Balve. Das Unternehmen HLH Biopharma wächst. Fachkräfte sind nötig. Um sie nach Balve zu locken, hat sich die Chefin eine Menge ausgedacht.

Das Balver Unternehmen HLH hat eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Der Biopharma-Hersteller setzt vom 1. November an auf die Vier-Tage-Woche. Das neue System wird zwölf Monate getestet. Das sagte Geschäftsführerin Sandra Lüngen im Gespräch mit der Westfalenpost.

Wie lange hat der Vorlauf gedauert?

Sandra Lüngen: Die Vorarbeit war gewaltig. Allein die Arbeit, die ich darein gesteckt habe, hat ein Dreivierteljahr gedauert. Es wird eine spannende Geschichte. Die Gleitzeit haben wir schon lange. Das System haben wir vor drei Jahren eingeführt. Ich sehe immer zu, dass wir attraktiv für die Mitarbeiter bleiben.

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Wie hat das die Corona-Zeit mit dem Unternehmen gemacht?

Wir haben die Arbeitsplätze so umgestellt, dass jeder komplett aus dem Home-Office heraus arbeiten konnte. Das bieten wir auch weiterhin an. Ich stehe da voll hinter. Unser Vertriebsleiter, beispielsweise, hat privaten Kontakt nach Oslo, und er arbeitet immer wieder von Oslo aus. Das ist in Zeiten von Laptops und (dem Video-Programm) Teams eine wunderbare Sache.

Vor vier Jahren hat das Unternehmen sein 25-Jähriges gefeiert. Damals hatte die Firma 24 Mitarbeiter. Wie viele hat sie jetzt?

27! Wenn man überlegt: Als ich angefangen habe, das war 2014, waren wir zehn.

Das Angebot des Unternehmens mit Produkten rund um die Darmgesundheit bewegt sich zwischen Nahrungsergänzungsmittel und medizinischer Unterstützung. Kann es, dass das in Zeiten von Corona ein Wachstumsmarkt ist?

Als Corona anfing, hätte ich gern 20 Mitarbeiter mehr einstellen können. Die Kunden haben uns die Bude eingerannt. Das hat sich ein bisschen eingependelt. Aber ja, wir haben seit Corona ein starkes Wachstum.

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Steigert die alternde Gesellschaft die Nachfrage nach den Produkten?

Nein, das würde ich nicht sagen. Die Nachfrage nach unseren Produkten wird gesteigert durch unseren Lebensstil, weil immer mehr Leute Darmprobleme haben. Probleme gibt’s durch Stress, durch schlechte Ernährung, durch Zusatzstoffe. Was sich auch verändert hat: Früher gab es nur die Schulmedizin. Heutzutage kann man Schulmedizin mit Naturheilkunde gut miteinander verknüpfen. Man muss nur mal über den Tellerrand hinausschauen. Wir klären kostenlos auf. Dabei geht es nicht nur um unsere Produkte.

Apotheker Christian Bathe von der Apotheke am Drostenplatz
Apotheker Christian Bathe von der Apotheke am Drostenplatz © WP | Antonia Mertens

Das Unternehmen hat einen großen Online-Shop. Wie wichtig ist der Markt?

Der wird immer wichtiger. Wir haben in Deutschland ein Apotheken-Sterben: leider, leider. Aber jeder hat heutzutage einen Internetzugang. Bequemer kann man’s ja nicht haben. Es ist ein bisschen schade für die Apotheken. Die beraten ja auch sehr viel. In unserem Online-Shop verkaufen wir deshalb nur zum UVP (unverbindliche Preisempfehlung, Red.). Wir wollen nicht zu den Apotheken in Konkurrenz treten.

Die Produkte werden im Haus entwickelt.

Wir haben eine große medizinisch-wissenschaftliche Abteilung. Das sind fünf Mann. Das ist für unsere Personalstärke schon sehr viel. Wir stellen die Rezepturen selbst her, wir beobachten den Markt. Was gibt es für neue Studien? Was geben Sie für den Markt her? Wir lassen die Produkte aber in Europa fertigen. Dafür ist der Standort in Balve nicht ausgelegt. Dafür braucht man Reinräume. Das wäre dann ein riesengroßes Unternehmen...

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Fünf Leute sind im Forschungsbereich. Welche Bereiche gibt es noch?

Wir haben eine Einkaufsabteilung, einen Vertrieb, dann haben wir die Auftragsabwicklung, den Export, die Buchhaltung und die Produktabteilung – wir konfektionieren hier. Das ist mir ganz wichtig.

Home-Office (Symbolfoto)
Home-Office (Symbolfoto) © Unbekannt | WP

Alle, die nicht konfektionieren, können Home-Office machen.

Genau. Und das wird auch sehr gern angenommen. Ich gebe alle drei Wochen ein kurzes Update der Firma, das dauert 15 Minuten Maximum. Vorher gibt es ein Abteilungsgespräch, Auge in Auge, wenn nicht gerade Corona grassiert. Danach setze ich mich vor die Kamera, alle sind dabei, und sind auch alle auf dem gleichen Stand. Ich bin immer ansprechbar. Wir haben hier eine sehr flache Hierarchie. Mir geht es immer um die Frage: Wie kann ich die Arbeit noch spannender machen, damit die Leute auch bleiben.

Vier-Tage-Woche bedeutet: Die Arbeit bleibt gleich.

Eine klassische Arbeitszeitverkürzung kann ich hier nicht machen. Jeder, der hier arbeitet, Voll- oder Teilzeit, kann in vier Tagen das machen, was er oder sie sonst in fünf Tagen gemacht. Wir haben das ein bisschen verteilt. Die machen freitags frei, die anderen montags. Ich musste nicht vorgeben, wer wann – das haben die Mitarbeiter alles untereinander geklärt. Das hat super funktioniert. Als wir das mit der Vier-Tage-Woche bekannt gegeben haben, haben die Mitarbeiter Freudentänze aufgeführt.