Balve. Hamstern ist der neue Volkssport - schlimmer als in den Nachkriegsjahren. Derweil gibt Egbert Lenze Tipps für clevere Vorratshaltung.
Dosenchampignons: weg. Nudeln: weg. Toilettenpapier: weg. In Balve geht ein Begriff um, der lange auf der Roten Liste aussterbender Wörter stand: hamstern. Tatsächlich erinnert das raffgierige Verhalten mancher Bürger Zeitgenossen an die Nachkriegszeit, in der Angst vor Mangel und Not herrschte. Spurensuche.
Pfarrarchivar Rudolf Rath muss nicht lange kramen, um seine Erinnerungen zu finden. Er ist Jahrgang ‘44. Die unmittelbare Nachkriegszeit hat der ehemalige Sozialarbeiter als kleiner Junge erlebt. Dennoch ist ihm diese Epoche präsent durch Erzählungen seiner Eltern und Verwandten. „Hamsterkäufe waren in Balve kein großes Thema“, sagt Rath, wohl wissend, dass das ländliche Hönnetal besser mit den Kriegsfolgen zurechtkam als das Ruhrgebiet. „Die meisten hatten Gärten, entweder Eigentum oder angepachtet.“ Einkochen war angesagt. Die Ernte von der heimischen Scholle diente zudem als Währung für Tausch-Geschäfte.
Vertrieben aus Pommern
Erika Scholz (82) erzählt Zeitgeschichte aus der Sicht einer Heimatvertriebenen. Sie ist aus Pommern über die ehemalige „Ostzone“ erst nach Neuenrade, dann nach Balve gekommen. Auch sie hat nie hamstern müssen – und auch kein Hamstern erlebt. „In der Ostzone gab es Lebensmittelkarten“, sagt sie der „Westfalenpost“, „das hat fürs Nötigste gereicht. Zucker gehörte meist nicht dazu.“
Seit 1953 lebt sie mit ihrer Familie im Sauerland. „Wir hatten kein Geld. Wir wollten schnell Arbeit haben. Wir mussten am Ende nehmen, was da war.“ Erika Scholz hat in einer Weberei gearbeitet – allein unter Männern. „Wir haben genau dasselbe gemacht.“ Erika Scholz und ihr inzwischen verstorbener Mann haben darauf hingearbeitet, einen eigenen Garten zu bewirtschaften. Landwirtschaftliche Nutzung sei Pflicht gewesen. „Ich habe gelernt, vorausschauend zu planen. Wir haben viel eingemacht.“
Einmachen kann die junge Generation heute noch lernen – sogar in Balve. Hobby-Koch Egbert Lenze vermittelt alles, was nötig ist in einer Facebook-Gruppe, die „Einkochen und Kochen nach alter Art“ heißt. Egbert Lenze hat fast 100.000 Fans.