Ennepetal. Der Nachwuchs fehlt, die „Erlebnis-Generation“ stirbt aus. Die Landsmannschaft Ostpreußen in Ennepetal blickt in eine ungewisse Zukunft.

Gerhard Sadlowski war ein Nachbar von Monika Wakenhut, er war aber auch viele Jahre und mit großer Leidenschaft der 1. Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen. „Vergesst die Heimat nicht“, lautete immer sein Appell. Als seine Kräfte nachließen, gab ihm Monika Wakenhut ihr Versprechen: „Ich mache es weiter!“ Seit zwei Jahren ist Monika Wakenhut nun die Vorsitzende der Ostpreußen in Ennepetal. In der Jahreshauptversammlung wurde sie jetzt einstimmig wiedergewählt. Rainer Wakenhut, ihr Ehemann, ist auch weiterhin 2. Vorsitzender.

Mit 64 Jahren ist Monika Wakenhut die jüngste unter den noch rund 30 Mitgliedern und eine „Halb-Ostpreußin“, wie sie so schön sagt. Ja, eine Rundreise durch Ostpreußen hat sie schon unternommen, sogar den Heimatort ihrer Mutter besucht. Dieses Erlebnis, an den Wurzeln zu sein, habe sie regelrecht beflügelt bei ihrer Arbeit in der Landsmannschaft.

Auch als sie jetzt in der Jahresversammlung wieder von Austritten und Todesfällen berichten musste und von neuen Mitgliedern keine Rede sein konnte, will sie alles tun, die nun bald 65 Jahre alte Landsmannschaft am Leben zu erhalten mit Erinnerungen an das Land der dunklen Wälder, mit Zusammenhalt der Frauen und Männer, die noch zur „Erlebnis-Generation“ gehören, das heißt, die Ostpreußen noch als Heimat hatten.

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Kinder und Enkel dieser Frauen und Männer seien nur schwer oder gar nicht in die Landsmannschaft zu bekommen. Diese Erfahrung machte Monika Wakenhut. Damit steht sie nicht alleine. „In vielen Städten gibt es uns nicht mehr“, sagte sie im Gespräch mit dieser Zeitung. „Unsere Heimat ist nicht mehr gefragt, auch im Schulunterricht nicht.“ Der als Gast anwesende Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Alfred Spruth, kann das nur bestätigen. Er habe einmal Kontakt mit dem Reichenbach-Gymnasium aufgenommen und wollte in der Schule auch über den Gedenkstein zur Flucht und Vertreibung (er steht an der Mittel-/Loher Straße in Altenvoerde) informieren. „Wenn wir nicht mehr da sind, wer kümmert sich dann um den Gedenkstein?“, sorgt sich Alfred Spruth. „Drei freundliche Telefongespräche mit einem Lehrer. Das war`s.“

In der Versammlung sprach Monika Wakenhut von einem sehr guten Verhältnis zur Stadt (Rat und Verwaltung) und zu der Landsmannschaft in Schwelm. „Darüber sind wir sehr froh“, sagte sie mehrmals. Die Vorsitzende gab auch den Jahresbericht, erinnerte nicht zuletzt an Gerhard Sadlowski, der im vergangenen Frühjahr gestorben war. 35 Jahre lang hatte er die Landsmannschaft geführt und war noch kurz vor seinem Tod zum Ehrenvorsitzenden ernannt worden. Der „Tag der Heimat“, das Erntedankfest und die Weihnachtsfeier seien im vergangenen Jahr schön gewesen, so Wakenhut.

65-jähriges Bestehen wird am 14. Mai gefeiert

Einmal im Monat – jeweils am dritten Donnerstag um 16 Uhr – trifft sich die Landsmannschaft Ostpreußen in der Heimatstube, die sich im Gebäude des Stadtarchivs an der Kirchstraße 52 (Eingang Heinrichstraße) befindet.

Ein für die Landsmannschaft großes Ereignis steht in diesem Jahr an. Das 65-jährige Bestehen wird am 14. Mai ab 16 Uhr in der Heimatstube begangen. Bürgermeisterin Imke Heymann habe schon ihre Teilnahme zugesagt, hieß es in der Versammlung.

Für Juli ist ein Erlebnisurlaub an der Mosel geplant.

Wer Geburtstag hatte, darf sich zu Beginn des Treffens ein Lied aussuchen. „Mein Vater war ein Wandersmann“, „Muss i denn zum Städtele hinaus“ und „Alle Vögel sind schon da“ wurde gesungen, auf der Gitarre begleitet von Friedbert Mock. Bei einem Lied kam dazu die Mundharmonika, gespielt von Erhard Keil, zum Einsatz. „Jetzt beginnt das Wichtigste“, kündigte die Vorsitzende an. Es war das Kaffeetrinken, das Plaudern mit dem Nachbarn, unter ihnen auch Thüringer. Willkommen sind alle Menschen.

Erinnerung an alte Bräuche

Nach dem Kaffeetrinken kam die Heimat Ostpreußen ganz nah. Monika Wakenhut zitierte aus Geschichten von Ernst Wiechert. Es ging um Fastnacht in Ostpreußen, um große Bälle, die auch Heiratsmärkte waren und von harter Arbeit auch der Frauen auf den Bauernhöfen und wintertags am Spinnrad. Der Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Alfred Spruth, erinnerte an den Untergang des Flüchtlingsschiffes „Gustloff“ in der eiskalten Ostsee mit über 10.500 Menschen an Bord. Die meisten starben. Ein sowjetisches U-Boot hatte das Schiff vor 75 Jahren torpediert. Spruth zitierte aus der jüngsten Erklärung des Bundes der Vertriebenen und sprach vom Terror der Nazis und sagte: „Vor 75 Jahren wurde Unrecht mit Unrecht vergolten. So etwas darf nie wieder geschehen. Die Erinnerung daran ist unsinkbar!“

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Zu den Ritualen in den Versammlungen der Ostpreußen gehört neben dem Geburtstagssingen auch das Trinken eines Schnapses, ein süßes Gesöff namens Bärenfang.