Balve/Arnsberg. Prozess um eine Serie von Brandstiftungen in Balve: Ein 42-Jähriger musste sich vor dem Landgericht Arnsberg verantworten. Jetzt fiel das Urteil.
Zu einer einjährigen Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Drogenbesitzes und zu einer weiteren temporären Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung verurteilte die 4. Große Strafkammer des Landgerichts in Arnsberg am Mittwoch einen 42-jährigen Mann aus Balve. Gleich zu Anfang des viertägigen Prozesses hatte der Angeklagte bekanntlich gestanden, Cannabis in nicht unerheblicher Menge für den Eigenbedarf hergestellt zu haben (wir berichteten).
Da der Balver aber suchtkrank ist sowie bei dem angeklagten Delikt geständig und zur Tatzeit noch nicht vorbestraft war, ging das Gericht von einem „minder schweren Fall“ aus und verhängte deshalb die milde Strafe. Diese wurde allerdings nicht zur Bewährung ausgesetzt, da es aufgrund der bestehenden Drogensucht des Mannes „keine günstige Sozialprognose“ gibt. Er ist derzeit in der LWL-Maßregelvollzugsklinik in Rheine untergebracht.
Psychisch aus der Bahn geworfen
Vorsitzender Richter Petja Pagel erklärte nach der Urteilsverkündung: „Wir haben nicht den Eindruck gewonnen, dass sie ein schlechter Mensch sind.“ Und weiter: „Wir drücken ihnen die Daumen, dass sie wieder in die richtige Spur kommen.“ Denn erst die Trennung von seiner Ehefrau hatte den zuvor unbescholtenen Balver psychisch aus der Bahn geworfen und während der Coronavirus-Pandemie ins Drogenmilieu abdriften lassen.
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Im Drogenrausch hatte der Suchtkranke dann – nach Auffassung von Ermittlungsbehörden und Gericht – auch mehrere Brandstiftungen begangen. Wie Vorsitzender Richter Petja Pagel im Rahmen der Urteilsverkündung erklärte, habe das Gericht „nicht den geringsten Zweifel daran“, dass der Balver infolge von „drogeninduzierten Psychosen“ im „Liebeswahn“ für mehrere vorsätzlich gelegte Feuer im Raum Balve verantwortlich war. Damit habe er – völlig irrational – wohl zwei Frauen imponieren wollen, denen er den Hof machen wollte und denen er immer wieder so penetrant nachstellte, dass diese gerichtliche Annäherungsverbote gegen ihn erwirkten.
Trotz des Hangs des Beschuldigten zum „exzessiven Betäubungsmittelkonsum“ und den daraus folgenden „psychotischen Episoden“ und „erheblichen Straftaten“ sahen zum Gerichtsverfahren geladene Fachärzte keine dauerhafte psychiatrische Persönlichkeitsstörung bei dem Patienten, sondern lediglich eine Suchterkrankung, die bei entsprechendem Mittun des Betroffenen erfolgreich behandelt werden könne. +++ Lesen Sie auch: Brandstiftungsserie, Kreuz-Frevel geklärt: Balver gefasst +++
Ebenso wie Staatsanwalt Ümit Görgün sah das Gericht es als erwiesen an, dass der beschuldigte Balver der Brandstifter sei, wenngleich dieser die Begehung der Taten immer noch abstreitet. Die Gesamtschau der umfangreichen Ermittlungsergebnisse und die zahlreichen Indizien ließen aber nur diesen Schluss zu, waren sich die befragten Polizisten sowie Staatsanwaltschaft und Gericht weitgehend einig. Immer wieder sei der Mann zeitnah in räumlicher Umgebung der Brände angetroffen worden und habe auch durch sein anderes verdächtiges Verhalten den Fokus der ermittelnden Beamten auf seine Person gelenkt. Zudem habe man auch DNA-Spuren an einer Brandstätte gesichert und dem Beschuldigten zuordnen können. Die Geodaten des Mobiltelefons des Balvers habe man dagegen leider nicht auswerten können, da die 61-jährige Mutter des Beschuldigten dieses zerstört und entsorgt habe. Auffällig sei auch gewesen, dass die Serientaten in Balve immer dann abgerissen seien, wenn der Verdächtige in Polizeigewahrsam und in Untersuchungshaft saß oder sich in stationärer psychiatrischer Behandlung befand. Görgün meinte dazu ironisch: „An wie viele Zufälle wollen Sie glauben?“ Er bedauerte, „das jemand, der fast 40 Jahre gutbürgerlich unterwegs war, in diese Abgründe abgeglitten ist“.
Drogeninduzierte Psychosen
Der Staatsanwalt machte in seinem Schlussvortrag aber ebenfalls mit Blick auf den Balver deutlich: „Er ist nicht psychisch erkrankt. Er hat eine Suchtproblematik.“ Deshalb sei er nur wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldfähig, denn bei dem Anbau des Cannabis habe er zielgerichtet und planvoll gehandelt. Deshalb forderte Görgün dafür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung.
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Bei der Begehung der Brandstiftungen hingegen sei der Beschuldigte durch seine drogeninduzierten Psychosen nicht schuldfähig, wie Psychiater Dr. Thomas Schlömer in seinem Gutachten ausgeführt habe.
Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Ulrich Schorner sah dies genau so. Er hielt die Indizienkette für die Brandstiftungen allerdings teilweise für nicht schlüssig. Für das BTM-Delikt forderte er eine geringere Strafe von nur einem Jahr Freiheitsentzug für seinen Mandanten. Dieser Forderung kam das Gericht schließlich auch nach.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft will allerdings keine Rechtsmittel einlegen und auch Rechtsanwalt Ulrich Schorner hält das Urteil in der Sache generell für angemessen.