Ennepetal. Der Tod von Schauspieler Burkhard Driest und des Schwelmer Unternehmers Hans-Dietrich Mohr wecken Erinnerungen an einen besonderen Fernsehfilm.

Unter der Überschrift „Das Leben ein Schauspiel voller Energie und Spektakel“ war im Kulturteil unserer Zeitung zu lesen, dass der Schauspieler Burkhard Driest am 27. Februar im Alter von 80 Jahren gestorben ist. Driest weilte 1974 sieben Wochen lang in Ennepetal und Schwelm, weil dort der Fernsehfilm „Zündschnüre“, nach dem gleichnamigen Roman von Liedermacher Franz Josef Degenhardt (1931-2011), gedreht wurde. Die Filmcrew war im Stadtbild von Ennepetal und auch in Schwelm äußerst präsent. Driest, der das Drehbuch verfasst hatte und selbst im Film mitspielte, saß oft bei Café Bräker in der Bahnhofstraße, erinnern sich alte Schwelmer.

Der Film erzählt den Kriegsalltag und die Abenteuer der Arbeiterkinder Fänä Spormann, Viehmann Ronsdorf, Zünder Krach und Sugga Trietsch. Sie sind 12 bis 14 Jahre alt und beteiligen sich auf ihre eigene pfiffige Weise erfolgreich am proletarischen Widerstandskampf gegen das Naziregime. Gern sitzen sie auf einer Mauer gegenüber der Kanister- und Fassfabrik, zu der auch ein Lager für russische Zwangsarbeiter gehört.

Szenen in Milspe gedreht

Im Vorspann des Films sieht man die damalige Gasstraße in Milspe und man hört ein Lied des Schwelmers Franz-Josef Degenhardt: „Und als von 1000 Jahren erst elf vergangen waren …“. Der Film spielt im letzten Kriegsjahr 1944/45. „Da lag die Welt im Sterben und Deutschland lag in Scherben …“, singt Degenhardt.

Reinhard Hauff (stehend rechts am Rand) kann den Andrang beim Casting kaum bewältigen. Viele Ennepetaler und Schwelmer wollten mitspielen.
Reinhard Hauff (stehend rechts am Rand) kann den Andrang beim Casting kaum bewältigen. Viele Ennepetaler und Schwelmer wollten mitspielen. © Stadtarchiv

Der 1973 erschienene erste Roman des Liedermachers spielt unverkennbar in dessen Geburtsstadt Schwelm. Gedreht wurde allerdings überwiegend in Ennepetal und nur wenige Szenen in Schwelm. Neben etlichen bekannten Schauspielern spielten drei Jungen und ein Mädchen die eigentlichen Hauptrollen. Bettina Porsch, die als 13-jährige das Mädchen Sugga spielte, ist heute Lehrerin und lebt in Schwelm. „Burkhard Driest ging freundschaftlich und locker mit uns Kindern um“, erinnert sie sich. Kurt Funk (Zünder) ist schon früh verstorben. Was aus Michael Olbrich (Fänä)und Thomas Visser (Viehmann) geworden ist, war leider nicht mehr herauszubekommen.

Auch der Schwelmer Unternehmer Hans-Dietrich Mohr, Musiker aus Leidenschaft und bekannt als „Bömmes“, war im Film dabei. Er spielte einen russischen Zwangsarbeiter und ist in einigen Szenen zusammen mit Burkhard Driest zu sehen. Mohr, der Degenhardt von den Burg-Waldeck-Festivals (1964–1969) persönlich kannte und mit ihm befreundet war, verstarb am 18. Februar im Alter von 81 Jahren.

Während der Dreharbeiten war das Filmteam oft zu Gast bei Bömmes und man traf sich auch in späteren Jahren und feierte gerne zusammen. Burkhard Driest hielt lange Jahre Kontakt zur Familie Mohr und kam zu Besuch nach Schwelm, vor allem in der Zeit, als er am Schauspielhaus Bochum engagiert war.

Hans-Dietrich Mohr (links) und Burkhard Driest gemeinsam in einer Szene     
Hans-Dietrich Mohr (links) und Burkhard Driest gemeinsam in einer Szene     © Ingenlath-Gegic

Viele Statisten und einige Darsteller kamen aus Ennepetal und Schwelm. „Dieser Film entstand mit Hilfe der Ennepetaler Bevölkerung“ steht im Abspann. Hans-Jochem Schulte, der seit 1973 als Redakteur bei der Westfälischen Rundschau in Ennepetal tätig war, berichtet, dass Bevölkerung und Stadtspitze sofort dahinter standen, als der Regisseur Reinhard Hauff wegen der Dreharbeiten anfragte. „Es war eine tolle Stimmung in der Stadt. Alles funktionierte unkompliziert und ohne große Absprachen“, erinnert sich Hans-Jochem Schulte.

