Balve/Iserlohn. Kreislandwirt Ulrich Brinckmann aus Iserlohn ist Pragmatiker. Aber die jüngste Penny-Kampagne für angeblich wahre Preise macht ihn wütend. Warum?

Kreislandwirt Ulrich Brinckmann sieht mit Sorge auf die Entwicklung seiner Branche. Sommerliche Regengüsse trüben die Erntebilanz, wie er im Gespräch mit der Westfalenpost auf seinem Hof in Kalthof bei Iserlohn sagte. Sie sorgen demnach für Extrakosten für Trocknung von Feldfrüchten wie Getreide und Raps. Zudem leidet die Qualität bei zu hohem Feuchtigkeitsgehalt der Ernte. Dennoch sieht Brinckmann für seine Branche in Zeiten des Klimawandels Hoffnungsschimmer.

Kreislandwirt Ulrich Brinckmann zeigt Roggen aus der aktuellen Ernte.
Kreislandwirt Ulrich Brinckmann zeigt Roggen aus der aktuellen Ernte. © WP | jürgen overkott

Das Wetter in diesem Jahr bewertet Brinckmann mit einem Wort als „schlecht“. Beim Reifen der Saat im Frühjahr fehlten Niederschläge. Regen in der Erntezeit senkt die Qualität. Mit der Ernte zu warten gilt in der Branche als Wette: Erfolg ungewiss. Landwirte zockten beim Weizen. Er stand länger als gewohnt auf dem Feld. Die Geduld zahlte sich für viele, nicht für alle Bauern aus. Der August fing super nass an. Seit der Monatsmitte indes ist’s bisher weitgehend trocken.

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Wie hochwertig das Getreide sei, hänge oft am Standort ab, sagt Brinckmann. Die Qualitätsschwankungen bei Gerste, Roggen und Weizen seien groß. Bei zu hoher Feuchtigkeit keimt die Ernte. Brotgetreide wird in diesem Fall zu Futtergetreide. Damit geht ein Preisabschlag einher.

Viel Heu

Clemens Gödde ist Balves Ortslandwirt. Seine Erntebilanz ist durchwachsen.
Clemens Gödde ist Balves Ortslandwirt. Seine Erntebilanz ist durchwachsen. © WP | Peter Müller

Dennoch ging die Ernte für Brinckmann auch mit überraschenden Erkenntnissen einher: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Gerste so gut ist, der Roggen ist auch nicht schlecht, der Raps auch nicht. Ich weiß nur nicht, wo’s herkommt.“

Wo die gute Heuernte herkommt: Das weiß Brinckmann sehr genau. In den nassen Wochen dieses Jahres spross Gras optimal. Die horrenden Preise für zugekaufte Silage in Dürrejahren sind Geschichte: vorerst.

Es gibt weitere Profiteure des teilweise viel zu nassen Jahres. Selten stand der Mais so gut wie dieser Tage. Doch Brinckmann ist vorsichtig: „Das reicht für Durchschnitt oder guten Durchschnitt.“

Die natürlichen Voraussetzungen in der Region sind ordentlich. „Wir haben hier ganz gute Böden. Qualitätsmäßig liegen wir im Mittelfeld.“ Brinckmann bezieht in seine Aussage nicht nur das Ruhrtal bei Iserlohn ein, sondern auch das Hönnetal von Balve bis Neuenrade: „Das ist auch nicht schlecht da oben. Da gibt es eine gute Bodenauflage, und dort gibt es Schieferverwitterungsgestein.“ Schiefer bringt Mineralien. Gestein unterm Acker sorgt für Drainage.

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Doch Landwirtschaft ist mehr als gute Böden, gutes Saatgut und gutes Wetter. Höfe brauchen Energie, und Energie ist teuer geworden. Brinckmann hat buchstäblich vorgebaut: „Ich habe die Möglichkeit, viel Energie selbst zu erzeugen. Wir haben schon seit 13 Jahren eine Photovoltaikanlage auf den Dächern. Das passt super, weil wir da drunter Ventilatoren haben, die ständig laufen. Wenn ich das spitz ausrechne, brauche ich nur das Heizöl.“ Heizöl braucht die Trocknungsanlage. Brinckmann rechnet mit einem Verbrauch von 1800 Litern.

