Hüsten. Die Geschichte der Hirsch-Apotheke bewegt die Menschen in Hüsten: Heimatforscher Reiner Ahlborn hat sie für das neue Heimatbundheft aufbereitet.

Anfangs ist es ein Gerücht gewesen, welches durch Hüsten geisterte - die Hirsch-Apotheke soll verkauft werden. Und das alte Haus, in der sich die Apotheke jahrzehntelang befand, wird abgerissen. „Ich habe mich dann an die Arbeit gemacht, recherchiert und Informationen über die Apotheke gesammelt“, berichtet Reiner Ahlborn.

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Der Hüstener Heimatforscher drang tief ein in die Historie der ersten Apotheke Hüstens. 1894 wurde sie von Alois Josten auf der Bahnhofstraße eröffnet. „Zuvor war die medizinische Versorgung im preußischen Staat streng reglementiert. In Arnsberg gab es die Engel- und die Adler-Apotheke, in Neheim die Biber-Apotheke. Außerdem gab es noch Apotheken in Allendorf und Balve. Aber Hüsten hatte trotz mehrerer Tausend Einwohner im späten 19. Jahrhundert keine eigene Apotheke“, hat Ahlborn herausgefunden.

Eine alte Postkarte aus dem Archiv des Heimatbundes Neheim-Hüsten zeigt am linken Bildrand die Hirsch-Apotheke auf der unteren Bahnhofstraße. Das Bild ist nach 1902 entstanden. 
Eine alte Postkarte aus dem Archiv des Heimatbundes Neheim-Hüsten zeigt am linken Bildrand die Hirsch-Apotheke auf der unteren Bahnhofstraße. Das Bild ist nach 1902 entstanden.  © Heimatbund Neheim-Hüsten | Heimatbund Neheim-Hüsten

Das Amt Hüsten sei damals groß gewesen, die medizinische Versorgung aus heutiger Sicht absolut unzureichend. „Wenn jemand krank gewesen ist, musste er beispielsweise aus Herdringen zu Fuß nach Hüsten gehen, um dort den Doktor zu suchen. Der wiederum ist dann gemeinsam mit dem Boten mit der Pferdekutsche zum Patienten gefahren. Stand die Diagnose fest, musste der Angehörige wiederum zu Fuß nach Neheim oder Arnsberg gehen, um beim dortigen Apotheker nach den Medikamenten zu fragen. Und dann ging es wieder zu Fuß zurück zum Patienten nach Herdringen. Damals war es keine Seltenheit, dass ein Angehöriger acht bis neun Stunden unterwegs war, bis er die Medikamente für den Kranken besorgt hatte. Das hatte besonders bei schweren Krankheiten eine hohe Sterblichkeit zur Folge“, weiß der Heimatforscher zu berichten.

Nach langem Ringen und aufgrund des immer rascher anwachsenden Hüsten durfte Alois Josten 1894 die erste Apotheke im Ort eröffnen. „Besonders in Neheim hat man die Eröffnung sehr kritisch gesehen, schließlich hatte der dortige Apotheker zuvor auch Hüsten mitversorgt und für die damalige Zeit stattliche Einnahmen generiert“, so Ahlborn. Voraussetzung für die Eröffnung der Hüstener Apotheke war die Ansiedlung in der Ortsmitte.

Reiner Ahlborn (links) ist Mitglied des Heimatbundes Neheim-Hüsten. Für das aktuelle heimatbundheft hat er über die Geschichte der Hüstener Apotheke geforscht.
Reiner Ahlborn (links) ist Mitglied des Heimatbundes Neheim-Hüsten. Für das aktuelle heimatbundheft hat er über die Geschichte der Hüstener Apotheke geforscht. © WP | Katrin Clemens

Richtig glücklich sei Inhaber Josten, der den Betrieb im Alter von 70 Jahren erst übernahm, nicht wirklich damit geworden. Wohl auch deswegen, weil die Einnahmen nicht so sprudelten, wie erhofft. „Damals waren längst nicht alle Menschen krankenversichert. Bisweilen kam es vor, dass es zwei Jahre dauerte, bis jemand die Kosten für Medikamente vom kärglichen Lohn abgestottert hatte“, sagt Reiner Ahlborn.

