Balve/Saerbeck. Prima Klima in Saerbeck: Die Gemeinde gilt als Klimakommune. Balver pilgerten deshalb ins Münsterland. Lässt sich das Vorbild übertragen?

Aus der Luft betrachtet ist Saerbeck unspektakulär: ein Klecks in der Landschaft, ein „charmantes Dorf im Münsterland“, wie es auf der Homepage der Gemeinde heißt. Tatsächlich aber ist Saerbeck ein Kunststück gelungen. Die „Klimakommune“ (Eigenwerbung) hat die Energiewende längst vollzogen. Sie gilt landesweit als Modellprojekt. Kein Wunder, dass der Verein Hönnetal im Wandel gemeinsam mit der Dorfenergiegenossenschaft Mellen zur Vorzeige-Gemeinde pilgerte.

„Wir in Saerbeck sind Vorreiter der lokalen Energiewende. Nachhaltigkeit und Klimaschutz bestimmen unser Leitbild. Wir haben uns 2009 auf den Weg gemacht mit dem Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein und haben schon viel erreicht. Wir erzeugen mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, als im Ort verbraucht wird. Die Klimakommune Saerbeck ist zertifizierter Bildungsstandort für Nachhaltigkeit und Teil des internationalen Netzwerkes der Climate Smart Municipalities. Saerbeck versteht sich als Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien und empfängt Gäste aus aller Welt. Unsere nächsten Ziele, die wir zuversichtlich angehen, sind die Verkehrs- und Wärmewende“, heißt es selbstbewusst auf Saerbecks Homepage.

Im Saerbecker Bioenergiepark wird aus Sonne, Wind und Biomasse grüner Strom erzeugt – und zwar die doppelte Menge des Strombedarfs in der Gemeinde. Alles zusammengerechnet, heißt es, ergebe eine Quote von rund 400 Prozent. Was steht hinter dem Erfolg?

+++ HÖNNETAL IM WANDEL: SAUBERE LANDSCHAFT OHNE KIPPEN +++

„Klimaschutz wächst von unten, ist auf der kommunalen Ebene gut verortet und nur mit einem starken Rückhalt in der Bürgerschaft zu verwirklichen“, heißt es weiter. Der Bürgermeister der Gemeinde, Dr. Tobias Lehberg, ist parteilos.

Siggi Drees ist Vorsitzende der CDU Mellen und zugleich bei der Dorfenergiegenossenschaft engagiert. Sie hat gesehen, dass Saerbeck aus einem vermeintlichen Standort-Nachteil einen Vorteil gemacht hat. Ein Bundeswehr-Gelände zur Lagerung von Munition aus dem Osten sei kurzerhand in ein Gelände zur Gewinnung von Bio-Energie verwandelt. Die Bunker seien mit reichlich Schrägdach perfekt für Solaranlagen. Auf dem übrigen Grund seien Windräder gebaut worden. Die Gemeinde habe als Ausgleichsmaßnahme lediglich einen Bundeswehr-Übungsplatz aufgeforstet. Es habe keine planungsrechtlichen Hindernisse gegeben.

+++ DORFENERGIEGENOSSENSCHAFT MELLEN: VOM ERFOLG ÜBERROLLT +++

Sabine Biehs-Romann von Hönnetal im Wandel hat gestaunt: „Das ist irre, was die da alles machen.“ Sechs großen Windkraftanlagen haben sie beeindruckt. Aber nicht nur das: Saerbecks Bürgermeister habe nicht nur die Dachflächen des ehemaligen Munitionsdepots für Solarpaneele genutzt, sondern auch in der Bürgerschaft für Fotovoltaikanlagen geworben. Es sei möglich, Sonnenstrom selbst zu nutzen oder aber zumindest Dachfläche für Paneele anderer Eigentümer bereitzustellen. Außerdem gebe es in Saerbeck ein Blockheizkraftwerk zur Wärmeversorgung etlicher öffentlicher Gebäude in der Gemeinde, darunter Schulen, Kita, Sporthallen sowie Pfarrheim und Kirche. Damit nicht genug: Es gebe auch eine Biogasanlage und eine Anlage für Bio-Kompost.

+++ DORFENERGIEGENOSSENSCHAFT MELLEN - DIESE VORTEILE WINKEN +++

„Vergleichbar mit unserer Situation ist es nicht“, stellt Siggi Drees fest. „Aber als wir uns das erste Mal zusammengesetzt haben, um unser Projekt zu planen, hat ein Vertreter von Saerbeck lange bei uns am Tisch gegessen. Wir haben von unseren Problemen erzählt, und er hat gesagt: Wisst Ihr was? Ihr müsst einfach nur anfangen.“

DIE LAGE IN BALVE

Balve arbeitet seit geraumer Zeit am Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie – per Photovoltaik, Windrad und Biogasanlage. Der Energiemonitor werde gemeinsam mit dem Unternehmen Westenergie eingerichtet. „Wir können künftig im Internet in Echtzeit sehen, wie viel Strom in Balve konkret verbraucht wird, und der Monitor zeigt auch an, wie viel regenerative Energie in diesem Moment in Balve erzeugt wird“, setzte Mühling hinzu. Die Bürgerschaft könne im Netz (balve.de) Echtzeitdaten abrufen – gestaffelt nach Tagen, Wochen oder Monaten.

+++ HÖNNETAL IM WANDEL KÄMPFT FÜR BIENE MAJA & CO. +++

Mühling nannte konkrete Zahlen für den Jahresstromverbrauch in Balve für 2020. Demnach wurden rund 43,46 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht. Davon seien 24,29 Kilowattstunden Strom regenerativ erzeugt. Das seien 56 Prozent. Diese Zahl könne sich kreisweit „sehr sehen lassen“.