Balve. Aysel aus Aserbaidschan liebt, was sie tut, und sie tut, was sie liebt. Bei Tillmann macht sie eine Lehre. Balver haben sie ins Herz geschlossen.
Dem ungeübten Auge fällt es gar nicht weiter auf, dass von den Laugenstangen in der Auslage schon so viele verkauft wurden, dass die ursprünglich drei langen Reihen jetzt ziemlich kurz geworden sind. Aysel Aslanli sieht das jedoch sofort und sortiert die braunen, mit Salzkörnern bestreuten Stangen feinsäuberlich in zwei neue, lange Reihen. Dafür ist mehr Platz für den Mohnkuchen entstanden, den die 22-Jährige nun auch so umschichtet, dass er wieder bestens zur Geltung kommt.
Die junge Frau aus Aserbaidschan macht seit dem vergangenen Jahr eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin im Balver Café der Bäckerei Tillmann. Und das, ganz offenbar, mit viel Hingabe. Für Aysel Aslanli ist mit dieser Lehrstelle ein Wunsch in Erfüllung gegangen, „denn schon lange träume ich davon, irgendwann mal ein eigenes Café eröffnen zu können“, sagt sie in bemerkenswert gutem Deutsch. Erst seit zwei Jahren lebt sie mit ihren Eltern und Geschwistern in Deutschland.
Praktikum als Eintrittskarte
Kaum jemand weiß besser, wie das ist mit der fremden Sprache und dem fremden Land, als Solène Tillmann, die selbst aus Frankreich stammt. Seit 18 Jahren lebt die Geschäftsführerin der Bäckerei Tillmann nun schon in Balve, aber natürlich kennt sie das Gefühl von Heimweh und das Sich-Dort-Durchbeißen-Müssen, wo man erstmal kaum jemanden kennt. Vielleicht war sie auch deshalb gleich ganz angetan, als Engelbert Falke auf sie zukam, um ihr von Aysel zu erzählen. Er hatte die ehemalige Mathematikstudentin bei seiner ehrenamtlichen Arbeit mit den Balver Flüchtlingsfamilien kennengelernt und fand, „dass sie ganz aufgeweckt und auf Zack ist.“
Viel Interesse am Beruf
„Aysel hat erstmal ein Praktikum bei uns gemacht und schon da viel Interesse an dem Beruf gezeigt“, erinnert sich Solène Tillmann. Ihr sind vor allem motivierte, aufgeschlossene Mitarbeiter wichtig, die Freude am Kontakt mit Menschen haben und freundlich zu den Kunden sind. „Und so jemand ist Aysel.“
Die wiederum ist auch sehr zufrieden mit ihrer Ausbildungsstelle: „Es gibt in Balve viele ältere Leute, das ist mir aufgefallen und sie fragen mich hier im Café immer, wie es mir geht und woher ich komme. Das ist sehr süß. Sie behandeln mich ein bisschen wie ihr kleines Mädchen, aber im positiven Sinne“, erzählt sie lächelnd. Und sie habe sehr nette Kollegen. „Die helfen mir immer gern und erklären mir alles, was ich wissen muss.“
Nichts für Langschläfer
Den Rest lernt Aysel in der Berufsschule. Um am Unterricht teilnehmen zu können, fährt sie einmal in der Woche mit dem Zug von Balve bis nach Fröndenberg und von dort weiter bis nach Arnsberg. 20 Minuten Fußweg vom Bahnhof bis zur Schule - dann schafft sie es pünktlich zur ersten Stunde. Dafür muss sie um 5 Uhr morgens aufstehen, aber für Langschläfer ist das Bäckerhandwerk ohnehin nicht besonders geeignet. „Die Frühschicht im Café beginnt um 6.30 Uhr, die Spätschicht um 11 Uhr“, sagt Aysel.
Solène Tillmann kümmert sich um die Azubis
Die Bäckerei Tillmann möchte auch in diesem Jahr wieder ausbilden: „Zwei Lehrlinge hätten wir gerne, obwohl auch Arbeit für mehr da ist, aber unsere Philosophie ist: Lieber wenige und sich um die richtig kümmern können, als zu viele“, sagt Solène Tillmann und betont, dass es für ihre Azubis auch nach der Lehre im Betrieb weitergehen soll. Abwechselungsmöglichkeiten gibt es genug, schließlich beschäftigt die Balver Traditionsbäckerei über 100 Mitarbeiter in Balve, Langscheid, Amecke und vielen anderen Ortschaften der Region.
Wie es für Aysel einmal weitergeht? „Ich weiß es noch nicht“, sagt sie. „Erstmal mache ich jetzt drei Jahre lang meine Lehre zu Ende und dann mal schauen.“