Balve. Der Kanal-Deal zwischen Balve und Ruhrverband spült Millionen in die Stadt-Kasse. Die Kommune bleibt flüssig. Und die Gebührenzahler?
Ob Duschen oder Zähneputzen: Wasser gehört schon am Morgen zum Alltag, wie selbstverständlich. Nicht selbstverständlich ist das Wissen um die Mengen, die durch den Abfluss rauschen. Für zwei Minuten Zahnpflege werden 34 Liter verbraucht, eine Dusche erfordert 50 Liter. Für ein Vollbad sind’s gar drei Mal mehr. Aber wohin fließt das Abwasser? Erst in die städtische Kanalisation, dann in die Kläranlagen des Ruhrverbandes: eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, die die Stadt jahrzehntelang teuer kam. Zum Jahreswechsel ist Schluss damit. Der Rat hat einem spektakulären Deal zugestimmt. Er überträgt das städtische Kanalnetz an den Ruhrverband in Essen. Warum?
+++ BALVES KANALISATION: BÜRGERMEISTER WIRBT BEI KOLPING FÜR ÜBERTRAGUNG +++
Der Ruhrverband ist ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband seiner Mitgliedskommunen. Den Charme der Übertragung erklärt Verbandssprecherin Britta Balt: „Der Ruhrverband verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen in der Abwasserbeseitigung und spezialisiertes Fachwissen in der gesamten Siedlungsentwässerung. Eine Kanalnetzübertragung schafft die Voraussetzung, Siedlungswasserwirtschaft aus einer Hand zu betreiben. Sie beseitigt Schnittstellen im Kanalsystem vor Ort und eröffnet die Möglichkeit, bestehende Kosteneinsparpotenziale zu heben.“ Gerade in Zeiten, in der Betreiber von Abwasseranlagen durch Gesetze, Verordnungen und technische Regelwerke fortlaufend mit neuen Anforderungen an Überwachung, Zustandserfassung und bauliche Sanierung von Kanalisationen konfrontiert seien, sei das abwassertechnische Know-how von Vorteil.
Weiter Teil der Daseinsfürsorge
Welche gesetzliche Voraussetzung macht’s möglich? Balt: „Möglich wurde diese Aufgabenübertragung durch eine Änderung des Landeswassergesetzes im Jahr 2016. Seitdem haben mehrere Kommunen innerhalb des Ruhrverbandsgebietes von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.“ Das Netz bleibe Teil öffentlicher Daseinsvorsorge.
+++ BALVES KANALNETZ: LETZTE KLÄRUNG VOR RATSSITZUNG +++
Was bleibt der Stadt? „Die Satzungs-, die Gebühren- und die Planungshoheit verbleiben nach erfolgter Aufgabenübertragung weiter in kommunaler Verantwortung“, betont Balt.
Was bedeutet die Übertragung für die Bürgerschaft? Balt: „Für die Bürgerinnen und Bürger gibt es keine spürbaren Veränderungen. Mit der Gebührenhoheit verbleibt auch die Ausstellung der Gebührenbescheide nach wie vor bei der Kommune. Fragen zum Gebührenbescheid werden daher weiterhin von ihr beantwortet.“ Durch die Netzübertragung bedingte Gebührensteigerungen seien ausgeschlossen.
+++ BALVES BETRIEBSAUSSCHUSS: SO SEHEN DIE NEUEN WASSERGEBÜHREN AUS +++
Was verändert sich für die Stadt? Das erläutert Bürgermeister Hubertus Mühling. Balve verfügt über 95 Kilometer Kanalisation – seit Ende des 19. Jahrhunderts. Fast alle Haushalte sind angeschlossen. Vor allem Stahlbetonrohre werden verbaut, vereinzelt Kunststoffrohre, selten glasfaserverstärkte Rohre. Die Stadtwerke nehmen 1,5 Millionen Euro Schmutzwassergebühr ein, dazu 840.000 Euro Regenwassergebühr. Die Einnahmen fließen in den Ruhrverbandsbeitrag für den Betrieb der Kläranlagen. Dazu fallen Personal- und Sachkosten sowie Kosten für Unterhaltung des Kanalnetzes an. Ferner investieren die Stadtwerke jährlich 400.000 Euro in Instandhaltung oder Erneuerung des Netzes. Mühling: „Diese Aufgaben soll der Ruhrverband ab dem 1. Januar 2023 übernehmen. Hierfür bekommen wir eine einmalige Zahlung, deren Höhe noch nicht genau ermittelt wurde.“ Die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag. Einige Kosten bleiben den Stadtwerken dennoch. Sie zahlen dem Ruhrverband einen Beitrag für die Unterhaltung des Netzes – im Vergleich zu bisherigen Aufwendungen ein Taschengeld.