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Nach Jostens Tod folgte die 30 Jahre jüngere Ehefrau Minna Josten, eine geborene Reinsch, in die Rolle der Apothekerin. Ihr gelang es durch Fleiß und Geschick die Apotheke in Hüsten zu etablieren. Selbst ein Brand im Jahr 1929 stoppte den Betrieb nur kurzfristig. „In sagenhaften eineinhalb Jahren gelang es, den Neubau an alter Stelle mit sämtlichen Planungen durch Architekten und Genehmigungen der Politik zu realisieren. Provisorisch fand der Betrieb in der Übergangszeit an anderer Stelle in Hüsten statt.“

Insgesamt etwa 110 Jahre blieb die Apotheke in Familienbesitz, ehe Christoph Tillmann 2006 übernahm. Seit 2021 befindet sich die Hirsch-Apotheke in einem neuen Gebäude auf der Marktstraße, einige Hundert Meter vom alten Standort entfernt. Das alte Gebäude ist aufgrund eines Wasserschadens baufällig geworden, das obere Stock ist sogar einsturzgefährdet. Wenige Teile der alten Einrichtung konnten gerettet werden. So zum Beispiel eine alte Schrankleiter, die restauriert wurde und im neuen Geschäft zu sehen sind. „Wir haben viele Stammkunden, die auch noch die alte Apotheke kennen. Ich finde es sehr wichtig, dass solche inhabergeführten Geschäfte in den Städten erhalten bleiben“, erklärt Christoph Tillmann.

Hier ist das aktuelle Heimatbundheft erhältlich

Im Neubau an der Marktstraße 26 bei Apotheker Tillmann ist das neue Heft zum Preis von 8 Euro genauso erhältlich wie in der Buchhandlung Sonja Vieth in Alt-Arnsberg (Alter Markt 10) und der Mayerschen Thalia-Buchhandlung in Neheim auf der Hauptstraße 15. Den Mitgliedern des Heimatbundes Neheim-Hüsten e.V. wird das Heft zugesandt, denn neue Hefte sind im Mitgliedsbeitrag enthalten. Einige ältere Hefte sind noch bestellbar über die Homepage des Heimatbundes; dort ist ein Warenkorb eingerichtet.

Irritierend sei es aus heutiger Sicht für viele Menschen, dass der untere Teil der Bahnhofstraße in Hüsten mit den Hausnnummern 1 bis 55 heute Marktstraße heiße, macht Reiner Ahlborn deutlich. „Die Hirsch-Apotheke hat sich immer am gleichen Standort befunden, bis Herr Tillmann in das neu erbaute Ärztehaus 2022 umgezogen ist.“

Christoph Tillmann ist mit der Hirsch-Apotheke 2022 in ein modernes Haus auf der Markstraße umgezogen. Aus der historischen Apotheke hat er den Apothekerschrank gerettet und aufbereiten lassen.
Christoph Tillmann ist mit der Hirsch-Apotheke 2022 in ein modernes Haus auf der Markstraße umgezogen. Aus der historischen Apotheke hat er den Apothekerschrank gerettet und aufbereiten lassen. © Eric Claßen | Eric Claßen

Die Geschichte rund um die Hüstener Hirsch-Apotheke ist ausführlich von Reiner Ahlborn für die neue Ausgabe des Heftes „An Möhne, Röhr und Ruhr“ des Heimatbundes Neheim-Hüsten e.V. aufgearbeitet worden. Garniert wurde der Text mit alten Postkarten und Bildern. „Unserem langjährigen Mitglied Reiner Ahlborn gilt unser großer Dank für seine erneute Forschungsarbeit zugunsten unseres Vereins“, sagt Heimatbundvorsitzende Alicia Sommer.