Balve.

Die anerkennenden Worte für das Stadtoberhaupt kamen aus berufenem Munde. Werner Ahrens interessiert sich nicht nur sehr für die Vergangenheit, der Vorsitzende der Balver Heimwacht lebt Geschichte. Als er Bürgermeister Hubertus Mühling nach einer Heiligen Messe im Altenwohnheim dafür lobte und dankte, dass dieser in seiner Ansprache daran erinnert hatte, dass Balve vor 585 Jahren zur Stadt erhoben wurde, fiel Werner Ahrens jedoch auch gleich ein, dass es in 2016 mehr als nur diese eine bedeutende Jahreszahl gibt, derer zu gedenken angebracht wäre.

Als bekennender Freund der Geschichte nicht nur seiner Heimatstadt musste Werner Ahrens nicht lange nachdenken. „Für die Bürger der Stadt und des Balver Landes hält dieses Jahr besondere Daten zur Erinnerung bereit. Es gibt so vieles, an das viele nicht mehr denken“, verrät er im Gespräch mit dieser Zeitung. Zum Beispiel werde die Pfarrei Balve 820 Jahre alt. Sie wurde 1196 erstmals in Rom benannt. Ein weiterer runder Geburtstag stehe für eines der Wahrzeichen von St. Blasius an. Der einmalige barocke Hochaltar wurde vor 320 Jahren in der romanischen Apsis aufgebaut. Auch die exakt 325 Jahre, die vergangen sind, seit der Turm der Balver Kirche eine neue Turmhaube bekommen habe, sei einer besonderen Erinnerung wert, so Werner Ahrens.

Ganz besonders am Herzen liegt dem Heimwacht-Vorsitzenden, die Erinnerung an eines der schwärzesten Kapitel der Balver Geschichte zu bewahren: die Hexenverfolgung. Und auch zu dieser tragischen Thematik hat Werner Ahrens eine besondere Jahreszahl parat. „1666, also genau vor 350 Jahren, haben ,wir’ die letzte Hexe verurteilt“, zählt der Historiker auf – und ergänzt seine Aussage im gleichen Atemzug: „Wobei verurteilt gleichzusetzen ist mit verbrannt.“ Werner Ahrens und seine Mitstreiter der Balver Heimwacht haben ungezählte Stunden damit verbracht, Material über die grausamen Verbrechen zu Beginn der Neuzeit in der scheinbaren Sauerländer Idylle zusammenzutragen. Rund 300 Menschen – die meisten waren Frauen, aber es traf auch Männer – wurden zwischen 1592 und 1666 in Balve als Hexen hingerichtet.

Gedenkstätte

Aber es gelte auch, sich eines Lichtblickes im Zusammenhang mit jenem dunklen Kapitel zu erinnern. 2006 wurde eine Gedenkstätte für die unschuldigen Opfer des Balver Hexenwahns eingerichtet. Seit zehn Jahren steht auf dem Galgenberg eine Betonstele – nicht nur zur Erinnerung an die unschuldigen Opfer, auch als Mahnung, jedem vorurteilsfrei Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und seine Menschenwürde zu achten.

Interesse an der Geschichte

Ahrens selbst treibt stark das persönliche Interesse an Geschichte an. Aber als Vorsitzender der Balver Heimwacht möchte Werner Ahrens auch anderen Menschen nahe bringen, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit helfen kann, die Zukunft zu verbessern – und spannend ist Geschichte noch dazu. Die Heimwacht hält Geschichte nicht nur lebendig, sie mischt sich auch ein, wenn dies erforderlich scheint. Zu ihren größten Verdiensten zählt die Rettung der Balver Höhle. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wollten die Alliierten den Felsendom sprengen. Die Heimwacht hatte maßgeblichen Anteil daran, dass dies verhindert wurde. Das Original-Telegramm mit der frohen Botschaft hatte sich Werner Ahrens aus dem Kreisarchiv ausgeliehen, um ein detailgetreues Ölgemälde im Posterformat davon zu erstellen.

Gegen das Vergessen

Doch auch abseits derartiger Großereignisse ist die Heimwacht wichtig – gerade in Zeiten des Internets. „Erinnern wir uns jetzt. Mit unserer Informationstechnik erfahren wir täglich im Sekundentakt von Ereignissen in der ganzen Welt“, sagt Werner Ahrens. „Wie schnell vergessen wir dabei unsere eigene Geschichte?“

Werner Ahrens ist übrigens ein großer Freund des gedruckten Wortes und hat diverse Bücher und Schriften veröffentlicht. Für Recherche und Publikationen nutzt der gelernte Grafiker allerdings auch elektronische Medien. Beim Thema Wikipedia zuckt der Balver jedoch zusammen und muss nach politisch korrekten Formulierungen suchen, die seine Einstellung zum modernen Menschheitswissen verdeutlichen. Es steckten „viele, viele Fehler“ in Wikipedia, sagt der nur verlässlichen Quellen vertrauende Historiker. Warum er dem populären Internet-Lexikon so skeptisch gegenüber steht? „Da fuckeln zu viele Leute dran rum“, klagt Werner Ahrens. „Wenn ihr etwas über die Geschichte Balves wissen wollt, dann fragt mich…“