Balve. . Er hat es aufgebaut. Er hat es geöffnet. Rudolf Rath hat aus dem Archiv von St. Blasius ein Haus der offenen Tür gemacht. Montag wird er 75.

Es ist merkwürdig. Als wir das Kirchenarchiv im Pfarrheim betreten, riecht es kaum nach Staub. Im Gegenteil: Die beiden Räume wirken erstaunlich belebt, nicht nur, weil sich gerade ein Besucher zum Gehen erhebt, als wir den Raum betreten. „Das ist normal“, sagt Rudolf Rath beiläufig, „wir haben jeden Tag zwei, drei Besucher, die etwas abgeben wollen oder eine Frage haben.“ Der Andrang im Archiv fiel nicht vom Himmel. „Ich werbe immer wieder fürs Archiv“, bekennt Rudolf Rath. Seit 14 Jahren frischt er Balves Kirchengedächtnis mit Hingabe auf. Am Montag, 6. April, wird der ehemalige Sozialarbeiter 75.

Klare Strukturen

Autorität in Sachen Balver Kirchengeschichte: Rudolf Rath
Autorität in Sachen Balver Kirchengeschichte: Rudolf Rath © Jürgen Overkott

Als wir kommen, führt er uns erst mal durch die beiden Räume. Sie wirken klar strukturiert. Den Eingangsraum dominiert eine Regalwand mit knapp beschrifteten grauen Kartons, der hintere Raum mit Schränken, die Ordner beherbergen und Familienbibeln, Chroniken und Kreuze – und einen Vitrinenschrank mit kostbaren Messbüchern.

Das Archiv: Es ist Rudolf Raths Leben. Und weil er so lebendig wirkt, wirkt auch sein Arbeitsbereich lebendig. Tatsächlich ist Rudolf Rath auf der Höhe der Zeit. Das signalisiert der Mann mit der großen Brille auf den ersten Blick. Die Kontaktaufnahme funktioniert per Mail. Und selbst wir den Termin kurzfristig nach hinten verschieben müssen, reagiert Rudolf Rath fix. Sein Rechner steht links neben der Tür. Eine strahlend helle LED-Leuchte macht ihm die Arbeit an der Tastatur leicht.

Klein die Blätter, klein die Schrift

Das muss sie auch. Denn Papier – das älteste Schriftstück datiert von 1414 – war bis ins vorige Jahrhundert hinein eine rare Ware. Klein waren die Blätter, und klein war die Schrift.

Rudolf Rath macht es sich zur Aufgabe, die Archivbestände fürs digitale Zeitalter aufzubereiten. „Ich arbeite an einem Findbuch“, sagt er, während er einen jahrhundertealten Folianten betrachtet. „Sütterlin kann ich lesen“, erzählt Rudolf Rath, „selbst dann, wenn es nicht ordentlich geschrieben ist.“ Er zeigt uns Schriftproben, mal kaligrafisch präzise, mal lässig hingesudelt.

Personal, Gebäude, Grundstücke

Mehr als formale Fragen interessieren uns inhaltliche. Worum geht es bei den Dokumenten aus längst vergangenen Jahrhunderten? Rudolf Rath steht Rede und Antwort. Personalfragen wurden beantwortet, bauliche Probleme gewälzt, Grundstücksverträge geschlossen. „Der Kirche gehörte viel Land“, weiß Rudolf Rath, „da ging es oft um Verpachtung und darum, wie viel die Bauern zu zahlen hatten.“

Kurzum: Kirchengeschichte in Balve ist immer auch Stadtgeschichte – und umgekehrt.

Theodor Pröpper, Künstler, Politiker

Rudolf Rath bebildert das Thema im eigentlichen Sinn des Wortes. Im hinteren Raum liegt ein vergrößertes Porträt von Theodor Pröpper, einem der berühmtesten Söhne der Stadt, ein Halbprofil, leicht gestutzte Künstler-Mähne, fester Blick. Der Mann wusste offensichtlich, was er wollte.

Als Rudolf Rath von ihm spricht, klingt, bei aller sauerländischen Nüchternheit, Bewunderung für den Mann mit, der als Organist und Musiktheoretiker weit über die Stadt hinaus bekannt war. Auch als Heimatdichter in erklärtermaßen moderner Version machte sich Pröpper einen Namen. Mehr noch: Der gebürtige Balver, der 1979 in seiner Heimatstadt 85-jährig starb, bekannte auch politisch Farbe. Als Ratsherr des katholischen Zentrums riskierte er seine Absetzung durch die Nazis. Erst nach dem Kriegsende kamen für ihn wieder bessere Zeiten – als moralisch unanfechtbare Autorität. „Nächstes Jahr jährt sich sein Todestag zum 40. Mal“, erzählt Rudolf Rath, „da wollen wir etwas machen. Wir wissen zwar, dass das keim klassisches Jubiläum ist, aber wir wollen nicht, dass Theodor Pröpper vergessen wird.“

Ein starkes LWL-Projekt

Rudolf Rath selbst hat sich derweil ebenfalls westfalenweit einen Namen gemacht. Bei der Diözese in Paderborn gilt sein ehrenamtliches Wirken als mustergültig: Vorbild für Gemeinden, die sich keine hauptamtlichen Archivare leisten können.

Dabei fehlt es Rudolf Rath keineswegs an Fachwissen. Er hat sich mit Hingabe und Fleiß angeeignet. So gehört er auch zum Autorenteam, dass Beiträge zum LWL-Buchprojekt „Bildwelten – Weltbilder“. Zu dem 600-seitigen Hauptwerk erschien ein reich bebildertes Booklet, zu dem auch eine DVD gehört.

Am kommenden Montag freilich legen Rudolf Rath und seine Frau eine Archivpause ein. Statt großer Feier nehmen sie sich eine kleine Auszeit. „Wir sind dann mal weg.“ Hape Kerkeling lässt grüßen.