Wocklum. . Warum macht eine junge Iserlohnerin vor dem Studium eine Ausbildung zur Pferdewirtin? Was vermittelt Chefin Marisa Philipp?
Malheur steht in der Waschbox und wird frisiert. Ein schickes Deutsches Reitpony mit großer weißer Blesse und einem aufmerksamen Blick. Vorsichtig schneidet Nele Kehm mit der Schere winzige Millimeter seines Schweifs ab. Danach wird der neunjährige Wallach ausgiebig geputzt. Malheur ist der jüngste Neuzugang im Stall von Marisa Philipps. Nele ist immerhin schon seit August dabei. Die 20-Jährige absolviert eine Lehre zur Pferdewirtin auf der Anlage in Balve-Wocklum.
Die Motivation
Sie wollte die Wartezeit bis zum Studium sinnvoll überbrücken. „Ich möchte Tiermedizin studieren und da fallen leider einige Wartesemester an“, sagt die Abiturientin aus Iserlohn. „Mit der Ausbildung bei Marisa im Stall kann ich die Zeit gut nutzen.“
Die Aufgaben
Pferde reiten, Unterricht geben, Füttern, Stallarbeiten, all‘ diese Aufgaben erledigt sie, genau wie die Chefin, tagtäglich. Marisa Philipp ist Pferdewirtschaftsmeisterin und hat ihre Bereiterlehre in den 90er Jahren ebenfalls in Wocklum absolviert. Damals noch bei Tina Vogel. Dass sie den Reitbetrieb eines Tages selbst leiten würde, hätte sich die 41-Jährige wohl kaum träumen lassen.
Doch seit 2014 ist die gebürtige Oberallgäuerin wieder ganz in Balve zuhause – jedenfalls beruflich und mit ihren Pferden. Privat wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten Andreas und dem kleinen Sohn in Hemer.
Die Ausbilderin
Den Reitbetrieb mit 40 Boxen stemmt die Familie zusammen, denn damit Marisa arbeiten kann, kümmert sich ihr Partner hauptsächlich ums gemeinsame Kind. „Sonst würde es nicht funktionieren“, sagt sie. Marisa Philipp, die von Paul Schockemöhle über Arndt Erben schon für viele namhafte Reitergrößen tätig war, liegt besonders die Ausbildung junger Pferde am Herzen. Ihr Wissen zum richtigen Umgang mit den Tieren und einer klassischen Reitausbildung gibt sie nicht nur an Reitschüler, sondern eben auch an Auszubildende weiter.
Das Praktikum
Nele ist die dritte, die ihre Lehre bei ihr macht. „Ein Praktikum geht der Ausbildung eigentlich immer voraus“, beschreibt Marisa die Zeit, bevor sie jemandem einen Arbeitsvertrag anbietet. „Auch Nele hat das gemacht, nachdem sie ihre Bewerbung persönlich bei mir abgegeben hatte.“ Die Stellenanzeige hatte Nele beim Arbeitsamt gefunden. Während der Tage ihres Praktikums hat sie dann offenbar überzeugt. „Nele hat von alleine gesehen, was zu tun ist, hat mitgedacht und angepackt.“ Das ist Marisa wichtig. „Wer mit Händen in der Tasche auf der Stallgasse steht, ich glaube, der ist falsch in diesem Beruf.“
Dass Nele keine erfahrene Turnierreiterin war, das wiederum hat gar nichts ausgemacht. Vielleicht auch deshalb, weil Marisa nur zu gut weiß, wie es ist, wenn man sich den Reitsport selbst hart erarbeiten muss. „Meine Eltern haben mir eine Reitstunde in der Woche finanziert, ansonsten hatten sie damit nichts zu tun. Alles weitere habe ich mir durch Mitarbeit im Stall selbst dazuverdient.“
Die Selbstständigkeit
Heute ist ihre Mutter stolz auf die Selbstständigkeit ihrer Tochter, lange hätte sie sie hingegen lieber studieren sehen. Vielleicht sogar auf Lehramt, wie sie selbst. „Aber das war nichts für mich. Das wusste ich einfach“, erinnert sich Marisa. „Für mich gab es nur zwei Dinge, die infrage kamen: Entweder eine Bereiterlehre oder eine Bar in Rimini.“ In jedem Falle wollte sie immer selbstständig sein. „Etwas anderes kann ich mir auch für die Zukunft nicht vorstellen. Sollten meine Knochen den Reitbetrieb eines Tages nicht mehr mitmachen, dann würde ich es mit etwas Neuem wieder selbstständig versuchen.“
Der Reiz
Nele gefällt an ihrer Ausbildung bei Marisa, dass der Berufsalltag so vielseitig ist: „Ich bin oft draußen, kann mich viel bewegen und jeder Tag ist anders. Man weiß morgens nie genau, was alles noch kommt.“ Und mit Malheur schon gar nicht. Er ist nämlich immer für Überraschungen gut, vor allem beim Reiten. Deshalb wird Nele ihn jetzt erst einmal longieren, bevor sie auf dem Springplatz ihre Runden mit ihm dreht.
Die Informationen
Informationen über den Betrieb von Marisa Philipp gibt es im Internet auf der Seite „www.sportpferde-philipp.de“. Alles über die Pferde-Szene ist auf der Seite „www.pferd-aktuell.de“ zu finden.
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