Dünger billiger

Affelner Kinder bei der Auftaktveranstaltung der PR-Aktion „ Speed-Date mit der Landwirtschaft im Hönnetal
Affelner Kinder bei der Auftaktveranstaltung der PR-Aktion „ Speed-Date mit der Landwirtschaft im Hönnetal © WP | Sven Paul

Entspannung gibt es allerdings bei den Düngemittelpreisen. Mit Kriegsbeginn in der Ukraine waren die Tarife in die Höhe geschossen. Inzwischen werden wieder Preise wie vor dem russischen Überfall aufs südliche Nachbarland aufgerufen. 300 Euro pro Tonne waren damals normal. Dünger-Schnäppchen seien zuweilen sogar für 200 Euro die Tonne zu haben, weiß Brinckmann. Was ihm in der Spekulationsphase zu gute kam, war seine Erfahrung. Der Iserlohner lässt sich erklärtermaßen nicht kirre machen: „Ich muss beim Kauf nicht immer der Erste sein.“

Harte Kritik an Penny

Brinckmann ist aber auch Verkäufer. Auf der Gegenseite sitzen Lebensmittelbranche und Supermarktketten. Der Kreislandwirt erlebt den Preiskampf als gnadenlos, zuweilen gar als unfair. Die jüngste PR-Kampagne der Rewe-Tochter Penny zählt er dazu. Er bezeichnet sie als „Scheiße“. Worum ging es?

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Penny hatte eine Weile für neun ausgewählte den „wahren Preis“ genommen. Der Preis sollte neben Produktion, Verarbeitung und Vertrieb von Lebensmitteln auch deren Umweltkosten berücksichtigen. „Diesen Preis würde Penny uns nie geben. Denn das ist ein Discounter.“ Billigheimer stehen in der Zeiten von Inflation unter besonderem Preisdruck: „Für den Verbraucher müssen sie günstig bleiben. Wenn von irgendetwas zu viel da ist, egal von Milch oder Brokkoli, dann ist der Preis günstig.“ Das Geschäft sei beinhart: „Wenn ein Discounter einen schlechten Tag hatte und von bestimmten Produkten zu wenig verkauft hat, schickt er den Erzeuger wieder zurück.“

Unfair findet Brinckmann auch die Auswahl der Produkte der Penny-Kampagne: Milch, Käse, Fleisch seien dabei gewesen. „Sie hätten ja auch andere Sachen nehmen können: Weintrauben oder Avocados, Bananen oder Ananas. Das holen wir doch alles ‘ran.“

Sonnenblume steht für Hoffnung

Diese Penny-Kampagne macht Ulrich Brinckmann wütend: Produkte deren Preis mit den verdeckte Kosten angepasst wurden, liegen an der Kasse. Der Discounter Penny will Anfang kommenden Jahres über den Ausgang seiner vielbeachteten
Diese Penny-Kampagne macht Ulrich Brinckmann wütend: Produkte deren Preis mit den verdeckte Kosten angepasst wurden, liegen an der Kasse. Der Discounter Penny will Anfang kommenden Jahres über den Ausgang seiner vielbeachteten "Wahre-Kosten-Aktion" informieren. © dpa | Oliver Berg

Regionale Vermarktung ist nach Brinckmanns Ansicht nur bedingt eine Antwort auf die Konzentration der Supermarkt-Branche. Es sei schwer reinzukommen, meint der Kreislandwirt. Er selbst hat offenbar einen günstigen Zeitpunkt erwischt. „Wir versuchen das – wir haben das eigentlich immer gemacht“, sagt der Bauer, der nicht nur Feld und Wiese beackert, sondern auch 150 Schweine im Stall stehen hat. „Alle Tiere, die ich hier vom Hof geholt habe, sind zu Jedowski nach Balve gegangen.“

Als Ausweg aus einengenden Marktmechanismen sieht Brinckmann mehr Zusammenarbeit von Höfen: „Wir haben hier einen Juniorpartner drin. Wir haben zwei Betriebe zusammengeschmissen. Er ist Agraringenieur.“ Hat Brinckmann eine Idee, wie er dem Klimawandel begegnen kann?

Seine Antwort ist bereits auf dem Weg zum Hof zu sehen: ein Sonnenblumenfeld. Früher war es für die Ölfrucht in Westfalen zu kalt. Das hat sich inzwischen geändert.