Werdohl/Balve/Neuenrade/Hagen. Mit äußerster Brutalität überfielen zwei junge Männer einen Taxifahrer in Neuenrade, raubten ihn aus, misshandelten den Mann, kidnappten ihn und seinen Wagen gleich mit. Nach einem rund siebenstündigen Martyrium beendete die Polizei die Geiselnahme in Balve. Jetzt verurteilte das Hagener Landgericht die jungen Täter aus Werdohl zu Haftstrafen von viereinhalb und fünfeinhalb Jahren.

Zu Hause rausgeflogen, mehr oder weniger obdachlos, hungrig und stets auf der Suche nach dem nächsten Joint oder einem Schluck Hochprozentigen, entwickelte der 20-jährige Werdohler den Plan, wie er schnell an Geld kommen konnte. Ein „Vorbild“ hatte er: Sein Bruder verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe wegen eines nicht minder brutalen Überfalls auf ein älteres Ehepaar in Werdohl – der so genannte WM-Raub.

Am Abend des 5. November überredete er seinen Kumpel (22) mitzumachen. Der Mitangeklagte, psychisch krank und offenbar leicht intelligenzgemindert, ließ sich überzeugen. Zunächst musste ein Staubsauger-Automat auf dem Gelände einer Tankstelle dran glauben, dann teilte sich das Duo einen Joint und eine Flasche Raki. Derart „gestärkt“ suchten sich die beiden jungen Männer ein Taxi.

Nach einem Schichtwechsel ahnte der Neuenrader Fahrer nicht, dass ihm anstelle einer kurzen Fahrt zum Freibad Leitmecke in Menden lange Stunden voller Todesangst erwarten würden. Als ihn die Polizei in Balve befreite, hatte der 37-Jährige zahllose Schläge kassiert. Er hatte seine Entführer nach Dortmund in ein Bordell und nach Hagen in ein Fastfood-Restaurant sowie ein Solarium fahren müssen. Oft hatte er dabei einen Schraubenzieher an seinem Hals gespürt. Sein Taxi war beschädigt, das Geld war weg.

Gericht sieht beide Täter als voll schuldfähig an

Weder Alkohol noch Drogen oder, im Fall des älteren Angeklagten, die psychische Erkrankung und die intellektuelle Einschränkung, so die Überzeugung der Hagener Jugendkammer, führten zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Das Gericht sah beide als voll schuldfähig an. Ihre frühen Geständnisse, ehrliches Bedauern und der Umstand, dass keiner von ihnen zuvor großartig mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, sprachen letztlich für sie.

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Die Intensität der Tat, die der Vorsitzende Richter Marcus Teich als ganz gewichtigen Vorfall bezeichnete, wirkte sich zu ihren Ungunsten aus. Teich nahm kein Blatt vor den Mund: „Ein Martyrium, das für den Fahrer über sieben Stunden angedauert hat, in denen er sich immer nicht sicher sein konnte, was als nächstes passiert.“ Der Geschädigte habe den Überfall überraschend gut verkraftet. Aber, so der Vorsitzende Richter: „Der hätte den Schock seines Lebens haben können.“

Fünfeinhalb und viereinhalb Jahre Jugendstrafe

Fünfeinhalb Jahre muss der Ältere absitzen. Der Jüngere erhielt viereinhalb Jahre Jugendstrafe. Auch ordnete die Kammer seine Unterbringung im Entzug an. Für den Bruder des Älteren eine schreiende Ungerechtigkeit. Laut und aggressiv machte er seiner Wut Luft, bis ihn ein Wachtmeister in Richtung Ausgang „begleitete“. Zuvor hatte der Staatsanwalt das Handy des Bruders beschlagnahmt und ihm ein Ermittlungsverfahren angedroht, weil er im Verdacht stand, im Gerichtssaal fotografiert zu haben.