Balve. . Arbeitsagentur und Stadt zeigen jungen Leuten, wo Ausbildungschancen winken. Anil hat eine ergriffen – bei Bäcker Tillmann.
Der Arbeitstag des 18-jährigen Balvers Anil Sahin beginnt um zwei Uhr in der Nacht. Der junge Mann steckt nämlich mitten in der Ausbilung zum Bäcker. Sein Eifer für diesen Beruf ist unter jungen Menschen aber eher die Ausnahme, weshalb es hier massiv an Nachwuchs mangelt. Deswegen legt die aktuell laufende, bundesweite „Woche der Ausbildung“ hier einen besonderen Fokus.
Fehler im System
Wobei die Beteiligten wie Gudrun Schmitz-Raphael und Sabine Bergmann von der Agentur für Arbeit genau um die Hürden Bescheid wissen: vor allem im Beruf des Bäckers die Arbeitszeiten und eine im Vergleich zu anderen, etwa einigen industriellen und kaufmännischen Ausbildungsberufen, schlechtere Bezahlung. „Der Fehler liegt im System, dass gerade die sowieso schon nicht so beliebten Berufe auch noch die am schlechtesten bezahlten sind“, weiß André Flöper aus der Balver Stadtverwaltung.
Und auch Solène Tillmann von der Bäckerei Tillmann kann ein Lied davon singen. „Sehr schleppend“ laufe die Rückmeldung potenzieller Bewerber auf die Ausschreibungen, eine einizige Bewerbung kam für einen Ausbildungsplatz.
Teamarbeit macht Spaß
Die seit Juli 2017 auf der Homepage der Agentur für Arbeit geschaltete Anzeige habe seitdem genau 56 Zugriffe verzeichnet. „Das ist quasi eine Null“, so Gudrun Schmitz-Raphael, die zumindest durch eigene Bemühungen und Nachforschungen der Balver Bäckerei dann noch acht Vorschläge unterbreiten konnte. Allesamt für den Beruf des Bäckers. Bei den Fachverkäufern sieht es auch nicht besser aus.
Mittendrin in seiner Ausbildung zum Bäcker bei Tillmann ist hingegen Anil Sahin. Der 18-Jährige, der Haupt- und Realschule in der Hönnestadt besuchte, ist im zweiten Lehrjahr, hat noch eineinhalb Jahre vor sich. „Lebensmittel haben mich immer schon interessiert. Nachdem ich sowohl in den Bereich Koch wie auch Bäcker hineingeschnuppert habe, fiel schnell die Entscheidung zugunsten des Bäckerhandwerks. Es macht mir großen Spaß, auch die Arbeit im Team.“
Freundschaften am Wochenende
An die Arbeitszeiten mit Beginn zu nachtschlafener Urzeit um zwei Uhr früh (als Geselle dann sogar schon um eins) habe er sich mittlerweile gewöhnt. „Schlafen tue ich dann zweimal am Tag, vorher und nachher. Man kommt in den Rhythmus. Die Freundschaften pflege ich hauptsächlich am Wochenende.“
Den Meister zu machen, könne irgendwann sicher auch noch ein Thema werden. Solène Tillmann ist jedenfalls froh und sehr zufrieden mit ihren „Schützling“, mit dem sie auch schon auf einem Austausch der Handwerkskammer in ihrer Heimat Frankreich war. Wo sich Sahin in die Geheimnisse des französischen Backhandwerks rund um Croissants und Baguette vertiefte. „Die Franzosen wissen, dass der Backprozess eben seine Zeit braucht, und sie stehen viel geduldiger an als die Menschen hier.“
Bauchgefühl zählt
Um vielleicht mehr Nachwuchs zu gewinnen, rät Gudrun Schmitz-Raphael zu einer noch größeren Präsenz auf Ausbildungsmessen. Außerdem sei die Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit (hier reduzieren sich nur die Stunden im Betrieb, nicht in der Berufsschule) zum Beispiel für junge Mütter noch viel zu wenig bekannt. Anil Sahin jedenfalls rät, auf das Bauchgefül zu hören: „Man muss etwas finden, was einem Spaß macht.“ Er jedenfalls hat das.