Arnsberg. . Eine Zeitreise in die Fünfziger: Das Sauerland-Museum Arnsberg zeigt Alltag und Wohnkultur der fünfziger Jahre. Die Besucher können tanzen lernen, Kino gucken und Kalten Hund essen. Unter dem Titel „Sehnsuchtsjahre“ widmet das Sauerland-Museum Arnsberg der Epoche jetzt eine ebenso große wie großartige Ausstellung.
Diese Welt wirkt wie von einem fremden Stern gefallen: Aus dem Zigarettenautomaten zieht man elf Glimmstängel für eine Mark. Im Tante-Emma-Laden kauft Mutti Kaba und Persil - und erfährt nebenbei den neuesten Tratsch. Im Friseursalon warten extragalaktisch anmutende Gerätschaften auf frisch zu ondulierende Frauenköpfe. Und im Schlafzimmer haben sich Schutzengelgemälde und Paradekissen zur friedlichen Koexistenz entschlossen.
Kein fremder Stern, sondern Vergangenheit. Die Fünfziger. Unter dem Titel „Sehnsuchtsjahre“ widmet das Sauerland-Museum Arnsberg der Epoche jetzt eine ebenso große wie großartige Ausstellung. Die politischen Entwicklungen der Ära werden bewusst ausgeklammert - „das wird im Haus der Geschichte in Bonn hervorragend dargestellt“, so Museumsdirektor Dr. Jürgen Schulte-Hobein. In Arnsberg geht es um die Wohn- und Alltagskultur.
Nierentisch und Einkochkessel
Hier bietet das Sauerland-Museum eine faszinierende Zeitreise an. Der Rundgang führt vom Tante-Emma-Laden über den Friseursalon zum Radio- und Fernsehgeschäft. Nierentisch und Cocktailsessel prägen das Wohnzimmer, in die Küche halten Erfindungen wie der Weck-Einkochkessel Einzug.
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Kein anderes Jahrzehnt zieht derzeit so viele Phantasien auf sich wie die Fünfziger. Selbst hochglanzpoliertes Holz ist wieder in Mode. Das mag einerseits daran liegen, dass die Ära für die Zeitzeugen im Rückblick mit positiven Erfahrungen verbunden ist: Der erste Fernseher, das erste Auto, die erste Urlaubsreise. Doch die Fünfziger faszinieren gerade auch Jugendliche - wegen der Mode und weil sich vom Einkaufen über die Mediennutzung der ganze Alltag inzwischen grundlegend verändert hat.
Geradezu nostalgisch mutet ein Ausstellungskapitel an, das seinerzeit für Sprengstoff sorgte. Im Jugendzimmer der Fünfziger wird Rock’n’Roll gehört und Bravo gelesen - Zutaten eines Generationenkonfliktes, den Kinofilme wie „Die Halbstarken“ dokumentieren.
Besucher im Sauerland-Museum können 50er Jahre nachempfinden
Das Sauerland-Museum hat die Fünfziger nicht einfach nur inszeniert: Viele Mitmachmöglichkeiten erlauben den Besuchern, das damalige Lebensgefühl zu erfahren. Im Café Zeitsprung zum Beispiel, das Sabine Fordemann aus Herford in fleißiger Sammelarbeit zusammengetragen hat, kann man an jedem ersten Sonntag im Monat sowie auf Anfrage stilgerecht mit Kaltem Hund und Eierlikör entspannen. Im Kinoraum werden die entsprechenden Filme gezeigt, und die Tanzschritte von Jive und Boogie Woogie lassen sich auf den bezeichneten Tanzplatten erlernen.
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„Sehnsuchtsjahre“: Der Titel bezeichnet keinesfalls den sehnsüchtigen Blick zurück. Er beschreibt die Situation der damaligen Menschen. Die Nachkriegsgeneration hat zu Recht viele Träume. Die Trümmerfrauen, die in Schwerstarbeit ihren Mann gestanden hatten, machen jetzt wieder die Küche zu ihrem Revier. Schöne neue Möbel und pflegeleichte Mode sind Erfahrungen, die in den Kriegsjahren entbehrt wurden.
Die neuen Erfindungen revolutionieren das Sozialleben - mit Folgen bis heute. Als das West-Fernsehen 1952 an den Start geht, gibt es erst 11.658 gemeldete Teilnehmer. Großereignisse wie die Fußball-WM von 1954 sehen sich die Deutschen noch in Gaststätten an. Doch schon 1957 überschreitet die Zahl der Fernseh-Haushalte die Millionengrenze. Aus der Familienrunde, in der man nach Feierabend gemütlich zusammen sitzt, wird die Familienhalbrunde, die sich um den Fernseher als Mittelpunkt gruppiert.
Alle Exponate sind original
Alle der mehreren 1000 Exponate der Ausstellung sind original, darauf ist Museumsleiter Schulte-Hobein stolz. Vom Frisierumhang bis zum Petticoat, vom Waschpulverkarton bis zum Backpulverpäckchen ist kein Ausstellungsstück eine Replik.
Fünfziger Jahre im Sauerland-Museum
Die Zeitreise endet im Schlafzimmer. Hier werden die Fünfziger geradezu sinnlich erspürbar. Denn die typische Mischung aus Spießigkeit und Aufbruchstimmung spiegelt sich im Interieur, das roséfarbene Liebestöter mit koketten Seidenstrümpfen vereint.
Ein museumspädagogisches Programm für alle Schulstufen rundet die Ausstellung ab. Auch sonst wird Interaktion groß geschrieben. Kunsthistorikerin Dr. Ulrike Schowe: „Wir erhoffen uns bei den Führungen, dass die Gäste ebenfalls erzählen.“