich habe das Gefühl gewonnen, dass in der Stadtverwaltung Gevelsberg nicht so viel kommuniziert wird, sondern von oben herab absolutistisch entschieden wird. Man kann eine moderne Verwaltung aber nicht wie ein Unternehmen führen. Man muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter komplett mitnehmen, damit die ihren Bürgerinnen und Bürgern auch erklären können, was da passiert. Ich begleite das als Bürgermeister nur und gebe Denkanstöße.
Wie sieht Ihr weiterer Fahrplan bis zur Wahl am 13. September aus? Welche Akzente möchten Sie setzen? Wie planen Sie, in der Stadt aufzutreten?
Die Digitalisierung ist wie gesagt das zentrale Thema. Wir diskutieren im Bündnis auch gerade stark darüber, wie man Hilfen für die Unternehmen und das Gewerbe in Gevelsberg einrichten kann. Wir planen noch ein Sommerfest, wozu wir die Bürgerinnen und Bürger herzlich einladen. Wir werden die Vereine und Institutionen besuchen. Wir werden auch weiterhin Gesprächstermine anbieten. Konkret ist da noch nichts zu 100 Prozent geplant, weil wir nicht wissen, wie das in den nächsten Wochen weitergeht. Mir ist nur wichtig, dass die Themen mit Felix Keßler verbunden werden und dass Felix Keßler nicht nur mit seiner eigenen Person verbunden wird. Das wäre eine inhaltlose Hülle.