Balve. Der „Girls‘ und Boys‘ Day“ ist bundesweit ein Erfolg – auch in Balve. Was die Kinder am beruflichen Schnuppertag aufregend finden.

Zwei Kunden schlendern ins City-Café der Goldbäckerei Grote. Sie schauen sich um und bestellen ein paar Brötchen. Hinter dem Tresen lugen drei kleine Verkäufer hervor. Unter fachfraulicher Anleitung arbeiten sie die Bestellung ab – und haben sichtlich Spaß dabei. Beim „Girls‘ und Boys‘ Day“ schnuppern die Kinder in für sie eher untypische Berufe. Jungs belegen Brötchen oder kramen in der Apotheke nach Medikamenten; Mädchen packen bei der Feuerwehr oder im Malerbetrieb an. Was die Kinder am beruflichen Ausflug aufregend finden – und warum der Aktionstag in Balve nun geändert wird.

Klischees sollen in Balve aufgebrochen werden

Wer am Donnerstagnachmittag durch Balve schlendert, der wird an der einen oder anderen Stelle neues Personal entdeckt haben: Von der städtischen Bücherei, der Grundschule, über die Bäckerei Grote bis hin zum Malergroßhandel Nitsche oder der Feuerwehr. Überall hat sich Nachwuchs dazwischengemogelt. Und das ist auch so gewollt. Beim „Girls‘ und Boys‘ Daygeht es darum, die ersten Schritte im beruflichen Alltag zu machen - noch dazu in einer eher untypischen Branche. Die Favoriten für Schülerinnen und Schüler der städtischen Realschule ist klar, wie Lehrerin Alexandra Lanfermann im Gespräch mit der Westfalenpost erklärt: Grundschule und Bäckerei stehen ganz oben auf den Listen.

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Eine Sache ist 2024 allerdings neu: Statt der 8. Klassen machen diesmal etwas mehr als 70 Schüler des Jahrgangs 7 die Hönnestadt unsicher. Geht es nach Alexandra Lanfermann und Steffie Friske, dann wird das keine Ausnahme bleiben, sondern künftig wohl eher die Regel. Die Krux: Erst kurz vor den Osterferien liefen im 8. Jahrgang die Berufserkundungstage. Nur drei Wochen später noch einen beruflichen Schnuppertag hinten dran zu hängen, erschien den Organisatoren daher nicht sinnvoll. „Und es war eine gute Entscheidung. Die Schüler haben positiv darauf reagiert“, sagt Lanfermann. Künftig könnte es somit in drei aufeinanderfolgenden Jahrgängen Möglichkeiten geben, Berufsfelder zu entdecken: „Girls‘ und Boys‘ Day“, Berufsorientierung und dreiwöchiges Pflichtpraktikum. Grundsätzlich gehe es Lanfermann darum, Muster aufzubrechen und den Horizont zu erweitern. Daher sei es umso besser, dass Jungs sich mal in eher klassischen Frauenberufen versuchen können und Mädchen eher in Männerdomänen. „Jede Kita würde sich sicher über einen Erzieher freuen“, ist sich Lanfermann sicher.

Ein Online-Verfahren mit Tücken

Für die Schüler selbst ist es in der Bäckerei Grote zumindest eine gelungene Abwechslung zum ansonsten durchgetakteten Schulalltag; auch wenn der erste richtige Arbeitstag unterm Strich deutlich länger dauert als ein Schultag. Das bedeutet natürlich auch, ein wenig früher aufzustehen. Für die fleißigen Helfer allerdings kein Hindernis. Um Punkt 7 Uhr geht‘s los. Während die eine Gruppe von Filiale zu Filiale fährt, um nach dem Rechten zu schauen, heißt es für andere: Stullen schmieren und Kunden bedienen. „Das beste ist, dass man keine Hausaufgaben hat. Nach der Schicht ist man entlassen“, freut sich Jonah. Bei Ben steht das Miteinander eher im Mittelpunkt: „Das Teamwork hat Spaß gemacht. Und man bewegt sich mehr als im Klassenraum.“

Das Teamwork hat Spaß gemacht. Und man bewegt sich mehr als im Klassenraum.
Ben - über seinen Arbeitstag in der Bäckerei Grote

Damit reihen sich die Balver Schülerinnen und Schüler ein in tausende Kinder, die bundesweit mitgemacht haben. Der Aktionstag wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und hat 2024 einen Rekord zu verzeichnen: Bundesweit gibt es mehr als 23.000 Angeboten und damit insgesamt mehr als 175.000 Arbeitsplätze für einen Tag. Wie nachhaltig der Schnuppertag dabei ist und wie viele der Kinder am Ende auch in einem der Berufsfelder arbeiten wird, ist zwar offen; doch darum geht es schlussendlich auch nicht, findet Alexandra Lanfermann: „Der Berufseinstieg geht nicht mit der Keule. Aber sie haben ein erstes Tor durchschritten.

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Erstmals ist bei der Organisation des Tages in Balve ein Online-Anmeldebogen zum Einsatz gekommen. Ein Schritt, den die Bücherei-Chefin Steffie Friske, am liebsten wieder abschaffen würde. „Das Verfahren hat seine Schattenseiten“, sagt sie. Damit zielt sie vor allem auf das „internationale Publikum“ ab: Denn so konnten sich auch Schüler aus Fröndenberg, Menden oder Altena für einen Schnuppertag in Balver Unternehmen anmelden - und umgekehrt. Zudem hätten die Organisatoren in vielen Fällen nachfassen müssen, ob die Online-Anmeldefristen bei den Schülerinnen und Schülern auch eingehalten worden sind. „Wir werden die Vor- und Nachteile abwägen“, erklärt Steffie Friske. Den positiven Erfahrungen in den Betrieben selbst tut das Anmelde-Chaos allerdings kein Abbruch. Die Kinder nehmen laut Alexandra Lanfermann zumindest eine zentrale Lehre mit: „Es macht stolz, so einen Tag gewuppt zu haben.“

Den wohl weitesten Praktikumsweg hat derweil die Balverin Pia Errulat gehabt. Die Schülerin konnte sich an der Seite des heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Ziemiak einen Tag lang im Berliner Regierungsviertel umschauen. „Es war schön, mit Pia heute eine sehr engagierte Schülerin für einen Tag voller spannender Einblicke im Bundestag willkommen zu heißen“, sagt Ziemiak. Neben einem gemeinsamen Mittagessen und dem Austausch mit Abgeordneten erwartete die 13-Jährige zusammen mit den anderen Girls‘-Day-Teilnehmerinnen ein Vortrag des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz mit Gesprächen bei der CDU/CSU-Fraktion. Ebenfalls auf dem Programm stand eine Diskussionsrunde mit den Frauen der Unionfraktion bei Dorothee Bär, der stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag.

Für einen Tag hat die Balver Schülerin Pia Errulat dem CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Ziemiak in Berlin über die Schulter schauen können.
Für einen Tag hat die Balver Schülerin Pia Errulat dem CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Ziemiak in Berlin über die Schulter schauen können. © Büro Ziemiak | at

„Mir hat der Tag sehr gefallen“, so Pia Errulat. „Der ganze Besuch war sehr beeindruckend. Am besten hat mir aber die persönliche Führung von Paul Ziemiak durch den Bundestag gefallen. Dass er sich so viel Zeit für Gespräche und eine persönliche Führung durch das Reichstaggebäude genommen hat, hat mich ganz besonders gefreut.“