Balve/Menden. Moderne Berufsberatung ist so bunt wie das Internet. Mendens Arbeitsagentur testet ein Projekt an Balves Realschule. Wie kommt’s an?

Zwölf mittags, und das an einem Freitag, doch von meditativer Wochenend-Stimmung ist in der Aula der Realschule Balve nichts zu spüren. Stattdessen herrscht fröhliches Gewimmel. Selten, so scheint es, hat Berufsberatung so viel Spaß gemacht wie diesmal. Tatsächlich hat die Agentur Mark die Corona-Krise als Chance genutzt und ein zeitgemäßes Konzept entwickelt. „Shopp Dein’ Job“, so lautet der Titel, richtet sich in Balve an Acht- und Neuntklässler. Fördergelder von der Europäischen Union, vom Land Nordrhein-Westfalen, dem Märkischen Kreis und der Agentur Mark machten’s möglich.

Rickmeiers Ausbildungsleiter Ralf Blumenkamp (links) mit Azubi Michael Bresinski. Der angehende Zerspanungsmechaniker mag praktische, handfeste Arbeiten.
Rickmeiers Ausbildungsleiter Ralf Blumenkamp (links) mit Azubi Michael Bresinski. Der angehende Zerspanungsmechaniker mag praktische, handfeste Arbeiten. © WP | jürgen overkott

„Shopp Dein’ Job“ holt die Kinder da ab, wo sie sich in ihrer Freizeit gern aufhalten: in der kunterbunten Welt von Internet und sozialen Netzwerken. Ihr Leben wird bestimmt von WhatsApp und TikTok, und Facebook.

Die neue Form der Berufsberatung ist aufgebaut wie eine Fernsehshow. Es gibt einen sechsteiligen Parcours. Er beginnt, wie es viele Kinder vom Einkauf bei Ikea kennen, mit einem Bällebad. Dort können sie sich spielerisch darüber klar werden, wo ihre Interessen, ihre Stärken liegen. Weitere shop-ähnliche gestaltete Stationen bringen die Acht- und Neuntklässler über Berufsfelder und Ausbildungsberufen zu potenziellen Lehrbetrieben. Das Ganze wird garniert mit Videos, die per VR-Brille angesehen werden können. Natürlich geht inzwischen bei moderner Wissensvermittlung kaum noch etwas QR-Codes, die zu vertiefenden Inhalten führen. Denn: Nahezu jedes teilnehmende Kind hat ein Smartphone.

Zeit für Gespräche

Wo bleibt das gute, alte Gespräch? Es ist immer noch nötig. Dazu sind Fachfrauen vor Ort.

Sandra Friedrich ist Berufsberaterin der Agentur für Arbeit in Menden. Sie steht mit der Realschule in ständigem Kontakt, seit Jahren schon. „Einmal in der Woche besuche ich die Schule“, erzählt die Fachfrau. „Aber heute bin ich nur Stafette“, fügte sie lachend hinzu, „das machen alles die Damen.“

+++ BÜLTMANN WILL ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT +++

Lehrer Olaf Weber im Unterricht. VR-Brillen machen Berufsberatung multimedial (Archivbild von Dezember 2022)
Lehrer Olaf Weber im Unterricht. VR-Brillen machen Berufsberatung multimedial (Archivbild von Dezember 2022) © WP | Sven Paul

Wie Mareike Dannheim. Sie ist schon durch den Schriftzug auf dem Rücken ihres T-Shirts als Teamerin erkennbar. „Ansonsten“, sagt sie, „stecken noch viele andere dahinter.“

Etwa von Seiten der Realschule. Lehrer Olaf Weber gilt als ausgewiesener Experte, ebenso seine Kollegin Alexandra Lanfermann. „Olaf Weber macht das seit vielen Jahren, ich bin seit zwei Jahren dabei“, berichtet Alexandra Lanfermann. Die Realschule hat sich einen der vorerst letzten Termine des Projekts gesichert. Die Finanzierung läuft am 31. März aus.

