Schwelm/Gevelsberg. . Ein defekter Kondensator ist die Ursache für den bestialischen Gestank, der von der Tierverwertungsanlage in Gevelsberg über die Umgebung zieht.

Nächste Eskalationsstufe bei der Knochenmühle: Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat der Firma Schmidt und Geitz, nachdem der nächste Mangel offenbar wurde, eine Anordnung zukommen lassen. Den Betreibern der Tierverwertungsanlage drohen fünfstellige Zwangsgelder, falls diese sich der Anordnung widersetzt. Die Firma selbst schweigt zu den Vorgängen weiterhin (siehe unten).

Wochenlang haben Mitarbeiter der unteren Immissionsschutzbehörde und Gutachter nach der aktuellen Ursache für den Gestank gesucht, der durch Linderhausen und Gevelsberg zieht. Jetzt wurden sie nach Aussage des Kreises fündig: Zeitweise zu hohe Temperaturen am Ausgang des Luftkondensators hätten gezeigt, dass dieser nicht richtig funktioniert. „Weil die zu hohen Temperaturen nur sporadisch auftauchen, war der Fehler nur schwer zu finden“, heißt es aus dem Schwelmer Kreishaus.

Gestank aus Tierverwertungsanlage: Firma zehn Wochen Zeit, um Mängel zu beheben

Die Experten spürten den Fehler mit einer einwöchigen Rund-um-die-Uhr-Dauermessung auf und stellten fest: Die übel riechenden Dämpfe, die beim Kochen der Schlachtnebenprodukte entstehen, bleiben in der Abluft und landen im Biofilter. Dieser ist mit der zu hohen Fracht an Geruchsstoffen allerdings überfordert und kann sie nicht abbauen. Gestank gelangte in die Luft.

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Darauf hat die Verwaltung nun mit der Anordnung reagiert. Eindeutige Botschaft: Schmidt und Geitz hat zehn Wochen Zeit, den Mangel zu beheben. Dies kann – je nach Schadenslage – durch Reinigung, Reparatur oder Komplettaustausch des Kondensators erfolgen.

„Am Ende muss ein Sachverständiger bestätigen, dass die Anlage funktioniert und die Abluftanlagen dicht sind“, lautet die Vorgabe in der Anordnung. Zusätzlich gilt: In einer erneuten einwöchigen Dauermessung ist nachzuweisen, dass der Luftkondensator vorschriftsmäßig funktioniert. Weitere Vorgabe: Auch die Reinigungsleistung des Biofilters muss bestätigt werden. Nach Ablauf der Frist darf die Anlage nur mit Zustimmung der unteren Immissionsschutzbehörde weiterlaufen.

Kanalisation mit Kameras befahren

Die Ordnungsverfügung ist mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und mit Androhung von Zwangsgeldern versehen. Das heißt: Auch wenn die Firma Rechtsmittel einleiten sollte, haben diese keine aufschiebende Wirkung. Die verlangten Arbeiten wären auch im Falle einer Klage fristgemäß zu erledigen. Und: Befolgt Schmidt und Geitz die Anordnungen nicht, werden Beträge im fünfstelligen Bereich fällig.

Parallel nimmt die Stadt Gevelsberg die Belästigungen ins Visier, die sich über die Kanalisation verteilen. Die Stadt hat ihre Kanäle mit Kameras befahren. Die Verantwortlichen erhoffen sich hier Erkenntnisse darüber, bis zu welchen Punkten der so genannte Kamineffekt überhaupt möglich ist, und warum es an bestimmten Punkten im Stadtgebiet unabhängig von der Windrichtung besonders oft stinkt.

340 Beschwerden sind eingegangen

„Das Auswertungsgespräch wird in naher Zukunft stattfinden“, sagt Maike Leipholz, die bei der Stadt Gevelsberg, bei der auch die Beschwerden über die E-Mail-Adresse knochenmuehle@stadtgevelsberg.de zusammenlaufen. Dort sind mittlerweile ungefähr 340 Beschwerden aufgelaufen und die scheinen zu bestätigen, was viele seit Langem äußern: Es stinkt in Gevelsberg vor allem am frühen Morgen, am späten Abend und ganz extrem an den Wochenenden – also zu Zeiten, an denen die Arbeit zumindest in den Behörden ruht.

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„Montagsmorgens haben wir die mit Abstand meisten Beschwerden“, sagt Maike ­Leipholz, die diese samt und sonders an den Ennepe-Ruhr-Kreis weiterleitet. Der hofft nun, mit der Anordnung das Problem endlich gefunden und gelöst zu haben.

Fragen der Redaktion bleiben bislang unbeantwortet

Bereits am Montag, 15. Oktober, sandte die Redaktion nach Absprache mit Oliver Ortlinghaus, Ingenieur der Firma Liutec aus Münster, der die Schmidt und Geitz in technischen Fragen berät, einen Fragenkatalog an die Firma. Trotz Zusage, dass diese zeitnah beantwortet würden, ist bislang überhaupt keine Reaktion auf das Anschreiben erfolgt. Dies wollte die Redaktion im Einzelnen wissen:

1.Wodrauf führen sie die verstärkten Geruchsbelästigungen in diesem Jahr zurück?

2.Rühren die Gerüche durch Abgase oder Abwasser?

3.Was sagen Sie zu den Vorwürfen, es würde ein Sanierungsstau herrschen, beziehungsweise es würde an der Wartung gespart?

4.Welche Lösungen wollen Sie herbeiführen?

5.Welche Auflagen gibt es durch den EN-Kreis und seine Emissionsbehörde?

6.Warum gab es bis 2016 deutlich weniger Beschwerden?

7.Was wird in Ihren Betrieb genau gemacht?

8.Wie bewerten Sie den Vorschlag, Abwässer mit Tankwagen abzufahren?

9.Gibt es aus Ihrer Sicht Dinge, die die Städte tun können, um die Geruchsbelästigung einzudämmen, zum Beispiel im Gevelsberger Kanalnetz?

10.Der Gevelsberger Bürgermeister Claus Jacobi hat rechtliche Schritte angedeutet. Wie stehen Sie dazu?