Ennepetal/Gevelsberg. . Eigentlich ist Meininghausen ein idyllischer Ort. Aber im Jagdrevier ist die Stimmung zunehmend aufgeheizt: Hunde reißen immer wieder Rehe.

Selbst bei miesem Wetter ist Meininghausen ein idyllischer Ort. Wälder, Wiesen, tolle Ausblicke, schöne Spazierwege, zwitschernde Vögel – ein Fleckchen Landschaft, um die Seele baumeln zu lassen. Doch der Eindruck täuscht zumindest teilweise. Denn im Jagdrevier von Katrin Latuske, das sich auf Ennepetaler und Gevelsberger Stadtgebiet erstreckt, ist die Stimmung zunehmend aufgeheizt.

Jägerin Katrin Latuske in ihrem Jagdrevier Meininghausen.
Jägerin Katrin Latuske in ihrem Jagdrevier Meininghausen. © WP

Hunde haben dort allein in diesem Jahr schon zehn Rehe getötet, die Jäger sehen sich immer neuen Attacken ausgesetzt, so dass sogar der Staatsschutz ermittelt. Wilderer schießen nachts aus selbstgebauten Jagdständen in der Gegend herum. Und bei all dem ist auch noch Vorsicht geboten, denn die Wildschweinpopulation ist in die Höhe geschnellt. Katrin Latuske appelliert an die Vernunft, den gesunden Menschenverstand, und hofft auf ein baldiges friedliches Miteinander im Wald zwischen Gevelsberg und Ennepetal.

Getötete Rehe

Die Bilanz seit dem Frühjahr liest sich erschreckend: Frei laufende Hunde haben neun Rehe zu Tode gehetzt, eines mit Kehlenbissen erlegt. „Ich hatte das Kitz auf dem Arm, wollte es zum Tierarzt bringen. Dann sah ich die schlimmen Bisswunden und musste es erlösen“, sagt Katrin Latuske, die das Jagdrevier seit 2010 gepachtet hat. Solche Momente täten richtig weh. Und davon gebe es immer mehr. Wie das Reh, das ein Hund in einen Schafszaun hetzte, wo es sich derart strangulierte und verletzte, dass auch hier nur noch der finale Schuss als Ausweg blieb.

Dabei sind die Regeln eigentlich sonnenklar, denn der Bereich ist FFH-Gebiet. Heißt: Hunde müssen an der Leine geführt werden. „Es hat ja niemand etwas dagegen, wenn die Tiere über die Wiese laufen, dort spielen. Ich habe selbst vier Hunde und will, dass sie ausgelastet sind.“ Aber besonders während der Brut- und Setzzeit lägen die Kitze oft nah an den Wegesrändern, die Mütter stünden nicht weit entfernt. „Rehe sind Kurzflüchter“, erläutert Katrin Latuske. Nach wenigen Metern verharren sie nach einem Angriff wieder. Irgendwann sind Stresslevel und Erschöpfung allerdings derart hoch, dass der Kreislauf der Tiere zusammenbricht.

Zudem schließt sie nicht aus, dass mindestens ein Hund bereits öfter Rehe und Kitze angegriffen hat. „Hunde lernen schnell. Und der gezielte Kehlenbiss ist ein deutliches Zeichen dafür.“ Die Jäger weisen die Hundehalter zwar regelmäßig darauf hin, „aber das Unverständnis und die Aggression steigen an“, sagt Katrin Latuske. „Mein Hund jagt nicht, der spielt“, sei auch eine beliebte Antwort. Ein Spiel, bei dem das Reh immer verliert.

Wilderei

Katrin Latuske erinnert sich immer noch mit Schrecken an die Nacht, als sie auf dem Hochsitz saß und plötzlich fiel schräg hinter ihr ein Schuss. „Ich habe noch ein Auto wegfahren sehen und mich dann auf die Suche begeben.“ Sie fand ein angeschossenes Reh, das immense Qualen litt, weil der Wilderer nicht richtig getroffen hatte. „Ein Kollege hat durch das Fernglas in einer anderen Nacht in Mündungsfeuer geschaut“, sagt sie. Die Ennepetaler und Gevelsberger Jäger fanden zudem zwei Erdstände, die ein illegaler Jäger im Wald errichtet hatte. Die Wilderei sei aktuell aber zum Glück abgeflaut. „Wir haben jetzt schon seit einigen Wochen nichts mehr bemerkt.“

Angriffe auf Jäger

„Asoziale blutrünstige Hobbymörderin ist noch etwas Freundliches“, sagt Katrin Latuske. Vor allem Hundehalter, die die 47-Jährige und ihre Kollegen auf ihr Fehlverhalten ansprechen, reagieren zunehmend gereizt. „Einem unserer Jäger wurden bereits Schläge angedroht, angeschrien werden wir öfter.“

Wegen ganz anderer Angriffe ermittelt mittlerweile sogar der Staatsschutz. Denn Hochsitze werden nicht nur zerstört, wie dies seit Jahren der Fall ist. Immer öfter werden auch die obersten Stufen angesägt. „Das ist lebensgefährlich“, sagt Latuske und erzählt von einem besonders heftigen Fall. Dort hatten Unbekannte auf der obersten Stufe eines Fünf-Meter-Hochsitzes einen Draht gespannt, den der Jäger in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Er stolperte, und konnte sich im letzten Moment noch festhalten. „Fällt er aus fünf Metern, bricht er sich bestenfalls ein Bein, das kann aber auch tödlich enden“, sagt die 47-Jährige.

Vorsicht vor Wildschweinen

Die Hundebesitzer sollten auch im Interesse um ihren Liebling den Vierbeiner an die Leine nehmen. „Wir haben durch zwei milde Winter hintereinander eine sehr große Schwarzwildpopulation“, sagt Katrin Latuske, die daher ausschließlich auf Wildschweine anlegt. Die Gefahr: Sollte ein Hund sich Frischlingen nähern oder diese angreifen, wird die Mutter ihre Jungen verteidigen. „Wir haben Bachen mit 110 Kilogramm, die töten einen Hund problemlos.“ Eine solche Situation könne zudem schnell auch für die Herrchen zur Gefahr werden. „Greift ein Wildschwein an, sollten Sie zusehen, dass Sie so schnell wie möglich auf einen Baum kommen.“

Dazu komme, dass die Schweine sehr intelligent sind und zunehmend in die Siedlungsbereiche vordringen. Viele Hausbesitzer auf Voerde Nord können mit Blick in ihre immer wieder verwüsteten Gärten ein Lied davon singen. Außerdem kämen die Wildschweine regelmäßig auf den Schulhof des Reichenbachgymnasiums. „Wenn der Unterricht läuft, suchen sie sich das Futter auf dem Schulhof. Ertönt der Pausengong ziehen sie sich zurück, um später wiederzukommen“, beschreibt Katrin Latuske.

Appell an die Vernunft

Kartin Latuske und die weiteren Mitglieder der Jagdgenossenschaft wünschen sich im Prinzip nichts anderes als ein friedliches Miteinander im Wald. „Etwas Rücksichtnahme, etwas Toleranz und das Einhalten weniger simpler Regeln reichen doch schon aus, damit sich alle an dem Wald erfreuen können“ sagt sie und lässt sich trotzdem nicht davon abbringen, die Idylle der Natur in ihrem Revier zu genießen.