+++ KÜNSTLICHE INTELLIGENZ BEI RICKMEIER: SO LÄUFT’S +++

Der stellvertretende Schulleiter Thomas Münch hofft, dass das Modellprojekt weiterläuft. Das deutet auf positive Rückmeldungen aus dem Kollegium hin. Doch was sagen die Kinder?

Halime aus der 8c steht mit Freundinnen abseits vom Parcours. Sie haben alle Stationen durchlaufen. Videos per VR-Brille ansehen: Das hat erkennbar Eindruck gemacht. „Das war sehr schön“, sagt Halime, „es hat mir viel Spaß gemacht. Es wird nicht langweilig, es war bunt, und ich empfehle es auf jeden Fall weiter. Ich habe gesehen, wie die Jobs so eingeteilt sind, und für mich empfiehlt sich Soziales. Ich mag es, mit Leuten etwas zu unternehmen.“

+++ BERUFSBERATUNG IN REALSCHULE BALVE: DAS BRINGT VR-BRILLE +++

So sah Berufsberatung in der Realschule Balve vor neuen Jahren aus (von links): Schulleiterin Nina Fröhling, Beate Uhlig (Studien- und Berufsorientierung), Alexander Steinert, Bekleidungstechnikerin Heike Drilling, Lea Schary.
So sah Berufsberatung in der Realschule Balve vor neuen Jahren aus (von links): Schulleiterin Nina Fröhling, Beate Uhlig (Studien- und Berufsorientierung), Alexander Steinert, Bekleidungstechnikerin Heike Drilling, Lea Schary. © WP | Alexander Bange

Auch Unternehmen müssen etwas unternehmen, um dem drohenden Fachkräfte-Mangel etwas entgegenzusetzen. DieBabyboomer– Beschäftigte aus den geburtenstarken 50er und 60ern – sind gerade in den Ruhestand gegangen, oder sie stehen kurz davor. Das lässt sich für Balve sichtbar belegen. Der Mann, der die Bevölkerungsentwicklung ins Bild setzen kann, ist Michael Bathe. Der Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters ist zugleich Fachbereichsleiter für Soziales. Er hat die aktuellen Zahlen. Viel deutlicher indes ist die bildliche Darstellung. Die Bevölkerungsstruktur vor Ort gleicht keineswegs mehr einer Fichte mit breiter, junger Basis und einer dünnen Spitze hochbetagter Menschen. Vielmehr gleicht die Grafik inzwischen eher einem Lolli. Für die Wirtschaft ist das ein Problem. Wie sehen Lösungen aus?

Dreiwöchige Praktika

Das Garbecker Unternehmen Rickmeier pflegt seit langem schon den Kontakt zu Schulen, zur Grundschule vor Ort, aber auch zu den weiterführenden Schulen, von denen nach dem Aus derHauptschulenur noch die Realschule übrig geblieben ist. Ausbilder und Azubis gehen immer wieder in den Unterricht. Ab Montag ist es allerdings andersherum. Dann starten Achtklässler ihr dreiwöchiges Praktikum.

KLASSISCHE BERUFSBERATUNG

Die Verbindung von schulischem Lernen und beruflicher Orientierung ist der Realschule Balve wichtig. Das sagt Berufsberaterin Sandra Friedrich von der Agentur für Arbeit in Iserlohn: „Regelmäßig stehe ich, je nach persönlichem Beratungsbedarf, während der Schulzeit für Sprechzeiten sowie für ausführliche Beratungstermine nach vorheriger Absprache in den von mir betreuten Schulen zur Verfügung.

Weitere Beratungstermine, auch in den Ferienzeiten, biete ich nach Vereinbarung an. Neben der persönlichen Beratung in meinem Büro in der Agentur für Arbeit könnt Ihr sehr gerne auch das Angebot einer Telefon- oder Videoberatung wahrnehmen.“ So ist Sandra Friedrich erreichbar: Telefon +49-2371-905-273; .