Gevelsberg/Schwelm. . Stadt ruft zur Bürgerversammlung auf. Fachanwältin soll Weg aus der jahrzehntelangen Hilflosigkeit bei Beschwerden gegen Knochenmühle aufzeigen.
Es ist eine unendliche Geschichte und sie stinkt zum Himmel: In der vergangenen Woche hagelte es wieder einmal Beschwerden über Beschwerden im Gevelsberger Rathaus über die Geruchsbelästigung durch den Tierverwertungsbetrieb Schmidt & Geitz GmbH & Co. KG — im Volksmund kurz „Knochenmühle“ genannt – in Linderhausen. Bürgermeister Claus Jacobi lädt deshalb zu einer Bürgerversammlung ein, bei der auch über rechtliche Schritte gegen das Unternehmen diskutiert wird.
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In einem Geschäft in der Gevelsberger Fußgängerzone flüchten die Kunden in die Verkaufsräume. Draußen, vor dem Schaufenster, könne man es bei dem Gestank nicht aushalten. Einen Kaffee unter blauem Himmel zu trinken oder ein Eis zu genießen, das sei einfach unmöglich klagen andere. Acht Beschwerden sind bei Maike Leipholz, die den Kummerkasten im Büro des Gevelsberger Bürgermeisters verwaltet, in fünf Tagen angekommen. Rund hundert werden es in diesem Sommer insgesamt sein: „Ich weiß aber nicht, wo sonst noch Beschwerden im Rathaus eingegangen sind, zum Beispiel im Ordnungsamt.“
Wasser in Kanal gepumpt
Das sind nur die offiziell registrierten Beschwerden. „Ich kann schon gar nicht mehr in den Supermarkt gehen. In einer Viertelstunde haben mich dort vier Bürger auf das Thema angesprochen“, sagt Bürgermeister Jacobi. Anscheinend gebe es in Gevelsberg in diesen Tagen kein anderes Thema. Dabei würde er so gerne Antworten geben: Aber: Gevelsberg sei nur leidvolles Opfer des Gestanks. Das Unternehmen Schmidt & Geitz liegt auf Schwelmer Gebiet. Die Aufsicht darüber hat der Ennepe-Ruhr-Kreis, doch die Abwässer werden durch das Gevelsberger Kanalnetz entsorgt. „Wir haben schon alles getan, Unmengen von Wasser in den Kanal gepumpt, wenn es wieder gestunken hat. Verbessert hat es die Lage nicht“, so der Bürgermeister.
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Deshalb hat die Stadt Gevelsberg die auf Verwaltungsrecht spezialisierte Kölner Anwaltskanzlei Lenz und Johlen eingeschaltet. Sie soll prüfen, welche Möglichkeiten sich der Kommune und ihren betroffenen Einwohner juristisch bieten, um dem Gestank ein Ende zu machen. Die Kanzlei betraute Dr. Inga Schwertner, unter anderem Lehrbeauftragte an der Universität Bonn für Städtebau und Bodenordnung und Lehrbeauftragte an der Fachhochschule für die öffentliche Verwaltung des Landes NRW in Sachen Umweltrecht, mit dem Fall. Die anerkannte Expertin will sich bei der Bürgerversammlung am Montag, dem 17. September, um 19 Uhr, in der Aula des Schulzentrums West erst einmal einen Überblick über die Betroffenheit der Bürger verschaffen, um die juristischen Möglichkeiten auszuloten.
Ganz schlimmer Sommer
„Der Bürger hat den Eindruck, er wird mit seinen Beschwerden über die Knochenmühle in einer gewissen Hilflosigkeit von einem Amt zum nächsten geschickt“, sagt Bürgermeister Jacobi und fügt hinzu: „Wir alle sind zusammen gesprungen, aber nicht so weit, wie wir eigentlich springen wollten.“ Und so habe es die „Knochenmühle“ geschafft, seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Dauer-Erregungsthema zu werden.
Auffällig sei es schon, wenn der Gestank immer in den „aufsichtsarmen Zeitfenstern“, also in den Abendstunden oder an den Wochenenden, die Bürger quält. Und doch will Jacobi auf der Suche nach einer Lösung den Betreiber der umstrittenen Anlage zum Dialog zu der Bürgerversammlung einladen. Er macht aber deutlich: Wenn Straßen in deutschen Städten für Dieselstraßen gesperrt werden könnten, um Feinstaubbelastungen für die Menschen zu senken, dann müsse es auch möglich sein, dem Gestank der Knochenmühle ein Ende zu bereiten und das Problem nach ein, zwei guten Jahren nicht plötzlich wieder auftauche – wie in diesem Jahr. Für die Nase sei es „ein ganz, ganz schlimmer Sommer“ in Gevelsberg, so Jacobi.