Balve. Der Wirbel um Artenschutz gegen Hochwasserschutz im Hönnetal geht weiter. So äußerte sich UWG-Ratsherr Heinrich Stüeken in Balves Rat.

Alle Augen warteten auf einen. Die Ratsmitglieder fieberten am Mittwoch dem Auftritt von UWG-Ratsherr Heinrich Stüeken entgegen. Zuvor hatte der UWG-Ratsherr beim Hochwasserschutz schwere Vorwürfe gegen Bürgermeister Hubertus Mühling und die Stadtverwaltung erhoben. Der Verwaltungschef indes sprach von Falschbehauptungen. Er verlangte eine öffentliche Entschuldigung. Am Mittwoch, 17.29 Uhr, setzte Stüeken zu einer fast 13-minütigen Erklärung an: „Es muss mir auch mal Gerechtigkeit widerfahren.“ Tags drauf gab’s neue Erkenntnisse.

Die Vorgeschichte

Stüeken hatte im Ausschuss USB Alarm geschlagen. Zwei Tierarten seien in der Hönne gefunden worden, die bauliche Maßnahmen in der Hönne in Frage stellen würden: Edelkrebs und Kleine Quellschnecke. Sie zählen zu den bedrohten Tierarten mit hohem Schutz-Status. Stüeken meinte, das ganze Einzugsgebiet der Hönne sei „wahrscheinlich Verbreitungsgebiet“ des Edelkrebses. Da, wo die Kleine Quellschnecke entdeckt worden sei, sei „sofort Biotop-Schutz erlassen worden“.

+++ HOCHWASSERSCHUTZ/ARTENSCHUTZ: STÜEKEN HAT SICH „VERTAN“ +++

Mehr noch: Die Stadt habe bei der Renaturierung der Hönne an der Kormke auf eine artenschutzrechtliche Prüfung verzichtet. Stüeken forderte die Verwaltung auf, künftig „jede Baggerschaufel aus den Bächen herauszuhalten“.

Der Bürgermeister

Stüekens Behauptungen sorgten für Wirbel. Mühling teilte der WP mit: „Zum Thema Quellschnecke hat sich UWG-Ratsherr Stüeken bei mir gemeldet und mir mitgeteilt, dass er sich bei seinen Aussagen zum Vorkommen der Quellschnecke in der Hönne ,vertan’ hätte. Ich habe ihn aufgefordert, diese falsche Aussage öffentlich und in geeigneter Form zu revidieren.“ Mühling wies zudem Stüekens Vorwurf zurück, die Verwaltung habe den Artenschutz nicht beachtet: „Zum Thema Artenschutzprüfung sage ich hier nochmals, dass die Stadt nach den Vorgaben der Genehmigungsbehörden die notwendigen Artenschutzprüfungen im Zuge der Hönne-Renaturierungsarbeiten durchführen lassen hat.“

Die Erklärung

Nach vier Minuten Redezeit kam Stüeken zur Sache: „Die Kleine Quellschnecke ist hier nicht feststellbar.“ Es folgte eine Erklärung, wie er zu seiner Falschbehauptung kam. Stüeken brachte eine falsche Bestimmung des Fangs durch den Sunderaner Wassertier-Experten Klaus Korn ins Spiel. Eine Entschuldigung erfolgte nicht.

Stüeken äußerte sich zudem zu den Edelkrebs-Funden. Er sei vom Naturschutzzentrum Märkischer Kreis angesprochen worden. Das Naturschutzzentrum wird vom Umwelt-Verband Nabu getragen. Der Nabu und Fischereiverband unterstützen das Edelkrebs-Projekt NRW. Da geht es um Bestandserfassung und Wiederansiedlung der bedrohten Tierart. Als Stüeken von zwei lebenden Fängen unterhalb von Volkringhausen erfuhr, habe er gesagt: „Das kann doch nicht wahr sein.“

+++ ZWEI MILLIONEN FÜR HOCHWASSERSCHUTZ IN BALVE +++

Stüeken nahm überdies Stellung zur Artenschutzprüfung. Seinen Vorwurf, die Stadt Balve habe Fehler gemacht, relativierte er. „Die Artenschutzprüfung ist erfolgt“, sagte Stüeken, „da hat der Bürgermeister recht, nur nicht vollständig. Man hat die Tiere, die im Wasser leben, einfach ausgelassen. Ich habe im Umweltausschuss einen Antrag gestellt, dass man diese Viecher mitberücksichtigen soll.“ Das habe der Umweltausschuss „abgelehnt“.

+++ HOCHWASSERSCHUTZ: MENDEN VS BALVE +++

Für Stüeken hat Artenschutz erklärtermaßen Vorrang vor Hochwasserschutz. Der Edelkrebs müsse geschützt werden. Zu den Renaturierungsmaßnahmen sagte der Ratsherr: „Das können wir so nicht machen.“ Zum Ende seiner Mitteilung stellte Stüeken gar einen Antrag. Die Stadt solle bei der Landesumweltbehörde Lanuv nachfragen: „Sollen wir eine Artenschutzprüfung machen: ja oder nein?“

Die Zucht

Stüeken legte bei seiner Darstellung der Edelkrebs-Funde die Vermutung nahe, die Tiere seien auf natürlichem Weg in die Hönne gekommen. Forellenzüchter Tobias Gerken präsentierte der Westfalenpost eine andere Version. Demnach gibt es in der Amecke einen Teich, in dem Edelkrebse zur Zucht ausgesetzt worden sind: „Ich habe diese Krebse eingesetzt, mit dem Papa. Das war vor über 35 Jahren. Der Teich hat meinem Patenonkel Paul Stüeken gehört. Aber der Paul hat das Gelände in der Zwischenzeit verkauft.“ Fürs Vorkommen des Edelkrebses in der Hönne hat Gerken eine Erklärung: „Er kann bei dem Jahrhundert-Hochwasser vor zwei Jahre aus der Amecke abgespült worden sein.“ UWG-Fraktionschef Lorenz Schnadt kennt die Geschichte. Es sagte, er habe Stüeken vor der Ratssitzung informiert.

REAKTIONEN

Nach der Ratssitzung herrschte Ratlosigkeit: sichtbar. Während Heinrich Stüeken sein Auto vor dem Rathaus bestieg, stand die übrige UWG-Fraktion vor dem Rathaus: kopfschüttelnd. Fraktionschef Lorenz Schnadt hat sich in einen einwöchigen Urlaub verabschiedet.

Die CDU-Fraktion will abwarten, ob es eine Lösung der komplizierten Situation möglich ist. Fraktionschef Alexander Schulte hofft, dass Bürgermeister, Stüeken und dessen UWG-Fraktion die Sache klären.

Die SPD hielt sich zurück.