Ob Straßen gesperrt werden mussten oder Umleitungen eingerichtet, das war alles kein Problem. „Da gab es für uns Ennepetaler immer viel zu gucken und die Crew war gerne hier“, erzählt Schulte.

Es war aufregend, als die große Filmwelt nach Ennepetal kam, und es wurden Mitspieler gesucht. Für das, was wir heute Casting nennen, titelte unsere Zeitung damals „Wer will zum Film?“ Es meldeten sich so viele Ennepetaler und Schwelmer, dass Regisseur Hauff mit dem großem Andrang zu kämpfen hatte. Etwa 50 Ennepetaler Kinder und Jugendliche wirkten dann im Film mit.

Auch Ralf Sichelschmidt war als 14-jähriger mit dabei und musste sich für seine Rolle als Hitlerjunge seine langen blonden Locken abschneiden lassen. Die Geschichte erschien damals in der Rundschau.
Auch Ralf Sichelschmidt war als 14-jähriger mit dabei und musste sich für seine Rolle als Hitlerjunge seine langen blonden Locken abschneiden lassen. Die Geschichte erschien damals in der Rundschau. © Privat | Privat

Dabei war auch Ralf Sichelschmidt, der unter dem Kürzel „Rasi“ viele Jahre für die Westfälische Rundschau tätig war. Er berichtete, dass er als 14-jähriger für seine Rolle als Hitlerjunge seine langen blonden Locken abschneiden lassen musste.

Auch viele Erwachsene wirkten im Film mit. Herrmann Jesinghaus, ein Original aus der Loher Straße in Schwelm, ist in etlichen Szenen zu sehen. Von seiner Lieblingsszene, in der er bei einer Feier Akkordeon spielt, erzählte er in späteren Jahren immer wieder gern.

Auch interessant

Bei vielen Ennepetalern und Schwelmern waren die Filmarbeiten noch lange Gesprächsthema. Vielleicht erinnern sich einige unserer Leser an die Dreharbeiten oder spielten selbst als Statisten mit.

Gedreht wurde der Film mitten in Milspe, bevor die Innenstadtsanierung begann. Drehorte waren vor allem die Industriebrache der Firma Regeniter an der Gasstraße, dort wo heute das Haus Ennepetal steht. Der markante Schornstein mitten in Milspe wurde für den Film gesprengt: Er fiel in einem Bombenangriff.

Auch interessant

Der damals noch unbebaute Karl-Marx-Platz und die Schulstraße sind im Film zu sehen und auch in der Kluterthöhle wurde gedreht, denn der Originalschauplatz des Romans, die Schwelmer Erlenhöhle, war für Dreharbeiten zu klein.

Viele heute bekannte Gesichter

Im Film „Zündschnüre“ wirkte eine Reihe bekannter Schauspielerinnen und Schauspieler mit. Neben Burkhard Driest sind hier beispielsweise Tilli Breitenbach und Tana Schanzara zu nennen. Regisseur Reinhard Hauff hatte offenbar darauf Wert gelegt, dass die Darsteller westfälisch sprachen. Herrmann Lause, Peter Franke, Herrmann Günther, Heinz Wildhagen konnten das. Auch die 1940 in Hattingen geborene Marie-Luise Marjan, die ab 1985 als Helga Beimer in der Serie Lindenstraße bekannt wurde, konnte das sicherlich, aber sie spielte eine Zwangsarbeiterin mit russischem Akzent.

Auch andere Schauspieler wurden erst in späteren Jahren bekannt, wie etwa Heinz Meier, der in den Filmen von Loriot und Evelyn Hamann mitwirkte, oder Jochen Schroeder, der als Zivildienstleistender Mischa von 1985 bis 1989 zum festen Personal der Schwarzwaldklinik gehörte und auch in vielen anderen Fernsehserien mitwirkte. Im Film Zündschnüre spielt er Berti Bischoff, den jugendlichen Leiter der örtlichen Hitlerjugendgruppe.

Auch interessant

Der Konditormeister Emil Prümmer ist wahrscheinlich einigen Ennepetalern noch in Erinnerung. Zu Geburtstagen und Jubiläen brachte er gern seine Torten vorbei. Sogar dem Papst soll er eine Torte nach Rom gebracht haben, wird erzählt. Auch bei den Filmarbeiten war Prümmer aktiv: In Konditorkleidung und mit Torte fuhr er bei den Dreharbeiten immer wieder mit seinem Fahrrad durchs Bild. Der Regisseur wollte diese Szene jedoch nicht im Film haben.

Die aus Schwelm stammende Schriftstellerin Judith Kuckart, erzählt, dass sie als Teenager Burkhard Driest im Café Bräker in Schwelm begegnete. Jahrzehnte später lässt sie den Schauspieler als literarische Figur in ihrem Roman „Kaiserstraße“ auftreten. Spätere Geschehnisse um den Film Zündschnüre tauchen in literarisch veränderter Form in ihrem Roman „Wünsche“ auf.