Balve/Köln. Marktforscher sehen bei den Läden vor Ort gute Seiten, schlechte Seiten. Positiv ist: Die Kaufkraft liegt überm Schnitt.
Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein. Balves Bevölkerung empört sich gerade über die geplante Schließung der Post-Filiale im Raiffeisenmarkt an der Kormke, da lässt sich der Ratsausschuss USB in seiner kommenden Sitzung am Dienstag, 12. März, ein neues Einzelhandelskonzept vorstellen. Dahinter steckt das Unternehmen Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Köln. Tatsächlich spielt auch Post-Service in der Untersuchung des Einzelhandels im Kernort Balve eine wichtige Rolle.
In Balve muss die Post abgehen
Monika Kollmar zeichnet bei der GMA für die Studie verantwortlich. Sie leitet die GMA-Niederlassung in Köln. Auf Anfrage der Westfalenpost erklärt sie: „Eine Filiale der Deutschen Post/DHL wie auch von anderen Paketdienstleistern wie zum Beispiel Hermes, spielt mit Blick auf den lokalen Einzelhandel vor allem eine Rolle als Frequenzbringer für das Geschäft selbst, in dem sich ja oft eine solche Filiale befindet, wie auch für das Standortumfeld, das von dieser Frequenz profitieren kann.“
Guter Mix trumpft
Handelsfachfrau Kollmar weitet zudem den Blick. Ein guter Mix aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie sowie Einrichtungen wie Kultur- und Freizeitstätten sowie öffentliche Verwaltung sei „die wesentliche Grundlage für eine attraktive Innenstadt“. Eine Post-Niederlassung zählt sie ausdrücklich dazu.
Die GMA hat die Lage des Balver Einzelhandels 2023, nach zehnjähriger Pause, erneut grundsätzlich untersucht.
Überdurchschnittliche Kaufkraft
Wie sieht der Markt aus? Im vorigen Jahr lebten rund 11.400 Bürgerinnen und Bürger im Stadtgebiet, davon knapp mit 5100 knapp 45 Prozent im Kernort. Balves Kaufkraft liegt überm Schnitt auf Landes- und Kreisebene. Die GMA bezeichnet den Wert von 102,4 Prozent als „leicht überdurchschnittlich“. Der Einzelhandel im gesamten Stadtgebiet setzte im Vorjahr 45 Millionen Euro um. Der Anteil Balver Geschäfte am Gesamtumsatz war mit knapp 41 Millionen Euro überwältigend. In Garbeck werden knapp drei Millionen Euro umgesetzt. Der Rest verteilt sich auf die übrigen Ortsteile.
Angebote vor Ort
Wie beurteilt die GMA den Markt? Der Einzelhandel sei vor allem durch Angebote für den kurzfristigen Verbraucherbedarf geprägt. Damit sind vor allem Lebens- und Genussmittel gemeint. Beim mittelfristigen Bedarf – von Büchern und Schreibwaren über Bekleidung und Schuhen bis hin zu Sportartikeln – gebe es „deutliche Kaufkraftabflüsse“, vom langfristigen Bedarf wie Elektronik und Hausrat, Möbel und Gartengerät erst gar nicht zu sprechen.
Veränderungen binnen Zehn-Jahres-Frist
Welche Veränderungen hat die GMA binnen zehn Jahren in Balve beobachtet? Die Bilanz fällt gemischt aus. Die lokale Kaufkraft ist um 19 Prozent auf 78,6 Millionen Euro gestiegen. Der gesamte Umsatz vor Ort ist gar um 23 Prozent geklettert.
Doch der Blick auf die heimischen Geschäfte offenbart gute Seiten, schlechte Seiten.
Einerseits seht das Marktforschungsunternehmen den aus der Innenstadt zu Fuß erreichbaren Netto-Markt samt Grote-Bäckerei als Gewinn. Andererseits schnurrte die Gesamtzahl der Geschäfte um zwölf oder um 20 Prozent zusammen. Immerhin sei die durchschnittliche Ladengröße von rund 190 Quadratmeter auf rund 260 Quadratmeter gestiegen, heißt es.
Welche Empfehlungen gibt die GMA? Während die Fachleute Balve mit Blick auf preisgünstige, per Auto erreichbare Discounter eine gute Versorgungslage bescheinigen, sehen sie in der Kategorie Supermarkt Verbesserungspotenzial. Ansiedlung eines zusätzlichen Ladens sei ratsam – oder Ausbau samt Modernisierung des bestehenden Rewe-Marktes an der Einkaufsmeile Hönnetalstraße. Die Versorgungssituation in Balve sei „leicht unterdurchschnittlich“.
Online-Konkurrenz
Bei Empfehlungen für die Deckung mittel- und langfristiger Bedarfe ist die GMA vorsichtig. Dafür nennt sie Gründe. Balve ist Auspendlerstadt. Täglich pendeln rund 1500 Beschäftigte ein, aber mehr als 3400 aus. Sie kaufen zumindest Lebensmittel im Umfeld ihres Arbeitsplatzes ein. Zudem sieht die GMA auch künftig einen wachsenden Online-Markt. Er erhöht den Druck auf Läden vor Ort.
4 Tipps
Welche städtebaulichen Ratschläge hat die GMA? Politik und Verwaltung sollten demnach die wohnortsnahe Versorgung der Innenstadt sichern und möglichst ausbauen, flächensparend bauen und zusätzlichen Verkehr vermeiden. Obendrein wirbt die GMA für ein stärkeres „Einkaufserlebnis“ in der Stadt. Das führe zu „Verbundkäufen“ und sorge, mehr noch, für „zusätzliche Belebung“ der Innenstadt.