Balve. Eine Kirche voller Geheimnisse: Margert Mölle kennt sie alle. Am Donnerstag will sie sie lüften – bei einer Führung durch St. Blasius.
Margret Mölle kennt alle Geheimnisse der St.-Blasius-Kirche. Und sie ist bereit, sie zu lüften. Am Donnerstag, 5. März, 16 Uhr, zeigt sie Kunstinteressierten im Rahmen des Heimatjahres 2020 Romanik und Neuromanik, Barock und, ja, Jugendstil. Der „Westfalenpost“ zeigte sie vorab die schönsten Ecken des Hönne-Doms.
Sie zeigt uns den Eingang an der Mellener Straße. Ihn ziert ein Tympanon, ein mit einer Marien-Skulptur geschmücktes Giebelfeld über der schweren zweiteiligen Eichentür. Das Kunstwerk ist weit mehr als Dekoration. Es hat eine theologische Aussage. „Eine Marien-Skulptur über einem Eingang ist immer eine Einladung“, erläutert die ehrenamtliche Kirchenführerin. Sollte die Erklärung auf uns gemünzt sein: Wir nehmen sie gern an.
Wir gehen an der Agatha-Säule vorbei. Sie erinnert daran, dass Balve zuletzt im Jahr 1789 fast komplett niederbrannte. Nur St. Blasius traf es nicht. „Die Kirche stand außerhalb der Stadtmauern“, betont Margret Mölle und nimmt eine ihrer klarsichtgehüllten Karten zur Hand. Eine Skizze macht Lage von Stadt und Kirche augenfällig.
Die Märzsonne lässt den Rasen zwischen Kirche, Pfarrhaus und St.-Sebastian-Klause aufleuchten. Die Stimmung ist friedlich, bemerkenswert ruhig. Das war keineswegs immer so. „Hier“, sagt Margret Mölle und breitet ihre Arme aus, „liegen 50.000 Tote.“ Sie macht eine kleine Pause. „Nicht 50“, sagt sie, „sondern 50.000.“
Fakt ist: Die Geschichte des oberen Hönnetals wurde im Lauf der Jahrhunderte immer wieder von gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt. Fürsten kämpften ums Gebiet, ein Religionskrieg zwischen Protestanten und Katholiken tobte, zudem wurden sogenannte Hexen verfolgt, gequält, getötet.
Gemälde im Gotteshaus, das nicht zufällig an den Aachener Dom erinnert, zeugen von dunkler Zeit: Kunstwerk und zugleich Dokument. Margret Mölle kennt die Geschichte, und die ehemalige Grundschullehrerin kennt die Geschichten.
Kunst und Künstler stilisierten den Schrecken. Aber sie stilisierten auch die Lehren des Heils. Margret Mölle führt uns in die Chor-Apsis. Die Fenster-Architektur der Kirche kommt an diesem Vormittag besonders gut zur Geltung. Die Sonne veranstaltet Lichtspiele im Gotteshaus, und gerade verschattete Winkel lassen farbige Verglasung überhaupt erst recht zur Geltung kommen.
So recht zur Geltung kommen auch die drei Fresken in der Apsis. Sie laden auf wenigen Quadratmetern zu einer Zeitreise durch drei Kunstepochen ein. Restauratorin Heike Wehner hat im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe die ältesten Fresken aus romanischer Zeit restauriert, hat Farben und Formen herausgearbeitet, so gut es ging. Wer auch immer das Fresko mit dem lehrenden Christus in der Mitte malte – er schuf sie als „buon fresco“, wie Margret Mölle weiß, eine Nass-in-nass-Technik. Daneben entstanden später Heiligen-Fresken – „a secco“. Was, bitte, ist „a secco“? „Farbe wird auf die trockene Wand aufgetragen“, erläutert Margret Mölle.
Damit nicht genug: Ein bisschen verschämt versteckt zwischen den beiden großflächigen Malerei noch ein dritter Fresken-Bereich. „Barock“, sagt Margret Mölle.
Kirchenführerin erzählt mit Hingabe
Ein paar Meter weiter ist ein weiterer Fresko zu sehen. Wie so oft im Mittelalter wird dort eine Bild-Geschichte erzählt, für ein Publikum, das weder lesen noch schreiben konnte. Der Mittelalter-Comic stellt eine fromme Legende dar. „Sie hat mit dem heiligen Nikolaus zu tun“, berichtet Margret Mölle, „die gibt es nördlich der Alpen nur dreimal.“ Wir spitzen die Ohren. Die Geschichte handelt einem Geschäftsmann, der beraubt und durch den segensreichen Einsatz des Heiligen Nikolauses nicht nur Hab und Gut zurückerhielt, sondern sich als Zeichen seiner Dankbarkeit zum Christentum bekehrte.
Margret Mölle erzählt mit Hingabe. Die Zeit verfliegt. Am Ende war es eine kleine Ewigkeit. Doch jede Sekunde hat sich gelohnt.