Balve.
Kann man über einen kurzen Weg eine lange Geschichte erzählen? Rudolf Rath, ehrenamtlicher Pfarrarchivar von St. Blasius Balve, kann es.
In deär Queyte: ein nur 150 Meter langer Weg, in den man, von der Garbecker Straße in westliche Richtung fahrend, rechts einbiegt. Rechts und links einige Wohnhäuser. Wer das Bauernhaus erreicht hat, ist am Ende des Weges.
Rudolf Rath: „Wollte man früher zu Fuß zur höher gelegenen Straße An der Kormke, dann nutzte man eine schmale Brücke mit Eisengeländer. Heute dagegen führt ein kurzer, aber steiler Pfad zum Brückenbauwerk übers Flussbett der Hönne. Eine beliebte Abkürzung für Schüler und Sportler auf dem Weg zum Krumpaul. Im Hintergrund damals wie heute die Firma Pickhardt & Gerlach.
Doch am historischen Bauernhaus führt kein Weg vorbei. Und so fällt auch eine Inschrift unterhalb des Giebels der Fachwerkfrontseite ins Auge: Caspar und Anna-Maria Schweitzer 1866 A.D. 1980 Franz und Regina Schweitzer. Auf der gegenüber liegenden Seite sah ich häufig den Bauern Franz Schweitzer am Schuppen oder auf dem Lagerplatz beim Gebrauch seiner Maschinen und Geräte. Heute stehen dort zwei neuere Wohnhäuser. Gab es auf dem früheren Bauernhof, heute Wohnhaus, nicht auch einen Hofhund? In meiner Erinnerung glaube ich noch heute, beim Vorüberfahren war ein heftiges Bellen zu hören – Hund verfolgt Fahrrad. Schon dieser Wächter sorgte sicher dafür, dass sein Weg nicht zu häufig genutzt wurde.“
Ehefrau Regina war Tochter des Kunstmalers Franz-Josef Buschmeyer. Seinen Lebensabend verbrachte er in Balve. Noch hier aus schuf er manche Kunstwerke, etwa für kirchliche Gebäude. „Im Pfarrarchiv St. Blasius verwalte ich einige Dokumente über sein umfassendes Schaffen. Regina Schweitzer war allseits bekannt und beliebt. Auch bei uns Kindern: Im Kirchensaal, oberhalb der Sakristei, war sie Herrin der Bücher. Auch Raths Kinder holten sich in der Borromäusbücherei ihre Wochenration an Lesestoff. Über unseren gewaltigen Bedarf an Kinderliteratur wunderte sich die Büchereiverwalterin nur am Anfang ihrer Tätigkeit. Bald nämlich merkte sie, dass fünf Kinder auf diese Weise zumindest vorübergehend ruhiggestellt werden konnten. Es sei denn, das Wetter ließ vielseitige Spiele mit den Nachbarskindern auf der Straße zu“, erinnert sich Rudolf Rath.
Aus dem Haus Schweitzer entstammten zwei Ordensgeistliche, Hubert und Josef, die beiden Brüder des Bauern. Als Angehörige des Jesuitenordens führte sie ihr Missionsauftrag in die weite Welt – aber sie verloren nie den Kontakt zu ihrer Familie, zur Heimatpfarrei und zu Balver Freunden. „Die große weite Welt vermeinte ich als Ministrant zu verspüren, wenn ich diesen Geistlichen bei besonderen Anlässen in der Pfarrkirche dienen durfte“, erzählt Rudolf Rath.
Von Japan nach Balve
Pater Professor Dr. Hubert Schweitzer (+ 1984) war in Japan als Missionar und Hochschullehrer tätig. Dort überlebte er mit Glück den Atombombenangriff der Amerikaner auf die Stadt Hiroshima. Der Jesuit marschierte während seiner Heimaturlaube in Balve gerne im Schützenzug mit zur Balver Höhle. Die Schützenbruderschaft St. Sebastian ernannte ihn 1964 zum Ehrenmitglied und stattete ihn mit einer großzügigen Spende für seine Missionsarbeit aus. Seine Beteiligung 1961 an der Einweihung des katholischen Jugendheims (später Pfarrheim) an der Seite von Dechant Josef Löcker und Vikar Gerhard Lachmann ist im Pfarrarchiv fotografisch dokumentiert. Sein Bruder, Pater Professor Dr. Josef Anton Schweitzer (+1976), kam ebenfalls weit herum: Er lehrte an Ordenshochschulen in Portugal und Spanien.