Balve/Hagen. Taxifahrer Oliver Neumann (37) rechnete mit einer Routinetour, als er am 6. November des vergangenen Jahres eine Fahrt mit zwei Gästen nach Menden übernahm. Der Auftrag entpuppte sich als mehrstündiger Horrortrip, den die Polizei in Balve stoppte. Neumann wurde ausgeraubt, misshandelt und entführt. Seit Dienstag stehen seine mutmaßlichen Angreifer vor dem Hagener Landgericht.

Arglos übernahm der 37-Jährige in den frühen Morgenstunden des Novembertages in Neuenrade die Tour eines Kollegen. Zwei junge Männer wollten nach Menden. Nichts ahnend ließ sich der langjährige Taxifahrer auf den Parkplatz des Freibades Leitmecke lotsen. Seine Fahrgäste gaben an, kein Geld dabei zu haben und welches aus dem naheliegenden Wohnhaus holen zu wollen. Oliver Neumann wollte die Zeit für eine Zigarettenpause nutzen, war im Begriff auszusteigen. „Da ging urplötzlich meine Fahrertür auf und dann habe ich es schon gekriegt.“

Die Angreifer schlugen auf ihn ein, forderten Geld. Rund 300 Euro konnte er ihnen bieten – nicht genug. Die Täter zerrten ihn auf eine Wiese, traten auf den am Boden liegenden Mann ein. Dann verlagerte sich das Geschehen in das Auto. Das Duo zerstörte das Taxameter und das Funkgerät, riss zuvor das Schild vom Dach. Handys und das Portemonnaie des Opfers flogen aus dem Fenster. Neumann musste seine Peiniger fahren. Erst sollte es nach Berlin gehen, dann forderten ihn die beiden Männer auf, sie nach Dortmund zu bringen.

Während der Fahrt hagelte es weitere Faustschläge und Todesdrohungen, einer der Täter hielt ihm einen Schraubenzieher an den Hals. Der 37-Jährige sollte an einem Bankautomaten Geld holen. Doch seine EC-Karte war mit dem Portemonnaie aus dem Fenster geflogen. Nun wollten die Täter zu einem Bordell gefahren werden, das sie dann abwechselnd aufsuchten. Anschließend ging es nach Hagen in ein Fast-Food-Restaurant und ein Solarium, wo sich einer der Angreifer in aller Seelenruhe eine Extraportion Sonne gönnte.

Mittlerweile suchten andere Taxifahrer nach ihrem Kollegen. Die Polizei war eingeschaltet. Ein Hubschrauber kreiste. Doch selbst als ein Streifenwagen hinter ihnen herfuhr und den Taxifahrer aufforderte, er solle anhalten, durfte der nicht stoppen. Erst in Balve hatte die Odyssee ein Ende: Ein quergestellter Streifenwagen blockierte die Fahrbahn.

Oliver Neumann erlitt Prellungen und Blutergüsse im Gesichts- und Beinbereich, trug Kratzer davon. Der 37-Jährige erklärt im Gespräch: „Ich habe schon alles erlebt – auch schöne Sachen. Aber ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren würde.“ In Menden und während der Fahrt nach Dortmund habe er immer wieder Todesangst gehabt. „Ich bin selbst überrascht, dass ich das so gut verpackt habe.“ Nach wie vor mache er seinen Job gerne, sei gerne mit Menschen zusammen. Bei langen Fahrten habe er jedoch nach wie vor mit Misstrauen zu kämpfen. Und: „Die Angst ist schon da, wenn ich gewisse Leute im Auto habe.“

Seine mutmaßlichen Angreifer, zwei 20- und 22-jährige Männer aus Werdohl, legten die Karten am ersten Verhandlungstag schnell auf den Tisch, räumten die Täterschaft im Wesentlichen ein, sprachen von Alkohol und Drogenkonsum vor dem Überfall. Der Jüngere, offenbar Anführer und Ideengeber des Überfalls, erklärte, sein Vater habe ihn zuvor rausgeschmissen. „Ich hatte kein Geld, um mir etwas zu Essen zu kaufen.“ Der Ältere, psychisch krank und intelligenzgemindert, sieht sich quasi als Mitläufer, der es nicht gewagt habe, sich dem Anderen zu widersetzen. Beide entschuldigten sich bei Oliver Neumann. Der Taxifahrer lehnte ab.